ESC in der ARD mit Conchita Wurst und Rea Garvey: »Wow!!! Fantastisch!!«

Acht Teilnehmer stehen für den Eurovision-Song-Contest-Vorentscheid schon fest, in einem neuen ARD-Format suchen Rea Garvey und Conchita Wurst nach einem neunten. Das ist unterhaltsam – aber führt es auch zum Ziel?

esc in der ard mit conchita wurst und rea garvey: »wow!!! fantastisch!!«

ESC in der ARD mit Conchita Wurst und Rea Garvey: »Wow!!! Fantastisch!!«

Es gibt eine Frage, die Fans des Eurovision Song Contest (ESC) zuverlässig spaltet: Ist es eigentlich Fluch oder Segen für die zahlungskräftigen Länder, direkt fürs große Finale qualifiziert zu sein? Einerseits fällt für die Big Five (Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland) das Risiko weg, im Halbfinale auszuscheiden. Andererseits fehlt den Interpretinnen oder Interpreten die Übung, schon mal in der großen Halle gesungen zu haben. Und dass das Publikum vor Ort und zu Hause vor dem Finale schon mit dem Song vertraut ist, könnte auch nützlich sein.

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Eine allgemeingültige Antwort gibt es, wie so oft, nicht: Italien hatte in jüngeren Jahren immer wieder gute Platzierungen ohne Halbfinalqualifikation. Großbritannien und natürlich auch Deutschland taten sich regelmäßig schwer. In Deutschland wird deshalb Jahr um Jahr am Modus getüftelt, wie es besser gehen könnte.

Diesmal ist man zu einer Idee zurückgekehrt, wie es sie schon 2014 und 2015 gab: Die meisten Plätze für den deutschen Vorentscheid stehen fest. Nur einer bleibt frei und wird in einem Extrawettbewerb ermittelt.

Das Format, das von NDR und HR getragen wird, heißt »Ich will zum ESC!« Darin begeben sich 15 Kandidatinnen und Kandidaten in einen Prozess aus Casting und Coaching, wie man ihn seit Langem aus Sendungen wie »X-Factor« oder »The Voice of Germany« kennt. Unterwegs wird ausgesiebt, bis dann am Ende das Publikum zwischen vier übrig gebliebenen Hoffnungsvollen entscheiden darf. Der Gewinner bekommt den Finalplatz.

»Ich will zum ESC!« lebt allerdings vor allem von seinen beiden Juroren. Rea Garvey hat reichlich Erfahrung als »The Voice«-Juror, während Conchita Wurst vor allen Dingen einen Sieg beim Eurovision Song Contest – 2014 für Österreich – vorweisen kann.

»Song Contest ist für mich Weihnachten, Pride und Halloween in einem«, sagt Conchita Wurst sehr fanfreundlich gleich zum Auftakt der ersten von drei Folgen, die seit Donnerstag in der ARD-Mediathek zu sehen sind. Die vierte und die fünfte bereits produzierte Folge werden in der kommenden Woche eingestellt. Irgendwann zu nachtschlafender Zeit kommt das alles auch im linearen Fernsehen, aber »Ich will zum ESC!« ist eindeutig für die Mediathek gemacht. Viel Aufwand für die Nische – aber es ist ja eine Nische, die wachsen soll bei den Öffentlich-Rechtlichen.

Wie fühlt es sich nun an, das Format? Am Anfang ganz einfach, weil der Ablauf so vertraut ist: kleines Vorstellungsfilmchen, Begrüßung, 90 Sekunden singen, Beurteilungsgeplänkel, Daumen hoch oder runter (oder in diesem Fall: Herz aufs Pult). Dass es hier trotz aller Routine sehr unterhaltsam abläuft, liegt an der Chemie zwischen Rea Garvey und Conchita Wurst. Der ESC-Star aus Österreich ist dauereuphorisch und schlagfertig – häufigstes Wort: »fantastisch«. Der Reamonn-Rocker Garvey hingegen gibt sich als Realist, der schon alles gesehen hat. Und trotzdem oft »wow!« sagt.

Alles bleibt wertschätzend, auch wenn es klar geäußerte Kritik von den beiden gibt. »Sehr nices Feedback«, finden die Beurteilten. Warum ausgerechnet die Fünf, die ausscheiden, rausmüssen, erschließt sich nicht so recht – aber das liegt auch daran, dass keine Freak-Kandidaten zur Volksbelustigung dabei sind. Das Feld ist erkennbar divers aufgestellt: Eine Sängerin berichtet von ihrer Transition, ein Jeanshemdträger bezeichnet sich ausdrücklich als Normalo, ein anderer Sänger erzählt von seiner großen griechischen Familie.

Fünf gute Momente aus den Auditions:

    Eine Kandidatin ist Musicalsängerin aus Hamburg – und stellt sich als gigantischer Eurovision-Freak vor. »Deine Liebe zum ESC ist größer als dein Gesang«, kommentiert Rea Garvey nach ihrem Auftritt.

    Eine 57-Jährige aus dem deutschen Pop-Mekka Delmenhorst tritt mit Regenbogenshirt, -rock und Peace-Kette an, singt Grace Jones’ »Slave to the Rhythm«. Conchita Wurst: »Wenn Personen so austrainiert sind, geht bei mir manchmal so über die Performance das Gefühl verloren.«

    Mit einem Kandidaten flirtet Conchita Wurst (»Darf ich sagen, du siehst umwerfend aus«) und mag auch den Gesang: »Dann haust du’s aussi. Da fehlt nur noch die Windmaschine. Céline Dion – diese Kraft hast du. Und dann am Schluss noch mal drauf: Ciao Kakao!«. Rea Garvey, perplex: »Was hat Chaka Khan damit zu tun?«

    Ein Kandidat stammt aus dem baden-württembergischen Künzelsau, falls das wer kenne. Na klar, sagt Rea Garvey, er habe doch schon dort gespielt. Stimmt, sagt der Kandidat, »dieses Jahr auf dem Firmengig bei meiner Mum«.

    »Sind hinter den Kulissen eigentlich alle nett?«, fragt Rea Garvey, der den ESC nur aus dem Fernsehen kennt. »Noooo! Bitchfight!«, erzählt Conchita Wurst: »Von den Polinnen gab es Side-eye und I side-eyed them back«

Am Ende stehen zwei Teams mit je fünf Sängerinnen und Sängern, die in der dritten und letzten Folge mit Vokalcoaches in noch kleineren Grüppchen Coverversionen erarbeiten. Ganz klar: Jetzt soll es für das TV-Publikum darum gehen, die No-Names besser kennenzulernen. Am 8. Februar soll dann in einer Livesendung unter den letzten Verbliebenen die Wildcard vergeben werden.

Mit der Wildcard könnte dann tatsächlich der Startvorteil für das »Deutsche Finale« verbunden sein, den es im internationalen Finale für via Halbfinale Qualifizierte gibt: Zumindest eine emotionale Vertrautheit ist schon gegeben – vorausgesetzt, die Castingdoku »Ich will zum ESC!« findet überhaupt genug Zuschauer.

Die Frage, die über allem steht, ist freilich: Verbessert dieser komplizierte, mehrstufige Modus die deutschen Aussichten beim Eurovision Song Contest? Die bereits bekannt gegebene Konkurrenz im Vorentscheid klingt zumindest von den Namen her nicht unüberwindlich – Max Mutzke und Marie Reim sind die bekanntesten. Und nach den Eindrücken der ersten drei Folgen sind bei »Ich will zum ESC!« durchaus zwei, drei Talente dabei, die sich nicht verstecken müssten. »Du überzeugst mich durch deine absolute Emotion, die wie ein Zahnrad an deine Stimme angepasst ist«, sagt Rea Garvey einmal. Und Conchita Wurst spürt »eine Connection. Ich habe das Gefühl, zu verstehen, was du machst«. Allerdings kennt man bisher noch nicht einmal das Songmaterial.

»Glaubst du, dass du das gewinnen kannst?«, fragt Rea Garvey einmal. Ja, Selbstvertrauen ist nötig für die große Bühne, reicht aber nicht allein. »Ich kenne es, in kleinen Kneipen zu spielen«, sagt der Ire an anderer Stelle: »Du versuchst, diese fünf oder 20 Leute zusammenzufangen als Publikum, das ist die Aufgabe. Wenn du das machst mit 20, ich schwör dir, 2000, 20.000, das ist eine Entwicklung. Aber du musst hier anfangen.« Klassische Rock-’n’-Roll-Aufstiegslogik – aber stimmt sie auch für ein Fernsehevent mit rund 160 Millionen weltweit vor den Geräten?

Conchita Wurst hat dafür schon eher ein Gespür, spricht davon, »große Momente« erzeugen zu wollen. Als die trans Kandidatin Sophie sagt, der ESC sei »für mich immer queer und weird«, antwortet Conchita weise: »Alle Menschen projizieren unterschiedliche Dinge auf die Eurovision, aber das ist es auf jeden Fall auch.« Die deutschen Inszenierungen der vergangenen Jahre sprachen eher nicht dafür, dass es den Zuständigen beim NDR so klar ist.

In den vergangenen Monaten gab es Spekulationen, der NDR könnte die ESC-Verantwortung demnächst abgeben. Zunächst brachte der Branchendienst »DWDL«, dann auch »Bild« die Ost-Rundfunkanstalt MDR ins Gespräch. »Dazu gibt es keinerlei Gespräche, und das ist derzeit auch kein Thema«, lautet das Standarddementi dazu. Niemand möchte den laufenden Auswahlprozess stören. Aber die vielen frustrierenden Misserfolge, die der NDR erleiden musste, sprechen für sich.

Auch auf der Produktionsebene der Vorentscheidshows könnte es Bewegung geben. Jan Böhmermann bewarb sich mit einer Musikausgabe seines »ZDF Magazin Royale« um den Job. Dass ESC-Veteran Stefan Raab mit Ex-ProSieben-Mann Daniel Rosemann eine neue Firma gegründet hat, löste ebenfalls Fantasien in der Szene aus. Die aktuellen Produzenten, Bildergarten Entertainment, können ihre aus »The Voice of Germany« bekannte Castingshow-Expertise im neuen Format »Ich will zum ESC!« fortführen. Eine große Ausscheidungsshow ist ihnen bisher noch nicht gelungen. Am 16. Februar haben sie in Berlin eine weitere Chance. Vielleicht die letzte.

»Ich will zum ESC!«: Folgen 1 bis 3 bereits in der ARD-Mediathek. Ausstrahlungstermine im Ersten: Folgen 1 und 2 am 27.1. ab 23.05 Uhr, Folgen 3 bis 5 in der Nacht vom 3. zum 4.2. ab 23.55 Uhr (Weitere Ausstrahlungstermine im HR Fernsehen). Folge 6 am 8. Februar um 22 Uhr live im NDR Fernsehen und in der Mediathek.

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