Der 1. Mai im Schatten Palästinas: Wer die Situation verfolgt, muss mit dem Schlimmsten rechnen
Erneut steht die linksradikale Berliner 1.-Mai-Demo im Zeichen des Nahost-Konflikts. Die Veranstalter positionieren sich Israel-feindlich – und schließen dadurch aus, statt zu integrieren.
1. Mai-Demonstration Bild-Motiv: der Demonstrationszug am Kottbusser Tor unterhalb der neu geplanten Polizeiwache.
Zuweilen hilft ein Blick in die Vergangenheit, um die Zukunft vorauszusagen. Erfahrungswerte statt Spekulation. Insbesondere im Journalismus lohnt das mitunter. Fliegen wir also gemeinsam in das Jahr 2021. Wie jedes Jahr mobilisiert die linksradikale Szene der Hauptstadt für die traditionelle Revolutionäre 1. Mai-Demonstration. Mitten auf dem aufwändig gestalteten Plakat: das Konterfei der palästinensischen Terroristin und Flugzeugentführerin Leila Chaled.
Ein Jahr später, 2022, wieder der 1. Mai. Kurz vor 18 Uhr stellt sich die abendliche Demonstration in der Neuköllner Sonnenallee auf. Ganz vorne dominiert der Frontblock der linksradikalen „Migrantifa“. Inklusive Fahnen der Organisation „Samidoun“. Mittlerweile verboten, galt „Samidoun“ als einer der maßgeblichen Treiber pro-palästinensischer und vor allem israelfeindlicher Proteste in Berlin, die nicht selten wegen antisemitischer Vorfälle in den Schlagzeilen landeten.
Vergangenes Jahr dann das gleiche Schauspiel. Wieder Neukölln, wieder 1. Mai. „Samidoun“ ist erneut im ersten Block präsent, zwischendurch erklingt die altbekannte „From the River to the Sea“-Parole. Palästina dominiert und hat längst alle anderen thematischen Schwerpunkte in den Hintergrund verdrängt. Der 1. Mai in Berlin, er hat sich so stark verändert, dass viele ehemalige Besucher der traditionellen linksradikalen Demonstration längst andere Pläne um 18 Uhr haben.
Jede Gelegenheit der Instrumentalisierung wird genutzt
All die aufgezählten Vorfälle der vergangenen Jahre ereigneten sich lange vor dem Hamas-Angriff auf Israel vom 7. Oktober. Wer die Situation auf Berlins Straßen seitdem aufmerksam verfolgt hat, muss an diesem 1. Mai mit dem Schlimmsten rechnen. Mittlerweile nutzt die pro-palästinensische Szene jede Gelegenheit, um ihre Punkte zu setzen. Ob die Hanau-Gedenkdemonstration im Februar, die gegen den ausdrücklichen Wunsch von Angehörigen für eigene Zwecke missbraucht wurde oder der internationale Frauentag im März, an dem es ebenfalls überdurchschnittlich oft um Gaza und Palästina ging.
Wer zusätzlich einen Blick auf das diesjährige Mobilisierungsplakat wagt, um dort dann Logos von Gruppen wie „Young Struggle“ oder „Zora“ zu entdecken, wird fast zwangsläufig zu dem Schluss kommen, dass Juden und Jüdinnen, die in Israel nicht den globalen Teufel sehen, alles andere als willkommen sind, an diesem Tag der Arbeit in Neukölln und Kreuzberg.
„Young Struggle“ sieht den Hamas-Terror als „legitimen Befreiungskampf“
„Young Struggle“, die im islamistischen Terror der Hamas einen „legitimen Befreiungskampf“ sehen und „Zora“, die in einem Flyer davon sprachen, „fortschrittliche Kräfte“ wie die Terrororganisation „PFLP“ müssten als „Teil des palästinensischen Widerstands“ gestärkt werden, sind längst nicht die einzigen organisierenden Gruppierungen, die im Nachgang des 7. Oktobers durch relativierende Statements auffielen.
Gerade in diesen Zeiten, in diesem Superwahljahr mit drei Landtagswahlen im Osten Deutschlands, der von Neukölln gar nicht so weit entfernt ist, wäre es wichtiger denn je, ein starkes gemeinsames linkes Zeichen in die Welt hinaus zu senden, hört man von ehemaligen Teilnehmern der 18-Uhr-Demonstration. Doch statt sich auf das Gemeinsame zu besinnen, wird durch die klar Israel-feindliche Positionierung des Bündnisses exkludiert, statt integriert. Es ist die altbekannte linke Krankheit.
Während es vor Corona noch vereinzelt Widerstand gegen die Neuausrichtung der ehemals autonomen Demonstration am Abend des 1. Mai gab, ist dieser längst Resignation unter progressiven und Israel-solidarischen Linken gewichen. Wer es kann es ihnen verübeln? Erst im Februar jubelten pro-palästinensische Demonstranten direkt vor dem Neuköllner Rathaus der islamistischen „Huthi“-Miliz aus dem Jemen zu.
Linke, Hand in Hand mit religiösen Fanatikern. Auch das eine Entwicklung, die sich seit dem 7. Oktober immer weiter intensiviert hat. Differenziert wird wenig, Hauptsache es geht gegen Israel. Ob „Huthi“ oder das mörderische, iranische Regime. Wenig verwunderlich, dass viele Menschen, die sich selbst als links bezeichnen, darauf keine Lust mehr haben.