Das Ende der Öko-Marken
Henkel wollte mit Öko-Reinigern den Marktführer „Frosch“ angreifen. Doch jetzt stellt der Konzern die Marke „Love Nature“ wegen Erfolglosigkeit ein. Es ist nur ein Beispiel für eine neue Strategie der Branche – ohne reine Öko-Marken. Diese haben ihr Alleinstellungsmerkmal verloren.
Die Öko-Marke „Love Nature“ verschwindet aus dem Sortiment von Henkel dpa/Jan-Philipp Strobel
Der selbstgesetzte Anspruch war groß: „Wir möchten gemeinsam etwas bewegen, und wir wollen, dass es sich gut anfühlt, bewusst zu leben“, schrieb der Henkel-Konzern vor vier Jahren zum Start seiner jungen Öko-Marke „Love Nature“. Der Hersteller von Klassikern wie „Persil“, „Somat“ und „Pril“ wollte mit zertifizierten Öko-Reinigern vor allem den Nischenmarktführer „Frosch“ angreifen. Doch das Vorhaben ist krachend gescheitert.
Henkel stelle die Marke komplett ein, bestätigt der Konzern einen Bericht der „Lebensmittel Zeitung“. Im Gegenzug gebe es neue Öko-Konzepte für etablierte Produkte: „Wir glauben, dass wir mit unseren etablierten Marken den größten Einfluss haben, um Nachhaltigkeit in unseren Produktkategorien umzusetzen“, sagte eine Konzernsprecherin WELT zu dem Schritt.
Das Aus ist ein Zeichen für einen generellen Umschwung bei den großen Konsumgüterkonzernen: Weg von speziellen Öko-Marken zu mehr Nachhaltigkeit quer durchs Sortiment – teils allerdings mit geringerem Anspruch.
Bei Henkel ist „Love Nature“ bereits der zweite Versuch, der schiefgeht. 2008 rief Henkel schon einmal eine Öko-Reiniger-Marke ins Leben. „Terra“ verschwand nach fünf Jahren aus den Regalen. In beiden Fällen war der ausbleibende Markterfolg die Ursache. Die Kunden kauften Henkels Öko-Reiniger schlichtweg nicht.
Auch der Neustart „Love Nature“ hat nur magere 0,35 Prozent Marktanteil in Deutschland erstritten – angepeilt waren bis zu fünf Prozent. Damit hätte „Love Nature“ ähnlich groß werden sollen wie das Vorbild „Frosch“ des Mainzer Chemiekonzerns Werner & Mertz.
Henkel schaute sich dafür einiges ab: Wie bei „Frosch“ kamen die Haushaltsreiniger und Waschmittel in bunten Farben und mit ungewöhnlichen Düften daher. Zunächst füllte Henkel die Produkte in ausgefallene Flaschen ab und stellte Nachfüllstationen in Drogeriemärkte. Als der Erfolg ausblieb, überarbeitete Henkel Logos und Verpackungen – und speckte ab. Die aktuellen Verpackungen sind konventioneller, Kosten treibende Nachfüllstationen gibt es längst nicht mehr.
Kundenfeld für Öko-Reiniger ist begrenzt
Das Sortiment, dessen Reste nun noch abverkauft werden, zeigt die Probleme der Strategie. Wasch- und Reinigungsmittel sind für die meisten Menschen Produkte, die wenig Interesse wecken. Der größte Teil der Waschpulver wird daher über Sonderangebots-Aktionen verkauft: Die meisten Kunden sind wenig markentreu und schauen vor allem auf den Preis. Damit ist das Kundenfeld für Öko-Reiniger von vornherein begrenzt.
Wer sich wirklich für Details der Produkte interessiert, fand bei Henkels „Love Nature“ zuletzt eine große Ähnlichkeit zum konventionellen Sortiment: Die Öko-Marke brachte als Innovation etwa einfach einen Ableger von gepressten Waschpulver-Riegeln, mit deren Hilfe auch „Persil“ auf nachhaltige Pappverpackungen umschwenkte. Ein Alleinstellungsmerkmal fehlte.
Spülmaschinen-Tabs der Marke „Love Nature“ kamen sogar vom Lohnfertiger Chemolux: Die gleichen Produkte gibt es so etwa bei Edeka unter der Öko-Eigenmarke-Marke „Respekt“ – nur zum niedrigen Preis. Und der war in Inflationszeiten ein wichtiges Argument.
Es sind daher solche Eigenmarken des Handels, die Konzern-Öko-Marken effektiv Konkurrenz machen. DM etwa etabliert seine Reihe „Denkmit Nature“, Rossmann hat „Eco Freunde“ neu gestartet, Müller punktet mit „Blink Öko“. Den Händlern helfen diese Eigenmarken, das eigene Image zu polieren.
Dominierend bleibt allerdings „Frosch“, das 1986 als erste große Öko-Marke in die Supermärkte kam und sich dank der Werbung mit dem gezeichneten fröhlichen Frosch zu einer Marke mit treuer Anhängerschaft gemausert hat.
Eigene Öko-Marken stehen kaum noch im Fokus
Dazu kommen einige kleine Öko-Marken, die oft speziell für Bio-Läden mit ihrem zahlungskräftigen Publikum produzieren. Für große Konzerne wie Henkel ist dieser Verkaufskanal aber viel zu klein. Zudem fehlt ihnen bei eingefleischten Biomarktkunden die nötige Glaubwürdigkeit.
Die großen Konzerne schwenken aus all diesen Gründen um. Eigene Öko-Marken stehen kaum noch im Fokus – anders als vor einigen Jahren. 2016 hatte Unilever eigens die US-Öko-Marke „Seventh Nation“ übernommen, ein Jahr später kaufte SC Johnson das belgische Unternehmen Ecover. Doch die hohen Wachstumshoffnungen erfüllten sich unter den Konzerndächern allerdings nicht.
Zugleich entstanden etliche neue Firmen in dem Feld – in Deutschland etwa Everdrop. Das Start-up, das als Hersteller von Putzmittel-Kapseln zum Auflösen begonnen hat, ist laut „Crunchbase“ von Investoren wie HV Capital und Vorwerk Ventures mit knapp 100 Millionen Euro Risikokapital ausgestattet worden. Solche Start-ups führen zu noch mehr Konkurrenz auf dem engen Markt. Die Hoffnung der Investoren, ihre neue gegründeten Marken nach einigen Jahren gewinnbringend an die Konzerne verkaufen zu können, verpufft unterdessen zusehends.
Das liegt auch an Fehlschlägen bei Übernahmen von Start-ups: Der „Nivea“-Hersteller Beiersdorf etwa hat die Biokosmetikmarke „Stop The Water While Using Me“ nur wenige Jahre nach dem Zukauf eingestellt. Auch Henkel hat den Zukauf „Hello Body“ nur zwei Jahre behalten.
Die Konzerne von P&G über Unilever bis Henkel gehen nun einen anderen Weg. Sie laden ihre Standard-Produkte mit immer mehr Nachhaltigkeits-Versprechen auf. Pflanzliche Tenside und Flaschen aus Recycling-Plastik, einst Domäne der dezidierten Öko-Marken, werden immer mehr zum Standard bei Marken wie „Viss“ (P&G), „Somat“ (Henkel) oder „Meister Proper“ (Unilever).
Massenmarken müssen nachhaltiger werden
Hintergrund sind die Nachhaltigkeitsziele der Konzerne: Sie buhlen um nachhaltig orientierte Anleger und haben daher Öko-Ziele und Nachhaltigkeitsberichte ausgebaut. Zudem müssen sie wie die gesamte Wirtschaft langfristig klimaneutral werden. Dafür müssen die großen Massenmarken nachhaltiger werden – und nicht nur die kleinen Nischenprodukte. „In den letzten Jahren wurde deutlich, dass Verbraucherinnen und Verbraucher zunehmend nachhaltige Produkte erwarten. Daher möchten wir unsere Bemühungen darauf konzentrieren, unsere Kernmarken noch nachhaltiger zu gestalten“, sagte die Henkel-Sprecherin.
Und: Neue Vorschriften erzwingen schlicht Maßnahmen wie den Einsatz von Recycling-Plastik. Schließlich macht die EU in ihrer kürzlich verabschiedeten Verpackungsverordnung konkrete Vorgaben. So verspricht auch Henkel neuerdings, 50 Prozent Recycling-Kunststoff bei seinen Waschmittelflaschen zu verwenden.
Die Öko-Marken verlieren somit ihren – ohnehin gelegentlich zweifelhaften – Nachhaltigkeitsvorsprung. Das gilt besonders, weil nicht alle Öko-Marken allgemein anerkannte Zertifizierungen wie das EU-Öko-Label oder den Umweltengel nutzen.
Das erschwert es zusätzlich, sich gegen grün angestrichene Massenmarken abzusetzen – auch wenn deren Versprechen teils zweifelhaft sind. Henkel etwa rechnet seine konventionelle Geschirrspülmarke „Somat“ beim Thema Bioenergie in der Fabrik schön, indem es das werkseigene Gas- und Kohlekraftwerk in Düsseldorf anderen Produktbereichen zuordnet.
Im Fall Henkel kommt bei der Abschaffung von „Love Nature“ dazu, dass der Konzern ohnehin kleinere Marken zur Disposition stellt, um Marketingbudgets gezielt für die starken Angebote einsetzen zu können. Die Strategie geht offenbar auf: Trotz des Aus für „Love Nature“ setzte der Dax-Konzern seine Prognose für Umsatz und Gewinn 2024 am 3. Mai leicht herauf – und versetzte seiner gebeutelten Aktie so ein Plus von zeitweise fast sieben Prozent.