Parteitag der Bayern-FDP: "So werden wir nicht wieder gewählt"

Die FDP sei keine gespaltene Partei, sondern

Lob der Ampel und zugleich harsche Kritik, Seitenhiebe auf die Grünen und auf die CSU. Die bayerische FDP fahndet weiter nach einem klaren Kurs. Nur bei einem sind sich anscheinend alle einig: Attacke gegen Hubert Aiwanger.

“So werden wir nicht wieder gewählt”

Martin Hagen kann das: einheizen, einen Saal rhetorisch aufwecken. Und hier in Ingolstadt, wo die von ihm geführte bayerische FDP ihren zweitägigen Parteitag abhält, ist es bitter nötig. Es trifft sich eine Apo-FDP, außerparlamentarische Opposition in Bayern, mit nur drei Prozent aus dem Landtag geflogen. Da standen die Liberalen auch im jüngsten BR-“Bayerntrend”, für die Europawahl sieht es eher noch düsterer aus, da wird man schon unter “Sonstige” gelistet. Und im Magen liegt vielen noch die Mitgliederbefragung über den Verbleib in der Ampel. Ein Votum, das knapp ausging, über eine Frage, die gerade in Bayern emotional debattiert wurde, wo die FDP den Ampel-Imageschaden im Oktober am eigenen Leib erfuhr. “Stimmung na ja”, so etwas hört man an allen Ecken rund um die Eröffnung am Samstagvormittag. Doch Hagen gelingt es, Dampf zu machen. Was nicht heißt, dass all das, was die Partei umtreibt, nicht zur Sprache käme in den Wortmeldungen, in Gesprächen im Foyer.

Hagen hatte für die Fortsetzung der Ampel geworben. Und steht dazu. Die Mitgliederbefragung habe deutlich gemacht, dass es keine Mehrheit für den Ausstieg gebe. Das bedeute zwar nicht, dass “eine Mehrheit die Ampel liebt”; aber dass ein “jetziger Ausstieg ohne konkreten Grund” weder für das Land noch für die Partei sinnvoll sei. Zugleich gebe es wie in der Bevölkerung auch in der Partei viel Skepsis gegen “Bevormundung durch die Bundesregierung”. Was damit gemeint ist? “Grüne Verbotsfantasien”, gegen die man sich hartnäckig zur Wehr setze. Die FDP sei keine gespaltene Partei, sondern “ausschließlich in einer taktischen Frage” uneins, meint er. Eine “überwältigende Einheit” gebe es dagegen für liberale Überzeugungen wie Leistungsgerechtigkeit oder für die Freiheit.

Hagen erhält sehr ordentlich Applaus, der Saal ist nun wach. Doch ohne einige Spitzen gegen die Grünen ist offenbar nichts zu holen hier. Der FDP-Chef sagt: Er sei kein Nostalgiker, erinnere sich aber gern an Zeiten, als die Wirtschaftsminister in Bayern und im Bund Martin Zeil und Rainer Brüderle hießen, beide FDP. Heute habe man Hubert Aiwanger und Robert Habeck, “Zeichen des grassierenden Fachkräftemangels”.

Ohnehin Aiwanger. Die Liberalen, sagt Hagen, hätten im Landtagswahlkampf die schlechte Amtsführung des Wirtschaftsministers “rauf und runter erzählt”, das habe keiner so recht hören wollen. Inzwischen habe sich in Wirtschaftsverbänden und sogar in der CSU die Erkenntnis durchgesetzt, dass dieser Mann “jeden Tag auf irgendwelchen Bauerndemos rumhüpft” und “eine Schande für ein Hightech-Land wie Bayern” sei. Es ist kein Geheimnis, dass die FDP nicht nur gern im Landtag geblieben wäre, sondern sich statt der FW gern als CSU-Juniorpartner gesehen hätte.

“So werden wir nicht wieder gewählt”

Viel Redebedarf gibt es bei der Aussprache, eine schier endlose Liste. Es meldet sich Albert Duin. Der Ex-Landtagsabgeordnete war ein Anführer der Anti-Ampel-Front bei der Mitgliederbefragung und er wäre im November mit einer Überraschungskandidatur gegen Hagen fast Landesvorsitzender geworden. Die Grünen hätten es “geschafft, immer tiefer mit ihrer Ideologie in die anderen Parteien hineinzudringen”, beklagt Duin, alle seien “auf den Zug aufgesprungen”. Doch es sei “verrückt”, diesem “Irrsinn” weiter hinterherzulaufen. “Der Atomausstieg ist der größte Fehler, den die Bundesrepublik jemals gemacht hat.”

Das Ampel-Donnerwetter ist keine Außenseiterposition in Ingolstadt, aber wohl nicht mehrheitsfähig. Ehrenvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hält prompt dagegen, schon beim Mitgliederentscheid plädierte sie öffentlich pro Ampel. “So werden wir nicht wieder gewählt, wenn wir hier stehen und erzählen, wie man die Zeiten wieder zurückdreht.” Die FDP müsse in der Regierung bleiben, könne so “handlungs- und aktionsfähig” sein.

Es kommen Stimmen auf, die endlich Ruhe wollen. Der Bundestagsabgeordnete Ulrich Lechte will “die liberale Depression beenden”. Man sei Teil einer erfolgreichen Bundesregierung. Tobias Dutta, Landeschef der Jungen Liberalen, warnt: Man müsse sich “zusammenreißen” und an einem Strang ziehen, “wir sind doch keine Gegner.” Und: “Mancher denkt, dass die Union unsere Freunde sind. Das sind sie überhaupt nicht, die sind doch die Ersten, die sich freuen, wenn wir aus dem Bundestag fliegen.” Laut Dutta solle die Bayern-FDP viel lauter sein, man dürfe Ministerpräsident Markus Söder und Aiwanger “nicht diese rückschrittlichen Ideen durchgehen lassen”.

Susanne Seehofer nennt Aiwanger einen “ewig Gestrigen”

Scharf gegen den Vize-Ministerpräsidenten wettert auch Susanne Seehofer, Mitglied im FDP-Landesvorstand: “Hubert Aiwanger kümmert sich ja lieber um die Gamsjagd als um den Wohlstand von morgen.” In Anspielung auf Aiwangers Affäre um ein antisemitisches Flugblatt spricht sei von einem “ewig Gestrigen mit seinem in die Bresche gesprungenen Bruderherz”. Teils für die Ampel, teils dagegen, manchmal gegen die Grünen, zuweilen gegen die Union – die Bayern-FDP fahndet weiter nach einer klaren Richtung.

Für den Landesverband geht es in der jetzigen Lage auch darum, unter Apo-Bedingungen und mit weniger Geld seine Strukturen im Freistaat zu halten. Um für die “Wiederauferstehung” – dieses Wort fällt auch in Ingolstadt – zur Landtagswahl 2028 nicht bei null anzufangen. Bei den Mitgliedern gab es zuletzt einen leichten Knick, im Langzeittrend konnte die Partei ihr Niveau grob behaupten. Am 1. Januar 2024 zählte man 8000 Parteibücher, ein Jahr zuvor waren es 8500. Benötigt wird für das Überwintern in der Apo die Ampel sehr wohl. Die Bayern-FDP will das ins Schaufenster stellen, was sie noch vorzuweisen hat: Einfluss in Berlin. Im November trat eine Doppelspitze an, Hagen führt die Partei seitdem mit Katja Hessel, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium.

Der Parteitag stand auch unter dem Zeichen der Ukraine-Politik. Ein Antrag des Landesvorstands kritisiert den “restriktiven” Kurs der Ampel, will dem angegriffenen Land “mehr und schneller” helfen – auch mit der umstrittenen Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern. Dafür setzt sich auch Phil Hackemann ein, bayerischer Spitzenkandidat zur Europawahl. Er steht auf Platz sieben der FDP-Liste, für ein Mandat in Brüssel bräuchte die Partei bundesweit sechs bis sieben Prozent. Umfragen deuten das nicht an, völlig unvorstellbar wäre der Wert aber auch nicht. Hackemann will sich auch als München-Kandidat profilieren, da außer einem AfD-Mann nur er als Bewerber aus der Landeshauptstadt prominent auf einer Liste stehe.

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