„Der gehört nicht in unsere Partei!“ - AfD-Politiker mit seltsamem Eiertanz bei Markus Lanz
TV-Talk
„Der gehört nicht in unsere Partei!“ – AfD-Politiker mit seltsamem Eiertanz bei Markus Lanz
Markus Lanz und seine Gäste diskutieren über Angriffe auf Politiker, russische Spionage und die schwierige Situation in der Ukraine. Eine Kritik.
Hamburg – „Angriffe auf Politiker jeglicher Couleur gehen gar nicht“, sagte der AfD Politiker Rüdiger Lucassen zu Beginn von Markus Lanz‘ Sendung. Er meinte damit zwar auch den SPD-Politiker Matthias Ecke, der am Freitag beim Aufhängen von Wahlplakaten brutal angegriffen wurde, vor allem aber sich selbst und andere AfD Politiker.
Nicht ganz zu Unrecht, denn nach den Grünen sind es – das sollte man bei aller Kritik an der Partei nicht vergessen – Politiker der AfD, die tätlich angegriffen werden. Inwiefern die AfD mit ihrer populistischen Art dafür verantwortlich ist, dass sich der Diskurs verhärtet, Diskussionen zunehmend polemisch werden und Politiker nicht mehr nur mit Worten, sondern physisch angegangen werden, dazu wollte sich Lucassen nicht recht äußern.
Debatte bei Markus Lanz: Nicht nur die AfD ist Schuld an der Enthemmung
Neben ihm saß Antonie Rietzschel, Journalistin, die vor allem für die Süddeutsche über Rechtspopulismus berichtet, also bestens über die AfD informiert ist. „Der Angriff auf Ecke ist keine Zäsur, denn in den letzten Jahren sind Politiker immer häufiger beleidigt oder angegriffen worden“ meinte Rietzschel bei Markus Lanz im ZDF. Sie wollte die Schuld aber nicht allein bei der AfD sehen: Auch die Extremsituation der Corona-Pandemie habe zu einer Enthemmung, gerade in den Sozialen Medien beigetragen, die sich nun auch zunehmend Offline zeigt.
„Das Denkbare und das Machbare“ hängen zusammen, meinte der Politologe Herfried Münkler. Als AfD-Politiker Alexander Gauland vor ein paar Jahren sagte „Jetzt werden wir sie jagen“, bedeutete das einen Dammbruch, dessen Folgen nun sichtbar werden. Sogar einen Vergleich mit dem Ende der Weimarer Republik zog Münkler. Also einer Zeit, in der die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleistet war, in der die Organe des Staates, die Polizei, die Justiz, nicht mehr in der Lage waren, Feinde des Systems für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen.
Carlo Masala berichtet bei Markus Lanz von Vorträgen unter Polizeischutz
Auch der Militärexperte Carlo Masala berichtete von Angriffen, die er regelmäßig per Mail oder Telefon bekommt. Vorträge habe er schon unter Polizeischutz halten müssen. Je nachdem, was er sagt, sei seine Mailbox nach einer Lanz-Sendung voll mit Hassmails. „Wir haben eine Verrohung des politischen Diskurses“ konstatierte Masala, Lucassen stimmte zu und nutzte die Gelegenheit, auch die AfD als Opfer darzustellen. Was in gewisser Weise natürlich auch nicht ganz falsch ist, aber vor allem zeigt, wie kompliziert das Thema ist.
Wenn bei einer Demonstration gegen Gewalt, wie am Wochenende in Berlin, Vertreter der Antifa mit einem Plakat „Nazis töten“ auftreten, mutet das bei aller nachvollziehbarer Aversion gegen die AFD dann doch etwas scheinheilig an. Dennoch hat fraglos auch Masala recht wenn er sagt: „Nimmt man die Rhetorik, ist die AFD sehr weit vorne, andere Menschen zu delegitimieren.“ Umso bizarrer mutete es da an, als Rüdiger Lucassen anbot, das sich doch alle Parteien endlich zusammenreißen und vertragen sollten…
AfD-Politiker wiegelt bei Markus Lanz ab
Wie angeschlagen ist nun die Demokratie in Deutschland? Dazu meinte Herfried Münkler: „Demokratie ist ein ausgesprochen vulnerables Projekt, es setzt voraus, Zorn und Wut zurückzunehmen und der rationalen Betrachtung Raum zu geben. Das alles ist nicht selbstverständlich.“ Auch das Nachlassen der Initiative auf lokaler Ebene, das freiwillige Engagement für die Demokratie lässt gravierend nach, auch ein Zeichen dafür, dass etwas im Argen liegt.
Selbst die Jugendorganisation der AfD wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft, was Rüdiger Lucassen abzutun versuchte. Geschickt zeigte er die bürgerliche Fassade der AfD, wie auch Masala zugestand, der aber sofort darauf hinwies, dass Lucassen eine große Ausnahme in der AFD darstellt und keineswegs mit der Wirklichkeit der Partei verwechselt werden sollte.
Kritik an Vertretern der AfD läuft bei Markus Lanz ins Leere
Dass der General AD so intensive Kontakte zu Russland oder China hat wie etwa Maximillian Krah, darf man bezweifeln. Bei Markus Lanz im ZDF betonte er: „Wer sich durch eine fremde Macht schmieren lässt oder Interessen vertritt, die sich gegen Deutschland richten, der gehört nicht in unsere Partei.“ Auf die Frage, ob er eher Russland, China oder den USA vertraut, wollte sich Lucassen nicht festlegen: „Jedes Land hat seine Interessen, so wie Deutschland seine Interessen haben sollte.“ „Wir müssen mit China wieder auf Augenhöhe kommen“ meinte Lucassen weiter, ob er damit Spione in Büros von Parteimitgliedern meinte, war nicht ganz klar.
TV-Talk mit Markus Lanz am 7. Mai 2024.
Ob Krah zurücktreten muss, ob das eine Frage der „demokratischen Hygiene“ sei, wie Münkler meinte, auch dazu wollte sich Lucassen nicht recht äußern. Ein wenig verbohrt wirkte er, als Lanz ihn damit konfrontierte, dass er ja eigentlich ein Patriot sei, der das Land liebte, andererseits aber Krah mit dem Argument verteidigt, dass ja nichts strafrechtlich relevantes gegen ihn vorliegt.
Einen seltsamen Eiertanz versuchte Rüdiger Lucassen bei Markus Lanz im ZDF aufzuführen. Er ließ jegliche Kritik an Vertretern seiner Partei ins Leere laufen, egal ob es Besuche in Moskau, Auftritte im russischen Fernsehen, verharmlosende Aussagen über den Ukraine-Krieg ging. Im Zweifelsfall wusste Lucassen keine Details, betonte die Pluralität der Perspektiven und wirkte wie ein AfD-Politiker, der eigentlich gar nicht wirklich Teil seiner Partei sein wollte.
Die Gäste von Markus Lanz im ZDF
„Markus Lanz“ im ZDF | Die Gäste der Sendung vom 7. Mai |
Rüdiger Lucassen | AfD-Politiker |
Antonie Rietzschel | Journalistin |
Herfried Münkler | Politologe |
Carlo Masala | Militärexperte |
Mit hörbarer Irritation fragte Masala den General AD: „Wie kann man als Patriot in einer Partei sein, in der viele Figuren eine so große Nähe zu inhaltlichen Positionen Russlands aufweisen?“ Und das in einer Situation, in der Russland in der Ukraine immer mehr im Vorteil zu sein scheint. Mehr Waffen werden zwar geliefert, doch angesichts von zunehmenden Problemen der Ukraine, Soldaten zu rekrutieren, sieht die Lage für die Ukraine nicht gut aus.
Welche Kosten bei einer Niederlage der Ukraine auf den Westen zukommt, versuchten Münkler und Masala kurz zu skizzieren: Weitere Autokraten von Erdogan bis Orban könnten bei einem russischen Sieg in Versuchung kommen, Grenzen in ihrem Sinne zu verschieben, was nicht zu wirtschaftlichen Verwerfungen führen würde, sondern vor allem auch zu enormen Flüchtlingsströmen.
Und schließlich müsste der Westen und nicht zuletzt Deutschland, enorme Summen in die Verteidigung stecken. Abschließend betonte Masala, dass nur dann verhandelt werden wird, wenn keine Seite glaubt, den Krieg gewinnen zu können. Und da Putin aktuell, vermutlich zu Recht, glaubt, dass Russland gewinnen kann, hat er keinerlei Interesse an Verhandlungen. Keine guten Aussichten für Europa, vor allem aber nicht für die Ukraine. (Michael Meyns)