Deshalb will Diakonie-Chef Schuch keine AfD-Anhänger beschäftigen
Rüdiger Schuch ist seit Anfang des Jahres Diakonie-Präsident.
Eigentlich wollte Diakonie-Chef Rüdiger Schuch nur seinen Sozial-O-Mat vorstellen, eine Entscheidungshilfe zur Europawahl am 9. Juni. Doch das Projekt des 55-jährigen Pfarrers geriet am Mittwoch ins Hintertreffen, weil er vor der Präsentation mit einer Aussage für Wirbel gesorgt hatte: Er wolle keine AfD-Anhänger in der Diakonie beschäftigen, sagte er. Nur vier Monate nach Amtsantritt löste er damit seinen ersten großen Eklat aus.
Am Mittwoch legte Schuch noch einmal nach: Wer sich als AfD-Wähler bei der Diakonie oute oder als solcher „enttarnt“ werde, solle erst einmal zum Rapport, erklärte der Diakonie-Chef. Diese Mitarbeiter sollten prüfen, sagte er, ob sie „mit solch einem menschenfeindlichen Bild in den Einrichtungen noch richtig sind“.
Und Schuch führte aus: Wer „solch eine Partei“ aus Überzeugung wähle, habe in der Diakonie mit seinen 630.000 Mitarbeitern und 33.000 Angeboten im Land keinen Platz. Das gelte aber auch für Anhänger des Kalifats, also Islamisten. Und insgesamt für alle, die gegen die demokratische Grundordnung verstoßen, so der evangelische Pfarrer, der aus Nordrhein-Westfalen stammt.
Sind auch Menschen mitgemeint, die die AfD nicht aus Überzeugung wählen, sondern aus Frust über die Ampelregierung? Und inwiefern verstoßen AfD-Wähler durch ihre freie und geheime Wahlentscheidung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung? Sind sie gar gleichzusetzen mit Islamisten? So richtig schienen Schuchs Aussagen nicht zueinanderzupassen. Doch für ihn ist klar: „Die Diakonie steht in allen Arbeitsfeldern für eine inklusive und vielfältige Gesellschaft und gegen eine Ideologie der Ungleichwertigkeit und der Abwertung von Menschen. Dafür ernten wir bisweilen auch offene Anfeindungen und Diffamierungen von rechts außen.“
Unklar blieb auch, wie solch ein Rausschmiss arbeitsrechtlich laufen kann, denn eine Gesinnung ist nicht strafbar und auch kein Kündigungsgrund. Laut Schuch soll es zukünftig selbstverständlich „keine Gesinnungstests“ geben, aber es soll mit betroffenen Mitarbeitern, die beispielsweise durch antisemitische oder fremdenfeindliche Bemerkungen auffällig geworden sind, gesprochen werden. Sollte sich der Mitarbeiter nicht von der AfD lossagen, müssten, so Schuch, „arbeitsrechtliche Konsequenzen geprüft werden“.
Jedenfalls beziehe die Diakonie Position für „diejenigen, die sich an den Rand gedrängt sehen und für eine offene und solidarische Gesellschaft“, so ihr Präsident. „Und damit gegen jede Form der Ausgrenzung oder des politischen Extremismus mit all seinen platten Scheinalternativen.“ Und so ging es dann weiter mit dem eigentlichen Thema des Tages, dem Sozial-O-Mat.
Dieser Sozial-O-Mat ist der inzwischen siebte der Diakonie. Auch zu den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September soll es einen geben. Die Veranstalter erhoffen sich viele Klicks: Bei der Bundestagswahl 2021 sei er Sozial-O-Mat 220.000-mal aufgerufen worden, heißt es. Zwar nicht zu vergleichen mit dem Wahl-O-Mat (21,3 Millionen Aufrufe), aber immerhin etwas.
35 Parteien schrieb die Diakonie diesmal an, 29 machten mit. Fünf verweigerten sich, darunter die rechtsextreme Partei Die Heimat, die Sozialistische Gleichheitspartei und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Im Fokus steht die Frage: Wie sozial sind die Parteien, die bei der Europawahl 2024 zur Wahl stehen? Der Sozial-O-Mat zeigt, wie die Parteien und Vereinigungen zu Armut, Flucht und Migration, Demokratie, Klima und einem sozialen Miteinander stehen.
User können unter verschiedenen Aussagen unterschiedliche Antworten ankreuzen. Darunter Sätze wie „Der Islam gehört zu Deutschland wie das Christentum“ oder die Frage, ob in Deutschland nur Deutsche Sozialleistungen bekommen sollten. Es sei ein klassisch aufklärerisches Instrument, das die Wähler sehr ernst nehme, ihnen aber auch die Auswirkung einer bestimmten Entscheidung verdeutliche, so Tobias Korenke, politischer Berater und Geschäftsführer der Agentur Raufeld. Diese hatte mit der Diakonie den Sozial-O-Mat umgesetzt.
Die Diakonie möchte sich jedenfalls nicht darauf festlegen, welche Parteien nun sozialer sind als andere. Nur darauf: Die Parteien hätten wirklich unterschiedliche Positionen zur Sozialpolitik. Man strebe an, so Schuch am Mittwoch, einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Meinungsbildung zu leisten und den Einstieg in die Themen der Sozialpolitik zu erleichtern.