Darum waren Frauen früher viel kleiner als Männer
Wie gross Menschen maximal werden können, ist in den Genen vorbestimmt. Wie gross sie wirklich werden, hängt aber von äusseren Einflüssen ab, wie eine Untersuchung von Skeletten aus der Jungsteinzeit zeigt.
Was wollten die Forscher wissen?
Welche Körpergrösse Menschen erreichen können, ihr sogenanntes Wachstumspotenzial, ist genetisch festgelegt. Wird es nicht erreicht, können Umwelteinflüsse, Stress, Ernährung, Krankheiten oder auch kulturelle Faktoren verantwortlich sein. Frühere Studien haben gezeigt, dass Menschen in der Jungsteinzeit, die in der Schweiz mit dem Übergang zu Ackerbau und Viehzucht um 5500 v. Chr. begann, nicht ihr volles Wachstumspotenzial ausschöpften.
Laut der Co-Autorin der Studie Nicole Nicklisch von der österreichischen Danube Private University waren in den frühbäuerlichen Kulturen etwa in Sachsen-Anhalt die Männer im Mittel circa 1,63 Meter und die Frauen im Mittel 1,50 Meter gross, wie sie der Deutschen Presse-Agentur sagte. Ein internationales Forschungsteam unter der Führung der University of Pennsylvania hat nun untersucht, welche der möglichen Faktoren ausschlaggebend waren.
Wie gingen die Forschenden vor?
Das Team unter der Leitung von Samantha Cox untersuchte die Überreste von 1535 Individuen aus der Jungsteinzeit aus dem nördlichen Mitteleuropa, dem südlichen Mitteleuropa, vom Balkan und aus dem Mittelmeerraum mit einem Alter zwischen 6000 und 8000 Jahren. Anhand von alter DNA wurden das Wachstumspotenzial, die Ernährung, Anzeichen für Mangelzustände und Krankheiten analysiert. Zudem wurden die Skelette vermessen.
Welche Erkenntnisse wurden gewonnen?
Die Studie zeigte, dass es in Nordmitteleuropa bei beiden Geschlechtern grossen Umweltstress gab und dass besonders Frauen deutlich kleiner waren, als von ihrem Wachstumspotenzial her zu erwarten war. Die Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass kulturelle Präferenzen es Knaben ermöglichten, den auf beiden Geschlechtern lastenden Umweltstress besser zu kompensieren und somit grösser zu wachsen als Mädchen. Co-Autorin Eva Rosenstock von der Universität Bonn sagt dazu: «Mögliche Ursachen könnten Vorteile sein, wie etwa eine bessere Ernährung oder mehr Zuwendung während der Wachstumsphase.» Dies, weil Männer für die Gemeinschaft als wichtiger angesehen wurden, da sie die schweren Arbeiten, etwa auf dem Acker, ausführen mussten.
Bei den untersuchten Skeletten aus dem Mittelmeerraum erwies sich der Unterschied zwischen den Geschlechtern geringer. Das deutet laut den Forschenden darauf hin, dass es keine kulturellen Faktoren gab, die männliche Individuen besser vor den Auswirkungen von Stress schützten. Der nicht an der Studie beteiligte Anthropologe Jörg Orschiedt sagte dazu der Deutschen Presse-Agentur: «Im Mittelmeerraum war das Klima wie heute gemässigter und die natürlichen Ressourcen reicher, was bessere Voraussetzungen für die Landwirtschaft und weniger schwere Arbeit bedeutete. Es gab keine Notwendigkeit, Männer bevorzugt zu behandeln.»
Die Studie ist im Fachjournal «Nature Human Behaviour» erschienen.