Minutenlanger Todeskampf – UN und EU verurteilen Hinrichtung mit Stickstoffgas

In Alabama ist ein zum Tode verurteilter Mann mit Stickstoff hingerichtet worden. Augenzeugen berichten von minutenlangem Winden und Zittern. Die Vereinten Nationen und die EU sprechen von einer „grausamen, unmenschlichen Behandlung“.

minutenlanger todeskampf – un und eu verurteilen hinrichtung mit stickstoffgas

Minutenlanger Todeskampf – UN und EU verurteilen Hinrichtung mit Stickstoffgas

Im US-Bundesstaat Alabama ist erstmals in der US-Geschichte ein zum Tode verurteilter Häftling mit Stickstoff hingerichtet worden. Der 58-jährige Kenneth Eugene Smith sei am Donnerstag um 20.25 Uhr (Ortszeit) in einem Gefängnis im Bundesstaat Alabama für tot erklärt worden, teilten die Behörden mit. Zuvor hatte er über eine Gesichtsmaske reinen Stickstoff eingeatmet, was einen Sauerstoffmangel verursacht.

Die EU und die Vereinten Nationen verurteilten die Art der Hinrichtung. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk erklärte am Freitag, die neuartige und unerprobte Methode des Erstickens durch Stickstoffgas könne womöglich „Folter oder einer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichkommen“. Ein EU-Sprecher sagte, nach Einschätzung von Experten handele es sich um eine „besonders grausame“ Methode.

Der Bundesstaat Alabama argumentierte bereits zuvor dagegen. Der Einsatz von Stickstoff sei „vielleicht die humanste jemals entwickelte Hinrichtungsmethode“, hieß es. Stickstoff wird manchmal zum Töten von Tieren verwendet.

Mehrere Minuten langer Lebenskampf

Die Hinrichtung dauerte etwa 22 Minuten. Der mit Fesseln fixierte Smith schien mehrere Minuten lang bei Bewusstsein gewesen zu sein. Bei der Exekution waren nur wenige Medienvertreter als Beobachter zugelassen, darunter eine Reporterin des regionalen Fernsehsenders WHNT. Die Reporterin berichtete, mit dem Start der Stickstoffzufuhr habe Smith begonnen, sich zu winden und zu zittern. Mehrere Minuten lang habe er schwer geatmet, bevor schließlich keine Atemzüge mehr zu beobachten gewesen seien.

Ein Vertreter der zuständigen Strafvollzugsbehörde sagte, Smith habe zum Teil gezuckt und abnormal geatmet. Aber das sei erwartet worden und entspreche dem Forschungsstand zu Stickstoffhypoxie. Die Behörden in Alabama hatten prognostiziert, das Stickstoff werde innerhalb von Sekunden zur Bewusstlosigkeit und innerhalb von Minuten zum Tod führen.

Seine letzten Worte nutzte Smith, um darauf zu verweisen, dass die Menschheit an diesem Abend „einen Schritt zurück“ mache. „Ich gehe mit Liebe, Frieden und Licht“, sagte Smith. Mit seinen Händen formte er das „Ich liebe dich“-Zeichen in Richtung anwesender Familienmitglieder. „Danke, dass ihr mich unterstützt habt. Ich liebe, liebe euch alle“, sagte Smith.

Die Vereinten Nationen hatten Alabamas Vorgehen im Vorfeld verurteilt und von möglicher „Folter“ gesprochen. Der Südstaat ist einer von drei US-Bundesstaaten, die eine Hinrichtung mit Stickstoff erlauben. Angewandt wurde diese als Stickstoffhypoxie bezeichnete Hinrichtungsmethode in den USA bislang aber noch nie. Dabei wird dem zum Tode Verurteilten über eine Gesichtsmaske reiner Stickstoff zugeführt, wodurch er keinen Sauerstoff einatmen kann und stirbt.

Hinrichtung mit Giftspritze 2022 gescheitert

Smith war 1989 zum Tode verurteilt worden, nachdem er im Vorjahr im Auftrag eines Pastors dessen Ehefrau ermordet hatte. Das Todesurteil sollte 2022 mit einer Giftspritze vollstreckt werden. Damals gelang es Gefängnismitarbeitern aber nicht, einen Zugang zur Verabreichung des Giftes zu legen.

Deswegen wurde der 58-Jährige nun mit Stickstoff hingerichtet. Mehrere Versuche, die Hinrichtung mit juristischen Mitteln zu stoppen, waren zuvor gescheitert. Weder einen gescheiterten Versuch von 2022 noch die Bedenken mit Blick auf die neue Methode werteten Gerichte als ausreichend, um nun die Stickstoff-Hinrichtung zu stoppen.

Smiths Anwälte hatten argumentiert, dass er zu einer Art Testkandidat würde und noch viel zu viele Fragen offen seien. In ihrem Gesuch bemängelten sie unter anderem, dass an dem Protokoll für den Ablauf der Hinrichtung noch wenige Tage vor dem Termin Änderungen vorgenommen worden seien. Die Anwälte werteten dies als weiteren Beweis für die vielen Unklarheiten bei einer Hinrichtung mit Stickstoff.

Das Berufungsgericht in Alabama wies die Vorbehalte am Mittwoch jedoch zurück. Smith könne nicht belegen, dass die Hinrichtung eine „grausame und ungewöhnliche“ Bestrafung darstelle, hieß es in der Entscheidung. Auch der Supreme Court lehnte einen ähnlichen Antrag ab, nannte allerdings keine Begründung dafür. Erfolglos blieb auch ein weiterer letzter Eilantrag vor dem Obersten Gerichtshof, über den erst am Donnerstagabend (Ortszeit) unmittelbar vor der Exekution entschieden wurde.

Bei seiner Verurteilung 1996 hatten die Geschworenen eigentlich eine lebenslange Haftstrafe für Smith vorgesehen. Der zuständige Richter setzte sich damals aber über diese Empfehlung hinweg und verfügte die Todesstrafe. Das Gesetz, das dies ermöglichte, schaffte Alabama als letzter US-Bundesstaat im Jahr 2017 ab.

Smiths Hinrichtung ist in den USA die erste überhaupt in diesem Jahr. 2023 waren landesweit 24 Todesurteile vollstreckt worden. 2330 zum Tode verurteilte Menschen sitzen derzeit im Todestrakt, teils schon seit Jahrzehnten wie im Fall von Smith.

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