„Dieser Schuss der Nicaraguaner ist nach hinten losgegangen“

Der Internationale Gerichtshof hat Nicaraguas Eilantrag gegen Deutschland abgewiesen. Die Kläger haben damit ein bestimmtes, hintergründiges Ziel verfehlt – und gleichzeitig Deutschlands Waffenlieferungen an Israel völkerrechtlich abgesichert. Die Entscheidung lässt auch Schlüsse für das Hauptverfahren zu.

„dieser schuss der nicaraguaner ist nach hinten losgegangen“

REUTERS/Piroschka Van De Wouw; Montage: Infografik WELT

Der Internationale Gerichtshof hat entschieden, im Fall der Klage gegen Deutschland wegen angeblicher Beihilfe zu einem israelischen Völkermord in Gaza auf einstweilige Anordnungen zu verzichten. Das ist mehr als ein Punktsieg für Berlin. Denn der Entschluss könnte das absehbare Scheitern der Klage als solcher signalisieren und zudem als starkes Zeichen gegen die Instrumentalisierung der internationalen Gerichtsbarkeit für politische Zwecke verstanden werden.

Außerdem enthält sie zumindest implizit ein interessantes Detail zum Thema Waffenlieferungen. Denn die Verkäufe deutscher Rüstungsgüter an Israel sind neben dem vorübergehenden Stopp von Unterstützung seitens Berlin für das Palästinenser-Hilfswerk UNRWA die Gründe, derentwegen die Klage erhoben wurde.

Klägerin im Verfahren gegen Deutschland ist die Republik Nicaragua. Das Land, das sich unter seinem einst bei westlichen Linken beliebten Präsidenten Daniel Ortega in eine Diktatur verwandelt hat, ist ein am Internationalen Gerichtshof (IGH) besonders versierter Akteur. Der Staat entsendet hochkarätige Juristen nach Den Haag und kein Land hat so viele Fälle vor das Weltgericht gebracht. Dabei ging es jedoch meist um Grenzstreitigkeiten mit dem Nachbarn Costa Rica. Auch hinter der Klage gegen Deutschland dürften eher geostrategische Erwägungen stehen als die Sorge um die Menschenrechte.

Nach Recherchen des WELT-Partnermediums „Politico“ wurde Nicaragua von Russland nachhaltig zu der Klage gegen Deutschland ermutigt. Dies belegten Dokumente westlicher Geheimdienste, die „Politico“ einsehen konnte. Moskaus Kalkül hinter der Aktion betreffe eigentlich die Ukraine, nicht den Gaza-Streifen. Nach der Analyse der Geheimdienstexperten gehe es dem Kreml vor allem darum, die Klage gegen das eigene Land wegen des Einmarschs in der Ukraine zu unterminieren. Der IGH soll demnach zum Schauplatz fadenscheiniger Interpretationen gemacht werden.

Zudem würde das Ansehen der westlichen Partner Israels beschädigt, wenn sie der Beihilfe an einem Völkermord überführt würden. Und damit verlöre auch ihre Verurteilung des russischen Vorgehens in der Ukraine an Legitimität. Eine einstweilige Anordnung gegen Deutschland hätte diesen Zweck rein medial schon erfüllt. Doch dieser Plan, wenn er denn so bestand, wäre durch die Entscheidung von heute größtenteils zunichtegemacht.

Das Hauptsacheverfahren gegen Deutschland wird aller Wahrscheinlichkeit noch Jahre dauern, ein Urteil könnte womöglich erst dann fallen, wenn sich die Weltöffentlichkeit kaum mehr an die Gaza-Krise erinnert. Eine einstweilige Anordnung hätte hingegen sofort für Schlagzeilen gesorgt und den Eindruck erweckt, als sei eine Verurteilung Deutschlands mindestens wahrscheinlich – obwohl solche Anordnungen tatsächlich wenig über die Stichhaltigkeit der Klage aussagen. Sie enthalten meist nur Aufforderungen zur Wahrung des Völkerrechts und ergehen ausdrücklich ohne Stellungnahme zur Stichhaltigkeit des Tatvorwurfs.

Für den Erlass einer solchen Anordnung reicht schon der Nachweis, dass eine drohende Rechtsverletzung plausibel ist – nicht, dass schon jetzt ein Völkermord stattfindet und auch nicht, dass ein solcher zu befürchten ist, sondern lediglich, dass er möglicherweise in der Zukunft stattfinden könnte. Eine Aussage zur Wahrscheinlichkeit einer solchen Entwicklung trifft ein Erlass derweil nicht.

Dennoch können einstweilige Anordnungen den betroffenen Staaten politisch extrem schaden. Als der IGH im Januar im Zuge der Völkermord-Klage Südafrikas gegen Israel die Anordnung erließ, der jüdische Staat müsse sich aller etwaigen Maßnahmen enthalten, die zu einem Genozid führen könnten, feierten Israel-Kritiker in aller Welt. Obwohl auch hier keine Aussage über den Vorwurf des Völkermords gegen Israel getroffen worden war. Auf einen ähnlichen Scheinerfolg dürften auch Nicaragua und Russland in der Klage gegen Deutschland gehofft haben.

Doch der IGH entschied, für den Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlten die Gründe, auch wenn das Hauptsacheverfahren – anders als von Deutschland gefordert – eröffnet werde. Der IGH will also gründlich ermitteln und entscheiden, statt vorschnelle Signale zu setzen.

Ausgang des Hauptverfahrens ist absehbar

Es ist durchaus möglich, dass die Richter in Den Haag mit ihrer Entscheidung dem Missbrauch des Gerichts durch die internationale Polit-PR entgegenwirken wollten. Denn in den vergangenen Jahren stieg die Zahl der Anträge auf einstweilige Anordnungen kontinuierlich. Das zeigt eine Auswertung der Entscheidungen des IGH in den vergangenen Jahren. Gab es in früheren Jahren meist nur eine bis zwei Entscheidungen des Gerichtshofes zu Anträgen auf einstweilige Anordnungen oder auch – wie 2012 – gar keine derartigen Beschlüsse, stieg die Zahl 2022 auf vier und 2023 auf fünf solcher Anordnungen.

„Mit seiner Entscheidung hat der IGH auch klargemacht, dass eine einstweilige Anordnung nicht so einfach zu haben ist, wie manche denken“, sagt der Völkerrechtler Stefan Talmon, Professor an der Universität Bonn und Fellow am St. Anne’s College der Universität Oxford. „Diese Entscheidung zeigt zugleich, dass sich die Klage Nicaraguas auch im Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit in Luft auflösen wird“, so Talmon, der schon selbst Staaten vor dem IGH vertreten hat.

Wenn das Gericht schon jetzt keine Anhaltspunkte sehe, dass Deutschland mit seinen Waffenlieferungen an Israel Beihilfe zu einem Völkermord leiste und ausdrücklich darauf hinweise, dass Berlin die Palästinenser auch während der Aussetzung der UNRWA-Zahlungen auf anderen Wegen humanitär unterstützt hat, dann müssten diese Punkte auch im eigentlichen Prozess ins Gewicht fallen. „Und mittlerweile hat Deutschland die Finanzierung für UNRWA ohnehin wieder aufgenommen, die Waffenlieferungen an Israel aber stark reduziert. Da bleibt nicht mehr viel, wofür man Berlin verurteilen könnte.“

Apropos Waffen: Die Entscheidung habe zudem einen von den Klägern unbeabsichtigten Effekt, meint Talmon. „Der IGH hat Deutschlands bisherige Waffenlieferungen nicht als hinreichenden Grund für eine Anordnung akzeptiert. Das heißt im Umkehrschluss: Waffenlieferungen an Israel sind nicht per se ein Indiz für die behauptete Beihilfe zum Völkermord oder anderen Völkerrechtsverstößen. Damit sind Waffenlieferungen an Israel derzeit völkerrechtlich nicht verboten. Dieser Schuss der Nicaraguaner ist nach hinten losgegangen.“

Ansonsten ist der Nahost-Konflikt derzeit aber ein Beispiel dafür, wie Aktionen vor der internationalen Gerichtsbarkeit für politisch-mediale Effekte eingesetzt werden. So sind die Erfolgsaussichten der Völkermord-Klage Südafrikas gegen Israel durchaus umstritten. Für eine Verurteilung des jüdischen Staates wäre unter anderem der Nachweis nötig, dass ein Genozid an den Palästinensern das Motiv hinter der Offensive in Gaza ist.

Tatsächlich begann der Feldzug aber nachweislich in Reaktion auf den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober. Trotz aller Spannungen hatte Israel seit Jahren keine Bodentruppen in nennenswertem Umfang nach Gaza entsandt.

Nach israelischen Medienberichten fürchtet Premier Benjamin Netanjahu dennoch Ermittlungen und einen Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofes (IStGH) gegen sich und israelische Minister und Militärs. Ein solcher Schritt würde die Bewegungsfreiheit des Premiers erheblich einschränken, denn laut den Statuten müssten alle 124 Vertragsstaaten des IStGH Netanjahu bei der Einreise festnehmen – auch Deutschland.

Doch in diesem Punkt sind gewisse IStGH-Staaten flexibel. Als Wladimir Putin im vergangenen Jahr trotz internationalen Haftbefehls zu einem Gipfel der BRICS-Staaten anreisen wollte, versuchte die Regierung des Gastgeber-Staates mit allen Mitteln, die Pflicht zur Verhaftung zu umgehen. Der Gastgeber war Südafrika, ausgerechnet jenes Land, das derzeit gegen Israel klagt.

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