Dax-Sentiment: „Minimal-Voraussetzung für Fortsetzung der Rally wäre gegeben“
Skulpturen von Bulle und Bär vor der Börse Frankfurt data-portal-copyright=
Privatanleger blicken wieder optimistischer in die Zukunft, auch die Kaufbereitschaft steigt. Allerdings sollte das Handeln der Profis zur Vorsicht mahnen.
Am deutschen Aktienmarkt findet derzeit eine Art Tauziehen zwischen Käufern und Verkäufern statt: Kaum steigt der Dax über die Marke von 18.100 Punkten, setzen sich die Verkäufer durch, und er fällt wieder. Ab der Marke von 17.900 Punkten setzen sich dagegen die Käufer durch, und der Leitindex steigt wieder.
Diese Kursschwankungen – eventuell auf einem höheren Niveau – dürften in der anstehenden Handelswoche anhalten, zeigt das Ergebnis der Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment. Dafür werden zum Ende jeder Handelswoche mehr als 8000 Privatanlegerinnen und -anleger zu ihrer Markteinschätzung befragt.
Die Annahme dabei ist, dass Extremwerte ein Kontraindikator sind. Wenn viele Umfrageteilnehmer optimistisch sind, sind sie wahrscheinlich bereits investiert. Dann bleiben nur wenige übrig, die noch kaufen und damit die Kurse in die Höhe treiben können. Sind viele pessimistisch, haben sie mehrheitlich nicht investiert. Dann sind nur wenige übrig, die verkaufen können und damit die Kurse drücken.
Zuletzt gab es solche Extremwerte Mitte April dieses Jahres: Damals war die Anlegerstimmung, das Sentiment, mit minus 6,1 Punkten auf den niedrigsten Stand seit Ende Oktober 2023 gefallen. In der Folgewoche stieg der Dax um 2,4 Prozent und hält sich seitdem über dem damals erreichten Tief.
In dieser Woche ist das Ergebnis weniger eindeutig. Die Stimmung hat sich von minus 1,1 auf minus 1,4 Punkte abgekühlt, berichtet Sentiment-Experte Stephan Heibel, der die Umfrage für das Handelsblatt auswertet: „Damit bleibt die Stimmung mau, von Extremwerten sind wir jedoch noch weit entfernt.“ Extremwerte, aus der sich eine klare Richtungstendenz für die Kurse ableiten ließe, sind bei plus oder minus fünf Punkten erreicht.
Auffällig ist die aktuelle Verunsicherung unter den Umfrageteilnehmern. Über ein Drittel gibt an, dass sich die Erwartungen an die Dax-Entwicklung in der abgelaufenen Woche kaum oder überhaupt nicht erfüllt hat.
Es ist die dritte Woche in Folge, in der sich Anleger verunsichert zeigen. Eine längere Serie gab es zuletzt im vergangenen Jahr von Ende September bis Mitte November. In dieser Phase fiel der Dax zunächst um acht Prozent, ehe der Index eine Rally startete, im Zuge dessen er mehr als 25 Prozent zulegte und bis auf ein Rekordhoch von 18.567 Punkten stieg.
Euphorie ist abgebaut
Während dieser Rally erreichte die Stimmung zweimal euphorische Höhen: zum Jahreswechsel und Ende März/Anfang April. Im ersten Fall baute sich die Euphorie über eine längere Phase ab, in der sich der Dax seitwärts bewegte. Im aktuellen Fall fielen Stimmung und Börsenkurse gemeinsam, der Dax gab in der Spitze um fünf Prozent nach.
„Damit wäre die Minimalvoraussetzung für eine Fortsetzung der Rally gegeben: Die Stimmung ist abgekühlt“, sagt Heibel.
Doch tatsächlich blicken die Umfrageteilnehmer optimistischer in die Zukunft. Mit einem Wert von minus 0,4 Punkten ist die Zukunftserwartung nahezu neutral – das ist der höchste Stand seit Anfang Februar. In den vergangenen Wochen hatten Anleger noch deutlich pessimistischer nach vorn geschaut.
Dazu passt, wie sich das Euwax-Sentiment der Börse Stuttgart entwickelt hat, an der Privatanleger handeln. „Es ist auf 5,0 Punkte geklettert und signalisiert schon wieder einen gestiegenen Optimismus. Privatanleger kaufen verstärkt Call-Optionen, spekulieren also auf steigende Kurse“, sagt Heibel.
Für das Euwax-Sentiment werden die Käufe von Call- und Put-Optionsscheinen ausgewertet. Mit Calls setzen Anleger auf steigende Kurse, mit Puts sichern sie sich gegen fallende Kurse ab. Dadurch zeigt das Euwax-Sentiment, mit welcher Marktbewegung Privatanleger rechnen: Ist der Wert positiv, setzt die Mehrheit auf einen steigenden Dax. Ist er negativ, gehen sie eher von fallenden Kursen aus.
Profis erhöhen Absicherungen
Eine ähnlich positive Tendenz zeigt in der Handelsblatt-Umfrage die Investitionsbereitschaft. Mit plus 0,8 Punkten hat sie ebenfalls den höchsten Stand seit Anfang Februar erreicht. Jeder Fünfte will in den nächsten beiden Wochen kaufen.
Für Heibel reicht das aber nicht für ein klares Einstiegs- oder Kaufsignal. Auch weil der vorsichtige Optimismus die Profianleger nicht erfasst hat. Wie deren Handeln an der europäischen Terminbörse Eurex zeigt, erhöhen diese ihre Absicherungen gegen fallende Kurse.
Der Geschäftsführer des Analysehauses AnimusX resümiert daher: „Ich würde die aktuelle Sentimentlage als neutral bezeichnen. Einen Schiefstand, der in die eine oder andere Richtung Druck auf den Dax ausüben würde, besteht derzeit aus Sicht der Sentimentanalyse nicht.“
Anleger können sich damit komplett auf die laufende Berichtsaison konzentrieren, sagt Heibel. „Einzeltitel reagieren auf die Zahlen, mal positiv mit Kurssprüngen auf positive Überraschungen, mal negativ mit Kursstürzen auf negative Überraschungen. Dies dürfte aus Sicht unserer Sentimentanalyse auch in der kommenden Woche so bleiben.“