DIY: Die Enttäuschung der Selbermacher

diy: die enttäuschung der selbermacher

Es wurde gemessen, gesägt und geschraubt. Was wurde aus dem DIY-Trend?

Gartenmöbel aus Europaletten, von Hand eingekochte Marmelade, selbst gehäkelte Mützen – im Jahr 2015 war Deutschland im Do-it-yourself-Fieber. Da wurde gestrickt und gebacken, gehämmert, geschliffen und gegärtnert, was das Zeug hielt. Überregionale Zeitungen und Wohlfühlmagazine wie „Landlust“, „Happinez“ und „Flow“ griffen den Trend auf. Während im Internet zumeist junge Frauen und Mütter auf ihren Blogs Bastelanleitungen und Kreativtipps präsentierten und ihre handgefertigten Waren auf Plattformen wie Etsy feilboten. Zu all dem lieferte die Baumarktkette Hornbach den passenden Slogan: Es gibt immer was zu tun!

diy: die enttäuschung der selbermacher

Getrieben war all das Werkeln von der Sehnsucht, zu entschleunigen, aus dem Hamsterrad auszusteigen und sinnlich zu erfahren, was die eigenen Händen schaffen können. An die Stelle des Konsumenten trat der Prosument, der der Logik des Marktes etwas entgegensetzen und obendrein durch Recycling einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Welt leisten wollte. Fast zehn Jahre ist das jetzt her. Doch was ist aus dem Trend zum Selbermachen geworden?

Schmelzende Gletscher lassen sich nicht von Upcycling beeindrucken

Der Status quo lässt sich so beschreiben: Die DIY-Enthusiasten sind aus dem Fieberwahn erwacht, ihre Stirnen haben sich auf Normaltemperatur abgekühlt – und geblieben ist eine gewisse Ernüchterung. Denn vieles, was sich die DIY-Gemeinde erhofft hat, hat sich nicht erfüllt. In gewisser Hinsicht hat der Ansatz sogar in die Irre geführt.

Wer beispielsweise Materialien wie altes Holz upcycelte, wollte nicht nur schöne Möbel schaffen. Immer ging es auch darum, nachhaltiger zu leben und die Welt damit zu einem besseren Ort zu machen. Es ist ehrenwert, bei sich selbst anzufangen, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen. Und natürlich ist jeder einzelne ein kleiner Teil der Lösung. Doch die Klimakrise spitzt sich ungeachtet dessen weiter zu, vor den Haustüren der Mitteleuropäer ist sie längst angekommen. Und egal ob der Einzelne zum Kleidertausch geht, aus alten Milchtüten ein Windlicht bastelt oder ein Marmeladenglas zum Blumentopf umfunktioniert – weder das schmelzende Eis in der Antarktis, die Fluten im Ahrtal noch das Feuerinferno von Rhodos lassen sich davon beeindrucken. Zu denken, all das könnte dem Klimawandel irgendetwas entgegensetzen, wirkt fast naiv und lächerlich und macht im Ergebnis wenig Unterschied – außer, dass wir uns selbst gut dabei fühlen.

Es kommen Zweifel auf an der möglichen Autonomie in einer vermeintlich durch und durch fremdbestimmten und unsicheren Welt, die die DIY-Bewegung so gern nährt. Sengende Hitze, steigender Meeresspiegel oder Wassermangel: Niemand kann sich davon unabhängig machen – egal ob er auf der eigenen Scholle Gemüse anbaut oder nicht.

Bei Gebäudesanierungen kommt man mit DIY nicht weit

An anderer Stelle erweist sich der Hebel gegen den Klimawandel als größer: Die Politik hat in den vergangenen Jahren die energetische Sanierung des deutschen Häuserbestands in den Blick genommen. Von neuen Gesetzen angetrieben sowie von der Tatsache, dass Immobilien mit schlechter Energieeffizienz zunehmend an Wert verloren, investierten Eigentümer weniger in Deko-Chichi, Gartenmöbel und DIY-Projekte, dafür mehr in die Substanz ihres Eigenheims. Wer eine Wärmepumpe einbaut, eine Solaranlage aufs Dach setzt oder das Gebäude dämmt, braucht einen kompetenten Fachmann. Mit Marke Eigenbau kommt man nicht weit. Gibt es schon eine Baustelle im Haus, hat man wenig Zeit für und Lust auf eine zweite. Vom Geld ganz abgesehen: Denn für den energetischen Umbau muss man tief in die Tasche greifen, fürs Werkeln im Keller bleibt da nur wenig Geld übrig.

Zumal das Selbermachen gar nicht immer so günstig ist wie sein Ruf. Die hohe Inflation hat in den zurückliegenden zwei Jahren (2022: 7,9 Prozent; 2023 6,3 Prozent) die Rohstoffpreise kräftig steigen lassen. Materialien wie Holz, der Lieblingsbaustoff vieler DIY-Projekte, sind deutlich teurer geworden. Auch die Kosten für Lebensmittel und Energie haben stark zugelegt.

Wer den Gürtel enger schnallen musste, griff bei Reparaturen in der eigenen Wohnung vielleicht wieder öfter selbst zum Hammer, auch weil Handwerker zeitweise schwer zu bekommen waren. Doch mit dem DIY-Gedanken, der von Freiwilligkeit und dem Wunsch nach kreativem Selbstausdruck lebt, hatte das weniger zu tun als mit blanker Notwendigkeit. Ist das Geld knapp, hält man es zusammen oder denkt über alternative Einnahmequellen nach, anstatt es in teure Selbstmachexperimente zu stecken, die am Ende in der Ecke landen, weil das gekaufte Exemplar besser funktioniert, schöner aussieht – und womöglich sogar günstiger war.

Über all dem ist der DIY-Trend keineswegs verschwunden, er hat sich aber verändert. Die Szene hat sich professionalisiert und kommerzialisiert. Wer hier Produzent und wer Konsument ist, zeigt sich mittlerweile recht deutlich. Viele kaufen sich lieber ein fertiges Häkelset mit allen Materialien und Bastelanleitung inklusive, bestellen auf Etsy ein Produkt, das jemand anderes gestaltet hat, oder buchen bei einer der unzähligen Profi-Bastlerinnen auf Instagram einen DIY-Kurs.

Corona gab der Idee noch einmal Auftrieb

Gerade die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung und dem Onlinebusiness von zu Hause aus Auftrieb verschafft. Auf einmal war es kein Hexenwerk mehr, einen DIY-Onlinekurs zu erstellen, über soziale Medien weltweit Kunden zu gewinnen und aus dem Hobby ein zumindest für manche lukratives Geschäft zu machen.

In der Corona-Zeit erlebte die Idee des Selbermachens noch aus anderen Gründen ein Zwischenhoch. Der Großteil der Deutschen saß zu Hause im Homeoffice fest, lange Fahrtzeiten und äußere Ablenkungen entfielen. Auf einmal hatte man viel Zeit, um die Wohnung auszumisten, umzugestalten oder eben neben der Arbeit einen anspruchsvollen Sauerteig anzusetzen, der fortwährender Betreuung bedurfte. Doch mit sinkenden Inzidenzen pochten die Arbeitgeber wieder stärker auf Präsenz im Büro – aufwendige Kreativprojekte lassen sich nur noch in der Freizeit am Abend oder Wochenende umsetzen. Da locken aber wieder soziale Aktivitäten draußen, die man während Lockdown und Ausgangssperren so schmerzlich vermisste.

Auch auf dieses Bedürfnis hat die DIY-Szene reagiert und macht aus dem kreativen Erschaffen zunehmend ein soziales Happening, oft als Teil eines ganzen Eventpakets. Ein Makramee-Mandala zu knüpfen oder eine Schale zu töpfern findet heute seinen Platz als Achtsamkeitspraxis neben Breath Work, Meditation, Ecstatic Dance und Kakaozeremonie. Der Boho-Spiegel, den die meist weiblichen Teilnehmerinnen ringsherum Halm an Halm mit Bast bekleben und währenddessen Kontakte knüpfen, schmückt danach nicht nur das Wohnzimmer. Er dient symbolisch aufgeladen als Erinnerung an das Seminar und die dort erlangte Selbsterkenntnis.

Frustration statt Befriedigung

So geht es bei Do-it-yourself heute weit weniger um Nachhaltigkeit als um mentale Gesundheit und Selbstfürsorge. Wie praktisch, dass eine ganz wichtige Lektion der Achtsamkeitspraxis lautet: nicht bewerten! Das schafft Gelassenheit gegenüber dem verkrumpelten Endprodukt. Denn paradoxerweise hatte der Imperativ zum Selbermachen viele mehr gestresst als entspannt, auch weil das Ergebnis selten dem eigenen Anspruch genügte und so nicht Befriedigung, sondern bisweilen Frustration auslöste.

Eine andere Gruppe, die zuvor lange die Speerspitze der DIY-Bewegung bildete, hatte während Corona weniger Zeit für Bastelprojekte: die Mütter. Im Lockdown zwischen Homeoffice, Homeschooling und Haushalt ohne Betreuung wurde augenfällig, dass es mit der Emanzipation in diesem Land noch nicht so weit her war wie gedacht. Wie selbstverständlich lud die Gesellschaft einen Großteil der Belastungen auf dem Rücken der Mütter ab. Viele Frauen haben durch die emanzipatorische Rolle rückwärts in der Zeit der Pandemie erkannt, dass der Gender-Pay-Gap kein bisschen kleiner und ihre Rente im Alter kein bisschen höher wird, wenn sie tagelang Einladungen für den Kindergeburtstag basteln oder eine Torte in Form eines Einhorns backen.

Vielleicht ist die Zeit doch besser investiert, wenn man die Arbeitszeit aufstockt, sich um die eigenen Finanzen kümmert und sich gegen strukturelle Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt politisch engagiert?

Anti-emanzipatorischer Rückzug ins Private

Denn die Flucht in die kreative Selbständigkeit war oft auch dem Umstand geschuldet, dass sich der Wiedereinstieg in den alten Job nach der Elternzeit als schwierig gestaltete oder die Arbeitsrealität mit dem neuen Familienleben nur schlecht vereinbar war. In diesem Kontext erscheint der langjährige DIY-Trend als anti-emanzipatorischer Rückzug ins Private, der tradierte Rollenbilder zusätzlich zementierte und der Frau à la 1950 die Aufgabe zuschrieb, das Haus hübsch zu machen.

Die Selbstmachbewegung mit ihrer Phantasie von Autonomie, Machbarkeit und Konsumentenverantwortung hat einen großen blinden Fleck: Sie schreibt die Verantwortung für Probleme dem Einzelnen zu, anstatt ihre gesellschaftlichen Ursachen offenzulegen – ob nun bei der Nachhaltigkeit oder der Emanzipation. Damit verstellt sie den Blick auf soziale Ungleichheit und globale Zusammenhänge, die einer politischen Lösung bedürfen und dafür ganz andere in die Pflicht nehmen müssen.

Das realistische Eingeständnis, dass wir nicht alles persönlich gestalten und beeinflussen können, macht die dahinter liegenden gesellschaftlichen Strukturen erst sichtbar. Die Lösungen müssen politisch errungen werden, anstatt sie im stillen Kämmerlein selbst zusammenzuzimmern.

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