Baerbock in Ostafrika: Fünf Punkte gegen den Krieg

baerbock in ostafrika: fünf punkte gegen den krieg

In Kenia: Außenministerin Baerbock und der kenianische Präsident Ruto

Auch am Horn von Afrika versucht Außenministerin Annalena Baerbock Impulse für ­Vermittlungsbemühungen in einem schweren Konflikt zu setzen. Nachdem sie wegen einer fehlenden Überfluggenehmigung für Eritrea die erste Station ihrer Reise, Djibouti, streichen musste, landete sie am Donnerstag schließlich in Kenia und flog am Freitag weiter nach Südsudan. Ein wichtiger Punkt bei den Gesprächen in beiden Ländern war der blutige Machtkampf in Sudan. In den vergangenen Monaten waren schon mehrere Vermittlungsversuche im Sande verlaufen.

Baerbock trug nach einem Treffen mit dem kenianischen Präsidenten William Ruto am Donnerstagabend eine Fünf-Punkte-Initiative vor, um die Vermittlungsbemühungen wieder voranzubringen. Der „schreckliche Krieg in Sudan ist aus unserer europäischen, aus unserer deutschen Öffentlichkeit weitgehend verschwunden“, sagte sie. Aber man müsse auch für Länder wie Kenia da sein, „wenn in ihrer Region ein Krieg ausbricht und droht, die ganze Region weiter zu destabilisieren“.

Solche Sätze kommen in der krisengebeutelten Gegend gut an. Die Baerbock-Reise sei positiv, denn die Kämpfe in Sudan erhielten nicht die Aufmerksamkeit auf internationaler Ebene, die angemessen sei, sagt Kholood Khair, Gründerin der Denkfabrik Confluence Advisory, im Gespräch mit der F.A.Z. „Der Besuch zeigt nicht nur den Generälen in Sudan, sondern der gesamten Region, dass Deutschland den Konflikt ernst nimmt.“ Allerdings sei bisher nicht erkennbar, welche wirksamen Druckmittel Deutschland und andere westliche Staaten einsetzen könnten, um die verfeindeten Generäle an den Verhandlungstisch zu bringen.

Seit neun Monaten bekämpfen sich in Sudan zwei rivalisierende Militärfraktionen: die sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter der Führung von Sudans oberstem General und faktischem Staatslenker Abdel Fattah al-Burhan und die „Schnellen Unterstützungskräfte“ (RSF), eine von General Mohamed „Hemedti“ Hamdan Dagalo kommandierte paramilitärische Einheit. Beide Männer hatten nach der Diktatur von Omar al-Baschir im Jahr 2021 gemeinsam die zivile Übergangsregierung gestürzt. Doch dann kam es zum Bruch und einem Machtkampf, in dessen Folge schon mehr als 7,5 Millionen Menschen vertrieben und unzählige getötet wurden. Fast die Hälfte der 49 Millionen Einwohner Sudans ist auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Vereinten Nationen und größere Hilfsorganisationen haben das Land verlassen. Baerbock wollte im Nachbarland Südsudan eine Flüchtlingssiedlung besuchen, um einen Eindruck von der dramatischen Lage zu bekommen.

Wie lässt sich Druck auf die Konfliktparteien ausüben?

Als Druckmittel hatte der Europäische Rat vor der Baerbock-Reise Sanktionen gegen sechs Unternehmen verhängt. Drei Unternehmen werden demnach von der SAF kontrolliert, die anderen drei sollen militärisches Gerät an die RSF liefern. Das gehörte zum vierten Punkt, den Baerbock in Kenia vortrug: Diplomatischer Druck allein reiche nicht aus, sagte sie. „Es braucht gezielte Sanktionen, um den Druck auf die Konfliktparteien zu erhöhen.“ Aus Sicht von Analystin Khair jedoch kommen die Sanktionen „zu spät, sie reichen nicht aus, und sie sind nicht Teil einer EU-Strategie für den Sudan“. Nach einem Bericht von Bloomberg hatte allein die RSF mindestens 50 Lieferanten. Sanktionen funktionierten zudem nicht in einem „politischen und strategischen Vakuum“.

Stattdessen müsse Druck auf die ausländischen Unterstützer der Generäle ausgeübt werden, die den Konflikt offensichtlich finanzierten und beide Seiten mit Waffen versorgten. Doch das ist kein einfaches Unterfangen. Die Streitkräfte von General al-Burhan, die von vielen Menschen in Sudan und in der Diaspora als nationale Institution betrachtet werden, können seit Langem auf Ägypten setzen. Die SAF werden Berichten zufolge auch von Iran unterstützt. Und dessen Interesse an Sudan dürfte seit den Angriffen der jemenitischen Huthi-Rebellen auf Schiffe im Roten Meer noch gewachsen sein.

Die RSF wiederum haben Berichten zufolge die Vereinigten Arabischen Emirate auf ihrer Seite. In einem Expertenbericht für den UN-Sicherheitsrat wurden in dieser Woche „glaubwürdige“ Belege für militärische Unterstützung und wöchentliche Waffenlieferungen genannt. Die Emirate wiesen dies zurück. Sie hätten „durchgehend auf eine Deeskalation, einen andauernden Waffenstillstand und diplomatischen Dialog“ gedrungen. Zudem hätten sie mit 122 Flugzeugen humanitäre Hilfen ins Land gebracht. Enge Beziehungen sollen zwischen den RSF und der russischen Söldnergruppe Wagner bestehen. Baerbock sagte, es sei ihr dritter Punkt, ein Libyen-Szenario zu verhindern, „denn sonst droht das Land zu zerfallen und die ganze Region ins Chaos zu stürzen“. Ein Schlüssel dafür sei, die militärische Unterstützung der Konfliktparteien von außen zu unterbinden. „Dazu gehört, Waffenlieferungen konsequent aufzudecken.“

Es kam zum Eklat

Bisher spielen – abgesehen von den USA und Saudi Arabien – die Afrikanische Union (AU) und die Regionalorganisation IGAD eine Schlüsselrolle in den Vermittlungsbemühungen. Vor wenigen Tagen kam es zu einem Eklat, als der sudanesische Außenminister wütend die IGAD-Mitgliedschaft aussetzte, weil die Organisation „Hemedti“ zu einem Treffen in Uganda eingeladen hatte. Außerdem gibt es ein Tauziehen zwischen der AU und IGAD, wer federführend in den Verhandlungen sein soll. Die AU richtete unlängst ein aus drei Mitgliedern bestehendes „High-Level-Panel“ zu Sudan ein. Dessen Strategie ist allerdings noch unklar. Baerbock nahm auch darauf Bezug: Erstens sehe man, wie wichtig es sei, dass die internationale Vermittlung stärker zusammengeführt werde, um die verschiedenen Stränge zu koordinieren, sagte sie und lobte die Rolle Kenias. Und zweitens müsse man zivile sudanesische Akteure im Exil und in ihrer Heimat unterstützen.

In Sudan kontrollieren die RSF mittlerweile die Hauptstadt Khartum und große Teile von Darfur. Die SAF indes hat die Oberhand im Osten des Landes und hat ihren Hauptsitz in den Hafenort Port Sudan verlegt. Andere Regionen werden von unterschiedlichen Milizen kontrolliert. Unter den derzeitigen Kampfbedingungen sei es unwahrscheinlich, dass die SAF in der Lage wäre, die Kontrolle über große Teile des Landes zu gewinnen, sagt die sudanesische Analystin Khair, die ihr Land wie so viele verlassen hat.

Ein Sieg der RSF würde jedoch nicht automatisch ein Ende der Kämpfe bedeuten. Vielmehr dürften sich die SAF aufsplitten und islamistische und andere Kämpfer rekrutieren. Beide Generäle zeigten deutlich, dass sie kein Interesse an einer Rückkehr einer zivilen demokratischen Regierung haben, für die die Menschen noch 2019 zu Massendemonstrationen auf die Straßen gezogen waren. „In diesem Krieg geht es nicht um Ideologien, es ist ausschließlich ein Kampf um Macht, Geld und Einfluss.“

So bleibt Punkt fünf von Baerbocks Initiative: Man müsse „ein grelles Licht auf die schrecklichen Verbrechen werfen, die beide Kriegsparteien jeden Tag im Sudan begehen“, sagte sie. „Denn das Gefühl, dass sowieso niemand hinschaut, schafft ein Klima der Straflosigkeit und verstärkt damit weiter die Gräueltaten.“

Nach Baerbocks Besuch in Südsudan steht noch eine weitere kurzfristig hinzugefügte Station an, bei der die Vermittlungsbemühungen weitergehen: In Jordanien wird sie am Samstag erwartet, um über die Lage im Gazakrieg zu sprechen.

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