Ukraine: Berlin schickt Uralt-Helikopter – Piloten skeptisch

ukraine: berlin schickt uralt-helikopter – piloten skeptisch

Militär-Hubschrauber in der Ukraine: Deutschland liefert Sea-King-Helikopter an das angegriffene Land.

Im Frühjahr 2022 stürmen russische Truppen die ukrainische Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer. Sie schießen die Stadt in Trümmer. Tausende Zivilisten und Soldaten sterben. Die letzten Verteidiger ziehen sich in das Asow-Stahlwerk zurück, wo sie noch wochenlang die Stellung halten. Ukrainische Hubschrauber versorgen die Eingeschlossenen mit Lebensmitteln, Waffen und Medikamenten, fliegen neue Soldaten ein und Verwundete heraus. Es ist ein Einsatz an der Grenze zu einem Himmelfahrtskommando, die Piloten müssen ihre Maschinen durch dichtes russisches Abwehrfeuer steuern. Nicht alle kommen zurück. Einer der Männer, die überlebt haben, ist Kyrylo.

Knapp zwei Jahre später. Auf einem weitläufigen, matschigen Flugfeld in der Zentralukraine, über dem dichte, graue Winterwolken hängen, steht ein Dutzend Helikopter. Der genaue Ort darf aus Sicherheitsgründen nicht genannt werden. Die Maschinen gehören zu einer Einheit der Heeresflieger. Es ist die Brigade von Kyrylo, 32 Jahre, seit elf Jahren beim Militär, über 1500 Flugstunden. Der junge Pilot führt uns zu einem der Hubschrauber, einem 25 Meter langen Ungetüm mit fünf langen Rotorblättern, angemalt in Tarnfarben. Es ist selten, dass hier Journalisten Zutritt bekommen.

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Kyrylo klettert in die Kabine. An den Wänden mit den runden Fenstern hängen Uniformteile, auf einer der Sitzbänke liegt ein Schlafsack. Im Eingang zum Cockpit liegt auf dem Boden eine blaue Fußmatte. „Welcome“ steht darauf. Kyrylos Hubschrauber ist ein Mil Mi-8, gebaut in Russland. Vor fünfzehn Jahren kaufen die Amerikaner einige Maschinen dieses Typs von den Russen und rüsten damit die afghanischen Streitkräfte aus. Vor der erneuten Machtübernahme der Taliban holen sie die Hubschrauber aus Afghanistan heraus und übergeben sie später den Ukrainern.

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Ukraine-Krieg: Hubschrauber-Piloten fügen Russen schwere Schäden zu

Jetzt fliegen Kyrylo und die anderen Piloten seiner Einheit mit den russischen Maschinen seit zwei Jahren Kampfeinsätze gegen die russischen Invasoren. In den ersten Kriegswochen schießen sie vor allem auf die Kolonnen von gepanzerten Fahrzeugen, die im Norden der Hauptstadt Kiew zum Stillstand gekommen sind. „Denen konnten wir uns auf bis zu 500 Metern nähern“, erinnert sich der junge Pilot. Die Hubschrauber-Besatzungen tragen zu dem Desaster bei, das Moskaus Truppen zum Kriegsanfang erleben. Danach werden sie nach Mariupol geschickt. „Das war mit Abstand der gefährlichste Einsatz, den ich jemals geflogen bin“, sagt Kyrylo. Mindestens drei ukrainische Hubschrauber werden bei dem Versuch abgeschossen, den belagerten ukrainischen Soldaten in Mariupol zu helfen.

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Auch nach Mariupol bleiben die Einsätze der Hubschrauber-Besatzungen in diesem Krieg lebensgefährlich. In der weiten Steppenlandschaft im Süden und Osten des Landes gibt es wenig Möglichkeiten, sich dem Gegner geschützt von der Landschaft anzunähern. Die Piloten sind gezwungen, extrem tief zu fliegen. „Das macht einen schon nervös, weil du alle möglichen Hindernisse treffen kannst, Bäume oder Stromleitungen zum Beispiel. Du musst sehr konzentriert sein, das ist ziemlich erschöpfend“, sagt Kyrylo.

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Sie werden bei ihren Einsätzen aus der Luft und vom Boden aus attackiert. Von russischen Kampfjets der Typen Su34 und Su35, von stationären Luftabwehrsystemen. Der Mil Mi-8 fliegt mit einer Höchstgeschwindigkeit von 250 Stundenkilometern. Das macht sie auch anfällig für tragbare Luftabwehrsysteme. „Es gibt keine Mission, bei der nicht auf uns geschossen wird.“

Ukraine: Deutschland will jetzt spezielle Hubschrauber liefern – Piloten fällen Urteil

Die fliegenden russischen Kommandozentralen des Typs Berijew A-50 machen es den ukrainischen Piloten besonders schwer. Das sind Flugzeuge, die ein Radar tragen und die vollgestopft mit Elektronik sind. Sie können in einem Radius von 300 Kilometern und mehr alle feindlichen Fluggeräte entdecken. Dass die Russen am 14. Januar und am 23. Februar gleich zwei dieser jeweils über 300 Millionen Euro teuren Flugzeuge samt ihrer hoch spezialisierten und jahrelang ausgebildeten Besatzungen verloren haben, erleichtert die Arbeit der ukrainischen Piloten. Sie können nicht mehr so schnell entdeckt werden. Ob die russischen Frühwarnflugzeuge versehentlich durch russischen Beschuss oder durch ukrainische Raketen zerstört wurden, ist nicht klar.

Anders als die Panzertruppen oder die Artillerie haben die ukrainischen Heeresflieger noch keine Waffensysteme aus westlicher Produktion geliefert bekommen. Deutschland will das überfallene Land jetzt mit sechs Sea-King-Hubschraubern unterstützen. Das sind etwa fünfzig Jahre alte Maschinen, die bei der Marine eingesetzt und jetzt durch ein Nachfolgemodell ersetzt werden. Es sind Hubschrauber, die gute Dienste als Lastenträger leisten können – für Angriffsoperationen sind sie nicht geeignet. Kyrylo zuckt auf die Frage, was er von den deutschen Hubschraubern hält, mit den Schultern. „Wir benötigen die in unserer Einheit nicht.“ Seine Brigade operiert an der Front. „Helikopter sind sehr mobil, sie sind überall einsetzbar und können schnell zuschlagen.“

Die Frontlinie im Osten und Süden der Ukraine ist etwa eintausend Kilometer lang und kann nicht mit Artilleriesystemen abgedeckt werden. Der Schlamm im Herbst und in diesem vergleichsweise milden Winter erschwert die Verlegung von Artilleriesystemen wie der Panzerhaubitze 2000. Außerdem geht den Artilleristen die Munition aus. Umso mehr werden die Hubschrauber gebraucht. „Aber auch wir brauchen mehr moderne Waffen. Es wäre hilfreich, wenn wir Hellfire- oder Brimstone-Raketen hätten, die sind viel effizienter und präziser als die Raketen, mit denen wir schießen“, sagt Kyrylo.

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Ukraine-Krieg: Noch gibt es genügend Piloten – sie sind nicht leicht zu ersetzen

Ganz oben auf der Wunschliste des jungen Piloten stehen Kampfhubschrauber wie der deutsch-französische Eurocopter Tiger, mit dem die Bundeswehr fliegt, oder die amerikanische Bell AH-1Z Viper. Ihm ist aber auch klar, dass diese Maschinen nicht sofort eingesetzt werden könnten, falls sie geliefert würden. „Die Piloten müssen daran ausgebildet werden. Das wird eine ganze Zeit dauern.“ Und man kann nicht alle zum Training schicken, man muss ja auch Männer haben, die weiterhin Kampfeinsätze fliegen. Die Zahl der Piloten ist begrenzt.

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Mindestens 34 ukrainische Hubschrauber sind seit dem Beginn der Invasion laut der Plattform „Oryx“ zerstört worden, häufig sind die Besatzungen dabei ums Leben gekommen. Ein Problem: „Für uns kann man nicht einfach irgendwen auf der Straße rekrutieren, der keine Erfahrung hat.“ Noch bekommen sie Ersatz, junge Leute, die gerade ihre mehrjährige Ausbildung beendet haben oder Veteranen, die sich wieder zum Dienst melden. „Zurzeit haben wir genügend Piloten für die Maschinen“, beteuert Kyrylo. Wie lange das noch so sein wird, ist offen.

Draußen, am Ausgang des Flugfeldes liegt wie eine Erinnerung daran, was den Männern geschehen kann, ein Trümmerhaufen, der klägliche Überrest eines Helikopters. Wenige Tage nach unserem Besuch schießen die Russen einen Mil Mi-8 bei Robotyne ab. Zwei Besatzungsmitglieder sterben, darunter der Pilot.

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