DMG Mori: Millionen-Abfindung für Vorstände sorgt für Empörung
Der Werkzeugmaschinenbauer stößt auf Gegenwind. Foto: dpadata-portal-copyright=
Erst verlor der Bielefelder Maschinenbauer DMG Mori durch Enteignung ein Werk in Russland. Jetzt kommt heraus, dass das Unternehmen 30 Millionen Euro an drei Vorstände gezahlt hat. Aktionärsvertreter sind sauer.
Nicht nur die Enteignung eines Werks in Russland drückt auf die Stimmung beim Maschinenbauer DMG Mori aus Bielefeld. Im ersten Quartal des Jahres rutschte das Unternehmen auch aufgrund des staatlichen Eingriffs im russischen Ulyanovsk in die roten Zahlen. Der erwirtschaftete Fehlbetrag lag bei etwa 92 Millionen Euro. Immerhin: Ohne das Russlandgeschäft weist DMG Mori einen operativen Gewinn vor Steuern von 47,6 Millionen Euro aus. Neben den schlechten Nachrichten aus Osteuropa sorgen bei der Hauptversammlung aber auch Personalentscheidungen und deren wirtschaftliche Folgen für Nachfragen bei Aktionären.
Dabei ging es um die Abberufung des einstigen Vorstandschefs Christian Thönes, der im Mai des vergangenen Jahres auf Beschluss des Aufsichtsrates plötzlich entmachtet wurde. Der 52-Jährige, der mehr als 25 Jahre im Unternehmen tätig war, wurde durch den deutlich älteren Alfred Geissler (65) ersetzt. Die „einvernehmliche Trennung“ sei aus „strategischen Differenzen“ erfolgt, wie DMG Mori die Entscheidung damals kommentierte.
Aus gut informierten Kreisen heißt es jedoch, dass der japanische Mehrheitsaktionär DMG Mori Company durch den Wechsel an Einfluss gewinnen wollte. Fakt ist: Für den Maschinenbauer wurde die Entscheidung teuer. Thönes kassierte eine Abfindung von 20 Millionen Euro, wie DMG Mori bestätigt.
Vorstand plötzlich abgesetzt
Es ist aber nicht die einzige Personalentscheidung, für die die Bielefelder tief in die Tasche greifen müssen. Ende 2023 verabschiedete sich auch Finanzvorstand Björn Biermann aus dem Unternehmen, wieder soll die Trennung „einvernehmlich“ erfolgt sein. Er wurde von dem Japaner Hirotake Kobayashi ersetzt. Biermann erhielt als Abfindung eine Zahlung von 7,5 Millionen Euro. Erst vor wenigen Wochen wurde zudem bekannt, dass mit Michael Horn der Vorstand für Produktion und Logistik seinen Posten „im gegenseitigen Einvernehmen“ niederlegte. Horn bekam seinen Abschied mit 3,3 Millionen Euro versüßt. Einen Nachfolger gibt es derzeit noch nicht.
Damit summiert sich die Höhe der Abfindungen allein für die drei ausscheidenden Vorstände auf 30 Millionen Euro. Das sorgte für Kritik bei der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) und der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Beim Maschinenbauer hält man die Zahlungen für angemessen. „Die Höhe einer Abfindung ist das Verhandlungsergebnis zwischen dem ausscheidenden Vorstand der DMG MORI AG und dem Aufsichtsrat, da die Vorstandsverträge eine feste Laufzeit haben und nicht ohne Weiteres vorab kündbar sind“, sagt Unternehmenssprecherin Katharina Contu. Grundsätzlich sei es das Vorgehen, alle Ansprüche abzudecken, die im Laufe des damaligen Vertrages noch entstanden wären, marktüblich und spiegele das Interesse eines Unternehmens an einer sauberen, vollständigen und schnellen Abwicklung der Vertragsbeendigung wider, ergänzt sie.
Kritik gab es auch am Format der Hauptversammlung. Einst fanden die Treffen der Aktionäre in Präsenz am Stammsitz in Bielefeld statt, wo das Unternehmen bis 2013 als Gildemeister AG firmierte. Zuletzt standen die Verantwortlichen des Maschinenbauers den Investoren im Vorjahr vor Ort in Ostwestfalen Rede und Antwort. Diesmal fand die Versammlung digital statt, was einen Aktionär sogar dazu veranlasste von einer „Geheimveranstaltung“ zu sprechen.
Wie Katharina Contu erklärt, habe man sich für eine virtuelle Hauptversammlung entschieden, „um grundsätzlich möglichst vielen Aktionären die Teilnahme zu ermöglichen“. Die Vergangenheit hätte gezeigt, dass ein digitaler Austausch gut funktionieren würde. „Die Vorteile einer virtuellen Hauptversammlung überwogen aus unserer Sicht klar die Nachteile – und der reibungsfreie Ablauf bestätigt das im Nachhinein“, ergänzt die Unternehmenssprecherin. Aber: In Präsenz waren vor einem Jahr 138 Aktionäre dabei, digital waren diesmal nur 36 Menschen zugeschaltet.
Auftragsrückgang im ersten Quartal
Wirtschaftlich blickt man bei DMG Mori auf herausfordernde Zeiten. Die Nachfrage nach Investitionsgütern sei aufgrund der anhaltenden geopolitischen Konflikte und der gestrafften Geldpolitik weiterhin verhalten geblieben. Für Optimismus sorge jedoch die Stabilisierung der Preise für Rohstoffe und Energie sowie der Rückgang der Inflationsraten. “Für das laufende Geschäftsjahr der DMG MORI AG planen wir deswegen mit Bedacht“, sagt Katharina Contu.
Im ersten Quartal 2024 erzielte der Maschinenbauer einen Auftragseingang von 658,2 Millionen Euro – und damit einen Rückgang von 16 Prozent mit Blick auf das Vorjahresquartal. Der Umsatz reduzierte sich in den ersten drei Monaten des Jahres leicht auf 551,5 Millionen Euro, was einem Minus von etwa sechs Prozent entspricht. An den Prognosen für das Gesamtjahr halten die Bielefelder jedoch fest. „Der Auftragseingang soll unverändert bei rund 2,3 Milliarden Euro liegen. Der Umsatz soll weiterhin rund 2,4 Milliarden Euro betragen. Beim operativen EBIT gehen wir weiterhin von rund 200 Millionen Euro aus“, teilt das Unternehmen mit.
Schadensersatz vom Steuerzahler
Durch einen Sondereffekt könnte sich die wirtschaftliche Situation im Jahr 2024 möglicherweise noch verbessern. Die Enteignung des russischen Werks möchte das deutsch-japanische Unternehmen nicht einfach hinnehmen – und fordert jetzt Schadenersatz von der Bundesregierung. „Derzeit machen wir daraus Entschädigungsansprüche für den eingetretenen Beteiligungsverlust geltend“, bestätigt die Unternehmenssprecherin. Der Maschinenbauer beziffert den Schaden auf mehr als 90 Millionen Euro. Hintergrund der Forderung ist eine Investitionsgarantie, die DMG Mori mit der Bundesrepublik Deutschland vereinbart hat.
Diese Verträge werden gewährt, um deutsche Direktinvestitionen im Ausland langfristig gegen politische Risiken abzusichern. Die Absicherung schützt die Unternehmen vor finanziellen Verlusten durch Verstaatlichung, Enteignung oder auch Kriegsfolgen. Ende 2023 bürgte die Bundesrepublik mit insgesamt 28,5 Milliarden Euro für Investitionen im Ausland, wie aus dem Jahresbericht des Wirtschaftsministeriums hervorgeht. Ob der Steuerzahler nun für die russische Enteignung aufkommen muss, ist derzeit noch unklar. „Eine Entscheidung über eine mögliche Entschädigung ist noch nicht gefallen“, sagt die Unternehmenssprecherin.
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