Sydney
Frauen möglicherweise gezielt getötet
Menschen trauern am Tatort.
Früh nach der Messerattacke in Sydney nennt die Polizei den Namen des mutmaßlichen Täters. Ein ungewöhnlicher Schritt, um Hass und Hetze entgegenzutreten.
Während es im deutschsprachigen Raum eher ungewöhnlich ist, den vollen Nachnamen eines mutmaßlichen Täters zu veröffentlichen, sind australische Medien dabei proaktiv. In der Eile passieren dabei jedoch auch immer wieder Fehler, so auch nach dem Vorfall am Samstag, als bei einer Messerattacke in Sydney sechs Menschen getötet wurden. Ein Fernsehsender gab einen falschen Namen des Täters an, der dann auch schnell im Internet kursierte. Der Beschuldigte war allerdings völlig unschuldig.
Während der Sender sich entschuldigte und den Fehler entfernte, explodierten im Internet dagegen weitere Falschbehauptungen und Gerüchte über den Amoklauf in einem Einkaufszentrum, bei dem der mutmaßliche Täter von einer Polizistin erschossen wurde. Vor allem als erste Videos des Attentäters auftauchten, überschlugen sich die Spekulationen über dessen kulturellen Hintergrund.
Laut der Desinformationsforscherin Esther Chan waren vor allem „islamfeindliche und einwanderungsfeindliche Kommentare“ in den Stunden nach dem Messerangriff im Internet weit verbreitet. Es sei über die Hautfarbe, das Aussehen und die angebliche Religion des Täters spekuliert worden, wie sie gegenüber der australischen Ausgabe von „The Guardian“ sagte. Chan verwies dabei auch auf Einflussnahme aus dem Ausland: Mehrere X-Accounts mit Sitz außerhalb Australiens und großen Fangemeinden wären unter den ersten gewesen, „die diese teilweise unbestätigten Videos zusammen mit Kommentaren mit rassistischem oder islamfeindlichem Unterton geteilt haben“, sagte sie.
Laut „Guardian Australia“ war darunter Julia Hartley-Brewer, eine Moderatorin des britischen Senders „TalkTV“, die behauptete, der Angreifer sei ein „islamistischer Terrorist“. Dies stellte sich später als falsch heraus. Auch der Britain First-Mitgründer Paul Golding verbreitete laut der Zeitung ähnliche Behauptungen.
Gleichzeitig kursierte aber auch ein jüdischer Name im Netz. Es sei „äußerst enttäuschend“ zu sehen, wie Tausende Menschen „gedankenlos Fehlinformationen verbreiten“ würden, ohne auch nur den geringsten Gedanken an Faktenprüfung oder mögliche Konsequenzen zu verschwenden, schrieb der betroffene Mann in einer Erklärung gegenüber „Guardian Australia“. Das Jewish Council of Australia schrieb in einem Post auf X, dass die Falschbehauptungen verbreitet worden seien, um Antisemitismus zu fördern. „Wir verurteilen entschieden alle Versuche, nach diesem schrecklichen Ereignis Angst, Hass oder Diskriminierung gegenüber Migranten, Muslimen oder Juden zu schüren“, wurde Max Kaiser zitiert, der der jüdischen Organisation vorsteht.
Zweiter Vorfall
Wie die Polizei mitteilte, kam es am Montag in Sydney erneut zu einem Messerangriff. Der mutmaßliche Angreifer wurde festgenommen, nachdem er im Westen der Stadt auf Menschen eingestochen hatte. Demnach wurde niemand lebensgefährlich verletzt. Medien zufolge ereignete sich die Tat in einer Kirche. afp
Um diese beunruhigenden Entwicklungen so rasch wie möglich einzudämmen, entschied sich die australische Polizei dazu, den Namen und Hintergrund des mutmaßlichen Angreifers ungewöhnlich früh öffentlich zu nennen, wie am Montag bekannt wurde. Australien, das als Einwanderungsland eine große muslimische wie auch jüdische Gemeinde hat, die grundsätzlich friedlich nebeneinander leben, ist auf seinen Multikulturalismus stolz. Politik und Behörden sind deswegen stets darauf bedacht, mögliche Unruheherde früh im Keim zu ersticken.
Auch in diesem Fall zeigte sich Australiens Premierminister Anthony Albanese aufgrund der Berichte sofort alarmiert. Der Sozialdemokrat sagte am Montag, die falschen Anschuldigungen hätten ihn beunruhigt. „Soziale Medien können eine gute Sache sein, aber sie können auch eine Quelle massiver Störungen sein“, sagte er. Soziale Medien hätten bewirkt, dass alle zu Verlegern werden.
18 Opfer, drei davon Männer
Während Australiens Polizei weiter davon ausgeht, dass der Angriff weder religiös noch politisch motiviert war, und inzwischen bekannt ist, dass der mutmaßliche Täter unter psychischen Problemen litt, so steht nach wie vor die Frage im Raum, ob er gezielt Frauen ins Visier genommen hat. Fünf der insgesamt sechs Toten sind Frauen. Auch unter den zwölf Verletzten sind neun Frauen und ein neun Monate altes Mädchen.
Die Polizeikommissarin Karen Webb sagte am Montag dann auch auf die Frage, ob der mutmaßliche Täter Männer gemieden und gezielt Frauen und Kinder ins Visier genommen habe: „Die Videos sprechen für sich, nicht wahr?“ Für sie und die Ermittler:innen sei es „offensichtlich“, dass er sich auf Frauen konzentriert und Männer gemieden habe. „Wir wissen nicht, was im Kopf des Täters vorging“, sagte sie. Nun sei es wichtig, dass die Ermittler:innen diejenigen befragten, die den Mann persönlich kannten und ihm nahe standen.
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