Donald Tusk: Erst aufräumen, dann um Europa kümmern

Innenpolitische Kämpfe schwächen die neue polnische Regierung. Das könnte die Zukunft der EU und die Zusammenarbeit mit Deutschland bei der Migration beeinflussen.

donald tusk: erst aufräumen, dann um europa kümmern

Eingeengt von Machtkämpfen zwischen alter und neuer Regierung: Zwar ist der neue Ministerpräsident Donald Tusk nun im Amt, doch ohne Widerstände wird er vorerst nicht regieren können.

Auf die neue Regierung in Warschau dürfte in den kommenden Monaten vor allem eines warten: innenpolitische Baustellen. Schon mit den öffentlich-rechtlichen Medien fängt es an. Diese waren von der PiS acht Jahre lang zu Propagandakanälen umgebaut worden. Nun sollen sie zu Einrichtungen der Pressefreiheit zurückgebaut werden. Doch dabei hat die Regierung unter Premierminister Donald Tusk starke Gegenspieler – wie künftig bei allen grundlegenden Umbaumaßnahmen.

Denn Andrzej Duda hat noch bis zur Präsidentschaftswahl 2025 die Möglichkeit, von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen und so jede Form der gesetzlichen Neugestaltung zu blockieren. Auch könnte Duda Gesetzesvorlagen zur Überprüfung an das Verfassungsgericht überweisen. Die Vorsitzende Julia Przyłębska hatte in der Vergangenheit auf Geheiß von Jarosław Kaczyński selbst die Gewaltenteilung dereguliert. Die widersprüchliche Deutung, welche Gerichte heute legitime Institutionen des Rechtsstaates sind, führte zu einer juristischen Pattsituation, aus der es keinen einfachen Ausweg gibt.

Die Rechtsstaatlichkeit müsste jedoch schnell wieder hergestellt werden, damit Polen Milliarden aus dem EU-Fond für Wiederaufbau erhalten kann – ein zentrales Wahlversprechen von Donald Tusk. Sie ist auch notwendig, um eine neue Qualität der politischen Auseinandersetzung um die Zukunft der Republik Polen zu ermöglichen. Umso wichtiger war das politische Signal, den langjährigen Ombudsmann für Bürgerrechte Adam Bodnar zum neuen Justizminister zu ernennen – ein wichtiger Verfechter der Gewaltenteilung. Will er selbst die Verfassung nicht brechen, wird die Rückabwicklung der seit dem Wahlsieg der PiS 2015 umgesetzten Änderungen trotzdem Jahre in Anspruch nehmen.

Das innenpolitische Zerren wird einen Großteil der Kräfte der neuen Regierung aus nationalliberaler Bürgerplattform, der zentristischen Partei Polska 2050 sowie der konservativen Bauernpartei PSL binden. Und diese Kräfte könnten wiederum an anderer Stelle fehlen: der Zusammenarbeit mit Deutschland und der Europäischen Union.

Enge Verflechtung zwischen den Nato-Partnern

Vergangenes Jahr beeinflusste das Land mit 38 Millionen Bürgerinnen und Bürgern durch unmittelbare und umfassende Hilfe für die Ukraine die Politik der anderen großen europäischen Staaten enorm. Auch in diesem Jahr hat Polen wesentlich zu einer geschlossenen Haltung der gesamten EU gegenüber Russland und Belarus beigetragen. 2024 muss der neue Außenminister Radosław Sikorski erst noch beweisen, dass im Angesicht der Proteste von Bauern und Lastwagenfahrern eine Beitrittsperspektive der Ukraine zur Europäischen Union nicht an den inneren Verwerfungen in Polen scheitert. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem Polen 20 Jahre EU-Mitgliedschaft feiert – und auf ein immenses Wirtschaftswachstum in dieser Zeit zurückblicken kann.

Als Nato-Mitglieder sind Polen und Deutschland auch jenseits der Europäischen Union strategisch miteinander verwoben. Die Unterschiede zwischen der alten und der neuen Regierung in Warschau liegen dabei eher im Detail. Zentral ist, dass in Polen Politiker beider Lager bekennende Transatlantiker sind, die die Sicherheit Polens eng mit der militärischen Präsenz der USA in Europa verknüpfen.

Zudem beobachtet das politische Warschau genau, wie die Bundesregierung das geflügelte Wort der Zeitenwende in der Praxis ausfüllt. Dabei geht es einerseits um die Einhaltung der Zweiprozentverpflichtung für den Anteil von Militärausgaben am Gesamthaushalt. Die Bundesrepublik könnte Polen andererseits auch indirekt unterstützen, wenn sie wie von Boris Pistorius in Vilnius im Dezember vereinbart in Litauen bis 2027 bis zu 5.000 Soldaten fest stationiert.

Die geografische Nähe zwischen Deutschland, Polen, Litauen und Belarus garantiert, dass Polen auch mit der neuen Regierung einen indirekten Einfluss auf die deutsche Innenpolitik behalten wird. Denn die staatliche Steuerung von Migration an den östlichen Außengrenzen der Europäischen Union erfolgt auch dort. Menschen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und anderen Staaten, die mithilfe Russlands und der Republik Belarus versuchen, die Grenzanlagen im Osten Polens zu überwinden, wollen nicht in Polen bleiben. Die Bundesrepublik gehört zu ihren Hauptzielen. Anders als in der Staatspropaganda der PiS vorgeführt, hatten die polnischen Grenzschützer seit 2021 einen Großteil der Migranten den Urwald von Białowieża und andere Abschnitte der Grenze passieren lassen, damit sie die nächsten Abschnitte der Schlepperrouten in Richtung Oder absolvieren können.

Der neue Regierungschef Tusk hat versprochen, dass er sowohl für Abschottung als auch für einen menschlichen Umgang mit Migranten und Flüchtenden sorgen werde. Wie eine solche Balance im Alltag an der Grenze genau aussehen könnte, müssen die Beamten des polnischen Grenzschutzes zeigen. Offen ist noch, ob zukünftig aus Polen kommende Migranten von Deutschland an der Oder zurückgewiesen werden. Damit hat das zukünftige Zusammenspiel beider Hauptstädte Einfluss auf das Schengenabkommen – und damit den Alltag in der Europäischen Union.

Das Selbstbewusstsein Polens hat Historie

Deutschland trifft damit auf einen in EU-Fragen gestärkten Nachbarn: Donald Tusk hat beim EU-Gipfel vergangene Woche gezeigt, dass er in Brüssel einen anderen Tonfall als sein Vorgänger Mateusz Morawiecki anschlagen und seine Erfahrung als langjähriger Präsident des Europäischen Rats in das politische Ringen um die Zukunft der EU einbringen wird. Bereits in seinem Regierungsexposé hat er den in Deutschland üblichen Visionen eine Absage erteilt, das Prinzip der Einstimmigkeit bei EU-Entscheidungen abzuschaffen: “Keine Manöver, keine Spielereien, keine Versuche, die EU-Verträge zu unseren Ungunsten zu verändern.”

Diese offene Ablehnung einer weiteren Vergemeinschaftlichung innerhalb der EU geht nicht allein auf Tusks innenpolitische Schwäche zurück. Sie ist eine Folge davon, dass Polen nach acht Jahren unter der Führung von Jarosław Kaczyński nicht allein selbstbezogen und zerstritten ist, sondern auch selbstbewusster und fordernder. Deshalb haben sich all jene Politiker in Deutschland geirrt, die darauf hofften, dass mit Donald Tusk eine Rückkehr zum früheren Modus möglich wird, in dem zunächst Politiker in Paris und Berlin telefonieren und sich danach alle anderen zu ihren Absprachen verhalten.

Als sechstgrößte Volkswirtschaft innerhalb der Europäischen Union ließ Polen im Warenaustausch mit Deutschland unlängst Italien, Österreich und Großbritannien hinter sich. Die Wirtschaftsbilanz bestärkt die Regierung in Warschau darin, das neue Selbstbewusstsein beizubehalten und auf polnischen, nationalen Positionen zu beharren.

Die offene Rechnung

Donald Tusk verfolgte noch im Wahlkampf ein vermeintlicher Makel: Die PiS versuchte ihn mit Verweis auf seine Vorfahren öffentlich als angeblichen deutschen Agenten anzuprangern. Tusk sprach die Mutmaßungen in seinem Regierungsexposé öffentlich an, indem er sich zu seinen Großeltern bekannte, die Kaschuben waren, einer regionalen Minderheit im Nordwesten Polens. Mit der Annexion der Freien Stadt Danzig am 1. September 1939 wurden sie Bürger des Deutschen Reichs. Beide Großväter wurden in den folgenden Jahren als Polen verfolgt und zeitweise inhaftiert. Tusk widmete den Wahlsieg 2023 der Erinnerung an beide Großväter und machte damit deutlich, dass für ihn die Erinnerung an die deutsche Besatzung ein wichtiger Bezugspunkt für die polnische Gegenwart verbleibt.

Auch wenn er einen neuen Umgangston mit den Nachbarn ankündigte, erteilte er den von Kaczyński vorgebrachten Reparationsforderungen keine klare Absage. Die von der PiS-Regierung gestellte Rechnung über 1,3 Billionen Euro für die Kriegsschäden enthält problematische Grundannahmen. Aber sie verweist auch nach der Abwahl Kaczyńskis weiterhin auf eine reale Leerstelle in der deutschen Erinnerungskultur. Dazu gehört auch das eigentlich geplante, aber bisher nicht eingerichtete Polen-Denkmal in Berlin.

Damit bleibt eine Rechnung offen, der geschichtspolitische Spielball auch 2024 auf der deutschen Seite. Und um die anderen wichtigen Anliegen auf die europäische Agenda zu bringen, muss Polen zunächst seine selbst gemachte Verfassungskrise überwinden.

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