Gabi Schupp soll Villeroy & Boch in neue Ära führen

gabi schupp soll villeroy & boch in neue ära führen

Gabi Schupp ist die erste Frau an der Spitze des Unternehmens.

Die Umstände könnten besser sein für Gabi Schupp. Mit Rückenwind kann die erste Frau an der Spitze des Keramikherstellers Villeroy & Boch jedenfalls nicht mehr rechnen. Die europäische Bauwirtschaft liegt am Boden, die Nachfrage nach Bädern, Toiletten und Duschen ist entsprechend mau. Die Inflation, der Krieg und die unsichere politische Großwetterlage haben vielen Kunden auch die Lust auf schönes Geschirr und Tischdekorationen genommen.

Die Wachstumshoffnungen des Vorstandes vom Jahresanfang 2023 sind allesamt nicht aufgegangen. Der Umsatz ging um mehr als 9 Prozent auf gut 900 Millionen Euro zurück, das Betriebsergebnis – immerhin – fiel um „nur“ 8 Prozent auf 89 Millionen Euro. Man habe sich in einem schwierigen Umfeld gut geschlagen, befand Gabi Schupp am Donnerstag, bei ihrer ersten öffentlichen Pressekonferenz.

Seit Jahresanfang ist die 59 Jahre alte Betriebswirtin Vorstandsvorsitzende von Villeroy & Boch. Die saarländischen Keramikmacher können auf eine Geschichte bis ins Jahr 1748 verweisen. Mal war das Unternehmen französisch, mal deutsch, immer in Familienhand, ein Traditionskonzern wie wenige gibt. Bis heute atmet das Villeroy-Hauptquartier in einer ehemaligen Abtei in Mettlach Geschichte. Schupps Vorgänger an der Spitze residierten noch im Geburtszimmer des Gründernachfahren und langjährigen Vorstandsvorsitzenden Wendelin von Boch-Galhau.

Villeroy ist zwar an der Börse notiert, das Sagen haben immer noch die rund 300 Nachkommen der Unternehmensgründer.

Gabi Schupp jedenfalls hat eine Tradition nicht fortgesetzt, sie ziehe nicht um, sondern bleibe in ihrem alten Vorstandsbüro, schließlich arbeite sie von dort aus ja schon mehr als fünf Jahre, heißt es. Zu ihren Plänen an der Unternehmensspitze allerdings erfuhr die Öffentlichkeit an diesem Donnerstag wenig. Dabei steht der Konzern vor dem größten Wandel seit seiner Gründung. Im Herbst, nach jahrelangen Verhandlungen und Streit in der Familie, hat der Vorstand doch noch die Übernahme des Konkurrenten Ideal Standard im Wert von 600 Millionen Euro beschlossen. Mit dem größte Zukauf der Unternehmensgeschichte wird sich der Umsatz grob auf 1,4 Milliarden Euro verdoppeln, die Zahl der Beschäftigten auf 1400 ebenfalls.

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Gabi Schupp auf ihrer ersten Bilanzpressekonferenz als Unternehmenschefin.

Familie uneines

Als ob das nicht Herausforderungen genug wären, war der Kauf innerhalb der Familie umstritten, ein Teil der Nachkommen sorgte sich um die Dividendenfähigkeit. Zumal Ideal Standard lange als Sanierungsfall galt. Vorstandschef Frank Göring hatte bei Bekanntgabe der Pläne im September allerdings beteuert, Ideal Standard sei nun saniert, beide Unternehmen ergänzten sich regional perfekt, zudem bekomme Villeroy einen Fuß in das lukrative Geschäft mit Armaturen. Für Göring nach 15 Jahren an der Vorstandsspitze der Höhepunkt seiner Karriere, gleichzeitig das Signal zu gehen.

Seine Nachfolgerin muss den Kauf jetzt zum Erfolg machen und die Familie bei Laune halten und das, obwohl die Baukonjunktur am Boden liegt. Die Antwort auf die Frage, wie ihr das gelingen soll, blieb Schupp bei ihrem ersten Auftritt allerdings schuldig. Sie verweis auf das laufende Verfahren, noch sei die Übernahme nicht abgeschlossen. Von den laut Finanzvorstand Markus Warncke 64 Bedingungen des Vertrages – etwa grünes Licht der Wettbewerbsbehörden – seien zwar nur noch wenige offen, eine Gefahr, dass das Geschäft noch scheitere, gebe es nicht – offiziell allerdings könne man sich deshalb nicht zu den Plänen äußern. Investoren müssen sich also noch gedulden, Beschäftigte zittern, ein reibungsloser Start sieht anders aus.

Rückenwind stoppt

Schon jetzt ist klar: Gabi Schupp muss in den nächsten Jahren mehr Kärrnerarbeit leiste als ihr Vorgänger. Viele Jahre hatte die boomende Baukonjunktur das Unternehmen von Erfolg zu Erfolg getragen. Beflügelt von diesem Rückenwind und mit seiner ihm eigenen Mischung aus Entertainment und Selbstironie war es Göring gelungen, die Eitelkeiten der Familie einzudämmen und die Nachkommenschaft am Ende doch für die Übernahme zu gewinnen. Gabi Schupp muss aus den Puzzleteilen jetzt ein funktionierendes Ganzes zusammensetzen.

Schupp sagte, einen fundamentalen Kurswechsel werde es unter ihr nicht geben, schließlich habe sie den Kauf mitgestaltet. Sie werde aber neue Schwerpunkte setzen, vor allem die Internationalisierung vorantreiben.

Schupp hat ihre Wurzeln im Konsumgütergeschäft. Die Betriebswirtin mit MBA-Abschluss arbeitete lange für Procter & Gamble, bevor sie zur Personalberatung Spencer Stuart nach Frankfurt wechselte. In dieser Position beriet sie Villeroy, bis sie der Aufsichtsrat kurzerhand selbst verpflichtet. Seit 2019 leitet sie erfolgreich das Geschirr-Geschäft, digitalisierte den Vertrieb und entstaubte die Marke.

Schupp ist Mutter zweier erwachsender Kinder und lebt mit Familie im Taunus. In Merzig, unweit der Zentrale, hat sie eine zweiten Wohnsitz. Sie wird jetzt häufiger vor Ort sein müssen, viele Antworten stehen noch aus.

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