Die Parks werden bei der Hitze immer voller: Arbeitet überhaupt noch jemand in Berlin?
Ein Mann liegt auf einer Wiese und sonnt sich. Auch die nächsten Tage werden sommerlich.
Sommer, Sonne, Eiscreme – in Berlin ist es heiß, mehr als 26 Grad. Vergangene Wochen waren die Parks noch gespenstisch leer, verglichen damit sind sie mehr als gut gefüllt. Doch wer kann es sich leisten, mitten in der Woche um 11.30 Uhr auf der Wiese zu sitzen und sich zu sonnen? Sind es Touristen, sind es berufstätige Berliner, Studenten oder sind es die Arbeitslosen dieser Stadt?
Immerhin vermeldete die Arbeitsagentur am Dienstag, dass im April die Zahl der Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen ist. Es sind auch mehr als im April des Vorjahres. Die Arbeitslosenquote in Berlin steigt und liegt nun bei 9,7 Prozent.
Wir haben in drei Berliner Parks nachgefragt. Auf dem Weg zum Tiergarten geht es am Brandenburger Tor vorbei. Dort ist Gedränge: Die Touristen machen Selfies, lachen laut. Touristen sind am hektischen Auspacken der Reiseführerbüchlein zu erkennen, dem Reiserucksack oder dem verwirrten Blick auf die Karten-App ihres Smartphones.
Die Leute im Park sind ruhiger – und ganz offensichtlich keine Touristen. Vereinzelt sitzen im Großen Tiergarten kleine Gruppen im Schatten. Sie sprechen verschiedene Sprachen: Englisch, Spanisch, Russisch. Auch das sind keine Touristen, sondern oft Neu-Berliner, die im Park Deutsch lernen.
Von den Bäumen vor den Sonnenstrahlen geschützt, lesen die einen Parkbesucher ein Buch, andere liegen oberkörperfrei oder im Bikinioberteil auf einer Picknickdecke oder gehen spazieren.
Allein sitzt eine Frau im Gras, vor ihr ein Tablet. Auf dem Bildschirm zeigen sich digitale Arbeitsblätter, mit grellen Farben sind Passagen markiert. Sie spricht Englisch. Marjam Ataei ist 27 Jahre alt und kommt aus dem Iran. Sie hat einen Deutschen geheiratet und belegt gerade einen Deutschkurs an der Volkshochschule. Im Tiergarten lernt sie für die nächste Stunde. „Gerade arbeite ich nicht, erst mal möchte ich die Sprache können“, sagt die gelernte Webdesignerin, die seit neun Monaten in Friedrichshain lebt. Sie setzt sich regelmäßig in den Park: „Hier ist es so schön ruhig.“
Junge Menschen sitzen beim sonnigen Wetter auf dem Rasen im Tiergarten.
In dem Moment kommt ein schwarzer Hund mit weißer Schnauze aus dem Gebüsch gerannt. Anke aus Falkensee arbeitet als Personalmanagerin in Teilzeit bei einer kleinen Firma ganz in der Nähe. Einmal pro Woche ist sie hier vor Ort. Sie nimmt ihre zwei Hütehunde, junge Border Collies, mit in das Büro und geht in ihrer Mittagspause Gassi. „Die müssen ausgelastet werden.“ Warum arbeitet sie in Teilzeit? „Ich habe eine Herde mit 23 Schafen“, sagt sie und strahlt. Die Tiere werden für die Landschaftspflege auf verschiedenen Flächen eingesetzt.
Zur Mittagszeit sitzen zwei Männer in der prallen Sonne und unterhalten sich angeregt. Der 36-jährige Timo ist Lehrer und schon im Feierabend. Der Spandauer sagt, er habe phasenweise viel zu tun. „Offiziell habe ich eine 27-Stunden-Woche, aber real bin ich immer bei 40 Stunden.“ Zu Hause sitzt er dann eher am Sonntag, das ist der Tag, an dem er meist den Unterricht vorbereitet.
Der Park am Gleisdreieck ist zur Mittagszeit mit Sportlern und Familien gefüllt. Im Skatepark klackern Menschen auf ihren Boards über den aufgeheizten Asphalt. Sie sind verschwitzt und lächeln glücklich. Einige Meter entfernt liegen kleine Grüppchen im Schwimmbad-Look auf der Wiese, Caps sind in die Gesichter gezogen oder Handtücher auf den Kopf gelegt. Sechs Studenten spielen Frisbee und sprechen über das neue Semester, ihre Profs und die Hausarbeiten.
Tini und Miriam, zwei Freundinnen Anfang 20, liegen auf einer ausgebreiteten Jacke. Miriam, eine Krankenschwester, hat heute einen freien Tag, weil sie am Wochenende im Dienst war. „Ich habe mir das verdient. Umso besser, dass die Sonne scheint. Heute kann ich den Tag mal nutzen.“
Ein Hund mit Maulkorb bellt die jungen Frauen an. Seine Besitzerin, eine Französin aus Toulouse, hält ihn fest und steckt ein Leckerli durch die Drähte seines Maulkorbs. Sie entschuldigt sich, als er wieder nach vorn schießt, Lisa ist 22, Erasmus-Studentin an der Freien Universität und bereits seit Oktober hier. Sie freut sich auf den Sommer in Berlin. „Ich habe viel darüber gehört. Im Winter konnte ich das alles nicht wirklich glauben“, sagt sie. Sie genießt die Zeit mit ihrem Hund im Park, der sich inzwischen beruhigt hat. Sie muss auch bald los: Bald beginnt ihr Deutschkurs.
Sommerwetter im Park am Gleisdreieck
Die 29-jährige Gülcan streckt auf einer Bank in der Nähe des Spielplatzes ihr Gesicht gen Himmel. Sie hat die Augen geschlossen. Ihre fünfjährige Tochter tippt ihr auf die Schulter. Gülcan sagt: „Ich bin waschechte Berlinerin.“ Sie habe ihr Abitur vor Jahren abgebrochen, um Veranstaltungskauffrau zu werden. Mit 22 Jahren wurde sie schwanger. „Die Veranstaltungen waren oft abends, das ging dann mit kleinem Kind nicht mehr.“ Nun macht sie eine Umschulung und lernt hier im Park für die letzten Prüfungen. „Ich habe die Ausbildung zur Raumdesignerin und das Abitur gleichzeitig gemacht“, sagt sie und lächelt stolz. Auch am 1. Mai will sie hier im Park sein, dieses Mal aber nicht lernen, sondern Zeit mit ihrer Tochter verbringen. „Das gute Wetter nutzen.“
Am Görlitzer Bahnhof liegt der Geruch von Gras in der Luft, natürlich. Die Dealer stehen am Ausgang. Der Görli ist zum einen Drogen-Hotspot, zum anderen ein Mekka für Sonnenanbeter. Leise weht Gitarrenmusik über die Wiesen. Der 32-jährige Dion ist Berufsmusiker. „Heute ist kein Gig, nur Training“, sagt er. Er sitzt gern tagsüber im Görli. „Der Park erinnert mich an meine Jugend.“ Er könne sich seine Arbeitszeit frei einteilen. „Außer, wenn ich auf Tournee bin.“
In der Nähe sitzt Hannes, ein 26-jähriger Unternehmensberater. Er verbringt seine Mittagspause im Park. „Ich arbeite im Homeoffice, fahre nur zwei bis drei Tage im Monat in das Büro.“
Der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg
Im Schatten sitzt die 22-jährige Zelda mit Emil, einem Freund aus Paris. Die Kreuzbergerin studiert Psychologie und schreibt ihre Bachelorarbeit. Sie muss also das Lernen und die schöne Zeit mit ihrem Besuch unter einen Hut bekommen.
Auch bei ihr wird klar: Die meisten sind nicht etwa in den Parks, nur um zu faulenzen. Hier sitzen Unternehmensberater neben Musikern, Ur-Berliner neben Zugezogenen. Die einen büffeln, die anderen erholen sich von der Nachtschicht. Sie alle nutzen die ersten richtigen heißen Sommertage des Jahres. Und was nach einem Sonnenbad aussieht, ist doch oft Arbeit.