Mehrere Politiker fordern ein Verbot der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative. Wie leicht wäre das durchzusetzen und welche Folgen hätte es?
Junge Alternative: So könnte es zu einem Verbot der Jungen Alternative kommen
Während bundesweit Hunderttausende Menschen gegen die AfD protestieren, sucht die Politik weiter nach Instrumenten der wehrhaften Demokratie gegen den Rechtsextremismus. Zum langwierigen Parteienverbot gibt es eine Alternative, die derzeit viel diskutiert wird: die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) verbieten. Der Grünenvorsitzende Omid Nouripour sprach sich am Sonntag dafür aus. Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) bezeichnete gegenüber dem RND ein Verbot als “durchaus sinnvoll”, gab aber zu bedenken, dass ein Verbot der JA “relativ schnell durch neue Strukturen kompensiert werden” könnte. Vergangene Woche hatte sich die Partei Die Linke schon für ein solches Vorgehen ausgesprochen. Wie vielversprechend ist ein Verbot der JA?
Bei der Jugendorganisation der AfD handelt es sich rechtlich nicht um eine Partei, sondern um einen Verein. Und der ist deutlich einfacher zu verbieten als eine Partei. Es braucht keinen Antrag beim Bundesverfassungsgericht, das dann in einem jahrelangen Verfahren über ein Verbot zu befinden hätte. Notwendig ist nur eine Entscheidung des Bundesinnenministeriums. Das hatte zuletzt unter anderem die rechtsextremen Gruppierungen “Artgemeinschaft” und “Hammerskins” verboten, außerdem die Hamas und ihren Unterstützerverein Samidoun.
Voraussetzung für ein Verbot ist, dass ein Verein in seiner Zwecksetzung oder seinen Tätigkeiten gegen Strafrecht verstößt oder sich gegen die “verfassungsmäßige Ordnung” oder die Völkerverständigung richtet. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Verein auch verboten werden, wenn nur einzelne Mitglieder gegen Recht verstoßen, das aber dem Verein als Ganzes zugerechnet werden kann. Denkbar sind auch Verbote einzelner Landesverbände der JA.
Der betroffene Verein kann sich gegen das Verbot wehren – das zuständige Verwaltungsgericht muss die Verbotsentscheidung dann überprüfen. Widerspricht der Verein nicht, oder ist das Verbot laut Gericht rechtmäßig, wird der Verein aufgelöst und das Vermögen eingezogen. Außerdem sieht das Gesetz vor, dass die Bildung von Ersatzorganisationen verboten ist.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich am vergangenen Dienstag zu einem Verbot der JA geäußert, aber nur wiedergegeben, was ohnehin Gesetzeslage ist: “Wenn die Voraussetzungen vorliegen, dann kann man das auch tun.”
Und die sind womöglich sogar günstig. Denn politisch ist die JA noch einmal deutlich radikaler als die bereits in Teilen rechtsextremistische AfD – was für die Jugendorganisation einer Partei grundsätzlich nicht ungewöhnlich ist – auch die Grüne Jugend, die Jusos oder die Linksjugend gehen politisch weiter als die Mutterparteien. Die Linksjugend wird etwa in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg vom Verfassungsschutz beobachtet.
Die Junge Alternative ist so etwas wie ein Mobilisierungsmotor für die AfD. Wo immer seitens der Partei starke Signale gewünscht sind, tritt die AfD-Jugend in Erscheinung – auf Versammlungen, Parteitagen oder Demonstrationen. Das wirkt sich auch politisch aus. So wie bei den AfD-Vorstandswahlen in Bayern am vorvergangenen Wochenende. Schilderungen von Teilnehmern zufolge prägten knapp 100 angereiste Mitglieder der Jungen Alternative das Bild: “Hoch geschoren, gut gekleidet, gruselig”, beschrieb es ein Anwesender. Auffällig war, dass die Kandidaten des völkischen Flügels anders als bei früheren Vorstandswahlen stets 50 bis 100 Stimmen mehr erhielten als die Flügel-Kritiker. Seitdem ist das Gremium, bis auf die politisch unbedeutenden Schatzmeister, fest in der Hand Höcke-treuer Funktionäre.
Die immer offener zur Schau gestellte Radikalisierung der AfD, sie wird gerade auch von der Nachwuchsorganisation kompromisslos in die Partei getragen. Beispiel Nordrhein-Westfalen: Im Gegensatz zur AfD wurde die JA hier vom Verfassungsschutz auch wegen ihrer Nähe zu den Identitären als Verdachtsfall eingestuft. Die JA Nordrhein-Westfalen zeichne sich wie der Bundesverband durch “völkisch-ethnisches Volksverständnis und Fremdenfeindlichkeit” aus, schreibt der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz. Menschen mit Migrationsbiografie würden ausgegrenzt und verächtlich gemacht. Zudem habe der Landesverband sich zu einem “Bestandteil der rechtsextremistischen Strömung der Neuen Rechten” entwickelt.
Ihrem Profil auf X hat die JA in Nordrhein-Westfalen gerade das Logo “Team Remigration” verpasst. Initiator der Kampagne ist der Dortmunder Anwalt Matthias Helferich, langjähriges JA-Mitglied, glühender Anhänger des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke und inzwischen Bundestagsabgeordneter. Vom damaligen nordrhein-westfälischen Landeschef Rüdiger Lucassen wurde Helferich in den Landesvorstand berufen. In Chats nannte er sich schon mal das “freundliche Gesicht des NS”. Das ging – zumindest damals – sogar der Partei zu weit. Sie verhängte gegen ihn eine Ämtersperre und drängte ihn nach seiner Wahl in den Bundestag dazu, auf die Fraktionsmitgliedschaft zu verzichten. Inzwischen ist Helferich fraktionslos. Die JA dagegen steht treu an seiner Seite, teilt seine Posts oder wirbt für seine Veranstaltungen, gerade erst für ein Treffen mit Götz Kubitschek, völkischer Vordenker und Verleger aus dem sachsen-anhaltinischen Schnellroda, das Helferich in seinem Wahlkreisbüro ausgerichtet hat.
Die Voraussetzungen für ein Verbot sind im Grundgesetz und dem Vereinsgesetz geregelt. Im Fall der Jungen Alternative wäre am wahrscheinlichsten, dass das Ministerium ein Verbot mit einer Ausrichtung gegen die “verfassungsmäßige Ordnung” begründen würde. Dieser Begriff bedeutet nach Ansicht der meisten Juristinnen und Juristen dasselbe wie die “freiheitlich demokratische Grundordnung”. Sie umfasst die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit.
Um verboten werden zu können, muss ein Verein nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine “kämpferisch-aggressive Haltung” gegenüber diesen Grundsätzen der Verfassung einnehmen. Die Messlatte hierfür liegt nach einer Entscheidung des Gerichts aus dem Jahr 2018 im Fall eines Vereinsverbots etwas niedriger als bei einem Parteienverbot.
Anhaltspunkte für die Entscheidung können für das Ministerium die Berichte der Verfassungsschutzämter liefern. Besonders aussichtsreich wäre ein Verbot wohl in den Bundesländern, in denen die jeweiligen Landesverfassungsschutzämter die JA als gesichert rechtsextrem einstufen. Das ist zurzeit in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt der Fall. In anderen Ländern gilt sie teils als Verdachtsfall. Auf Bundesebene entschied das Bundesamt für Verfassungsschutz im April 2023, die JA als gesichert rechtsextremistisch zu bewerten. Die Organisation klagte dagegen vor dem Verwaltungsgericht Köln. Als Reaktion setzte das Bundesamt die Einstufung vorläufig aus. Ein Urteil des Kölner Gerichts zu dieser Frage steht noch aus.
Die Junge Alternative stand vor wenigen Jahren schon kurz vor ihrem Ende. Nach Neonazi-Skandalen in Niedersachsen wurde der dortige Landesverband aufgelöst, die Bundesführung verpasste der Organisation 2019 eine Mäßigungsreform, das Programm wurde entradikalisiert. Am Auftritt hat das nichts geändert: Ihren Online-Auftritt bezeichnet die JA in Neonazi-Manier etwa als “Netzseite”. Bundeschef ist seit 2022 der Brandenburger Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck, ein Berufssoldat, den der Militärische Abschirmdienst als Extremisten führt und ihm deshalb Uniformverbot aussprach.
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