Ägypten: Eröffnung der Grabkammer des Neferhotep – Restauratorin befürchtet Schäden

Jahrelang hat Christina Verbeek an der Restauration des Neferhotep-Grabs in Luxor gearbeitet. Am Sonntag wird die Kammer mit den prächtigen Wandgemälden für Touristen eröffnet. Der Expertin fürchtet diesen Moment.

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Ägypten: Eröffnung der Grabkammer des Neferhotep – Restauratorin befürchtet Schäden

SPIEGEL: Frau Verbeek, Sie haben gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen über 20 Jahre lang immer wieder in der Grabkammer des hohen altägyptischen Beamten Neferhotep in der Nähe von Luxor gearbeitet. Nun ist der Job erledigt. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis ihrer Restaurierung?

Verbeek: Als wir das weit über 3000 Jahre alte Grab 1999 das erste Mal betraten, war es in einem erschreckenden Zustand. Unbekannte hatten im frühen 20. Jahrhundert alle Mumien, die sich im Inneren befanden, in Brand gesteckt. Dadurch bildete sich eine dicke, fettige, harzige Rußschicht auf den Wänden, die extrem hartnäckig war. Wir mussten die fragilen Gemälde, die darunter verborgen lagen, erst stabilisieren und die Kammer dann Quadratzentimeter für Quadratzentimeter säubern. Aber der Aufwand hat sich gelohnt: Wir haben dank Lasertechnik und einer Förderung durch die Gerda Henkel Stiftung hervorragende Ergebnisse erzielt – bessere sogar als angenommen. Insofern kann ich sagen: Ja, wir sind sehr zufrieden, und unser Auftraggeber, die ägyptische Antikenverwaltung, ist es auch. Die Wandgemälde sind nun wohl ähnlich schön wie vor über 3000 Jahren.

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SPIEGEL: Am Sonntag wird das Grab eröffnet, danach darf es von Touristen besucht werden. Ist das ein Freudentag für Sie?

Verbeek: So würde ich das nicht nennen. Die Grabkammer, die aus der 18. Dynastie stammt, war immer versiegelt und wurde nur bei unserer Anwesenheit geöffnet. Wir kennen jeden Millimeter der Malerei, und wir haben alles immer mit größter Vorsicht behandelt. Die Gemälde sind fantastisch, und sie dürfen nicht noch einmal Schaden nehmen. Diese Gefahr ist aber recht hoch.

SPIEGEL: Wieso sind Sie so pessimistisch?

Verbeek: Wir haben in den vielen Jahren, in denen wir nun schon nach Ägypten reisen, auch andere Grabkammern besucht. Wir haben die Besucher beobachtet, ihre Unachtsamkeit war zum Teil erschütternd. Einige lehnten sich mit Rucksäcken einfach an die jahrtausendealten, dekorierten Wände, viele zeigten wenig Respekt. Das alles war für mich als Restauratorin nur schwer zu ertragen. Die Vorstellung, das könnte auch in der Grabkammer des Neferhotep passieren, ist schrecklich. Wobei Besucher noch nicht einmal etwas berühren müssen, um Schaden anzurichten. Ihre bloße Präsenz genügt.

SPIEGEL: Weshalb?

Verbeek: Vor allem wegen der Luftfeuchtigkeit, die durch Besucher unweigerlich erhöht wird. Wir haben während unserer Arbeit und auch über das ganze Jahr hinweg an verschiedenen Punkten im Felsengrab Messungen durchgeführt. Daher wissen wir, dass das ganze Jahr über die Luftfeuchtigkeit eigentlich konstant niedrig ist und die Temperatur immer um die 24 Grad liegt. Sobald aber Menschen in der Kammer sind, die nach langer Anreise durch die Wüste verschwitzt sind, verändert sich das. Hinzu kommt die Atemluft, auch die erhöht die Feuchtigkeit. Insgesamt entstehen also Bedingungen, wo es auch mikrobiologisch ein Problem mit Pilzen und Bakterien geben kann.

SPIEGEL: Lässt sich etwas tun, um die Gefahren durch Besucher zu verkleinern?

Verbeek: Wir haben versucht, durch verschiedene Maßnahmen die Menge der Besucher und die Aufenthaltsdauer zu minimieren. Im Vorhof haben wir etwa einen schattigen Sitzplatz errichtet. Der soll verhindern, dass die Besucher stark schwitzend in die Grabkammer kommen und dort dann bei angenehmen Temperaturen mal ordentlich durchatmen. An den Bänken befinden sich auch die Informationstafeln, die die Menschen hoffentlich lesen und sich deswegen noch länger draußen aufhalten. Dann haben wir den Holzboden im Grab so verlegt, dass zwar alle Wände betrachtet werden können, aber nur wenige Menschen gleichzeitig auf den vorgegebenen Wegen laufen können.

SPIEGEL: Es gäbe noch eine andere Möglichkeit: Die Kammer einfach für die breite Öffentlichkeit geschlossen halten – und in der Nachbarschaft eine genaue Kopie einzurichten.

Verbeek: Die ägyptische Antikenverwaltung will die Kammer öffnen, da haben wir nicht mitzureden. Es geht natürlich auch darum, Touristen anzulocken. Als Restauratorin würde ich aber sofort laut »Ja!« rufen, wenn es um weitgehende Schließungen geht, zumal es mittlerweile möglich ist, perfekte Nachbildungen zu erstellen. Optisch besteht da kein Unterschied. Ein gutes Beispiel ist die Grabkammer des Tutanchamun, die in unmittelbarer Nähe zum Tal der Könige nachgebildet wurde. Alles ist perfekt, sogar der Sarkophag ist vorhanden. Selbst Experten sehen da kaum einen Unterschied.

SPIEGEL: Fehlt der Kopie nicht die Magie? Auch wenn alles genauso aussieht, ist man sich als Besucher doch jederzeit bewusst, dass man es mit einem »Fake« zu tun hat.

Verbeek: Natürlich ist es ein wunderbares Gefühl, einen Ort zu betreten, der vor so langer Zeit entstanden ist und in dem Künstler vor Tausenden von Jahren gearbeitet haben. Ich würde die Kammern auch nicht gänzlich schließen wollen. Es sollten einfach viel weniger Besucher hinein dürfen, das Kontingent der Tickets müsste begrenzt werden. Es ist falsch, jeden Tag Busladungen von Strandtouristen aus Hurghada von Grabkammer zu Grabkammer und von Tempel zu Tempel zu scheuchen. Das bringt den Besuchern oft wenig, und die Kulturdenkmäler nehmen Schaden.

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