Präsident Mathias Schäfer: Der Frust der Fertighausbauer

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Serienproduktion verlangsamt: Die Fertighausbranche leidet unter Konjunktur und Vorschriften.

Dass der Bau von Holzhäusern nicht mehr von kleinteiligen Zimmermannsarbeiten bestimmt wird, sondern von industrieller Produktion, ist in den Werkhallen von Mathias Schäfer offensichtlich. Hier rotieren jede Menge Roboter, sie wuchten Spanplatten, montieren Fachwerkwände, verputzen große Flächen. In einer der Hallen, rund 2500 Quadratmeter groß, arbeiten heute gerade mal zwei Mann, einer bereitet vor, der andere überwacht. Der Rest ist automatisiert. Finger Haus aus dem nordhessischen Ort Frankenberg an der Eder – rund 250 Millionen Euro Umsatz im Jahr, knapp 1000 Beschäftigte – ist ein Schwergewicht unter den deutschen Fertighausherstellern. Und Schäfer, der geschäftsführende Gesellschafter, sagt selbstbewusst: „Unsere Branche hat das serielle Bauen erfunden.“ Außerdem sei sie „flexibler als die Autoindustrie“, denn kein Haus sei wie das andere.

Schäfer ist aber nicht nur Unternehmer, sondern auch Präsident des Bundesverbandes deutscher Fertigbau, und deshalb geht sein Blick über Frankenberg und den eigenen Betrieb hinaus. Er ist erst seit zwei Jahren im Amt, aber dass er eine unruhige Zeit für diese Zusatzaufgabe erwischt hat, ist offensichtlich. Die schwache Baukonjunktur hat auch die rund fünfzig deutschen Fertighausbauer ausgebremst, die in den vergangenen beiden Jahren jeweils 40 bis 50 Prozent ihrer Aufträge verloren haben. „Es ist ein nie erlebter Absturz im Auftragseingang, den unsere Branche erlebt hat, seit ich Präsident bin“, sagt Schäfer. Wenn es auf der Auftragsseite so weitergehe wie zuletzt, „dann bekommen wir Probleme“. Und zwar über die bisherigen Anpassungen in den Unternehmen – Zweischicht- statt Dreischichtbetrieb, Verzicht auf die Neubesetzung von Stellen, zum Teil deren Streichung – hinaus. Aber gegen hohe Bodenpreise und Zinsen, die Inflation und eine nicht gerade enthusiastische politische Förderung des Bauens anzukommen ist schwierig. Potentielle Kunden sind verunsichert. Viele trauen sich einen Hauskauf nicht mehr zu.

Da nutzt es wenig, dass der Baustoff Holz als nachhaltig und umweltschonend gilt und die Branche sich als elementar für klimafreundlicheres Bauen sieht. Der Gegenwind ist zu groß. „Die Bundesregierung will das Eigenheim eigentlich nicht“, sagt Schäfer. „Aber sie stellt sich damit gegen den Willen großer Teile der Bevölkerung.“ So komme es, dass zwar neue Verteillager von Amazon mit ihrem enormen Flächenverbrauch bejubelt würden, den Einfamilienhäusern aber – Hauptprodukt der Branche – vorgehalten werde, sie benötigten zu viel Platz. Kein Wunder, dass die Bauförderung unentschlossen und unstet sei. Man wisse nie, wann sich die Förderung wieder ändere, wann Fördertöpfe leer seien und was als Nächstes komme. „Das Umfeld in Deutschland war schon mittelstandsfreundlicher. Seit zwei Jahren leben wir mit einem regelrechten Förderchaos, das nur Unsicherheit bringt und die Unternehmen viel Umsatz gekostet hat“, sagt Schäfer. „Der Patient Bauwirtschaft liegt auf der Intensivstation, aber er soll mit homöopathischen Mitteln am Leben gehalten werden.“

Erst mal unbeschadet durch das aktuelle Tief kommen

Die Unternehmen suchen sich derweil neue Geschäftsfelder, zum Beispiel mehrgeschossige Wohnhäuser, Kindergärten, Schulen, Ärztehäuser, kommunale Gebäude und so weiter. Auch Finger Haus, wo derzeit 18 Häuser in der Woche gebaut werden, geht in diese Richtung. Allerdings scheine man sich in Teilen der Politik immer noch zu wundern, „dass wir Fertighausbauer das können“. Vonseiten der Produktion ist das längst kein Problem mehr. Allerdings müssen die Unternehmen, die ihre klassischen Produkte zumeist über Musterhaussiedlungen verkaufen, ihren Vertrieb neu organisieren. Referenzprojekte sind hier der Schlüssel zum Erfolg, und an die muss man erst mal herankommen.

Vorerst bleiben Einfamilienhäuser das Produkt, an dem sich der Zustand der Branche ablesen lässt. Der Fertigbau-Anteil von knapp 25 Prozent bei Neubauten von Einfamilienhäusern sei eine gute Entwicklung, sagt Schäfer. „Aber aktuell nutzt er uns leider wenig, weil der Kuchen immer kleiner wird. Außerdem sollten wir uns perspektivisch 35 bis 40 Prozent vornehmen.“ Dafür müssen die Unternehmen erst mal unbeschadet durch das aktuelle Tief kommen. Immerhin habe das Jahr 2023 hinsichtlich der Aufträge besser angefangen als 2022. Man brauche aber eine „Verstetigung“ dieses Trends.

Und selbst die würde Schäfer und seiner Klientel eine Sorge nicht nehmen können, die er als eine der größten Zumutungen unter all den Verwerfungen sieht. Es ist eine Regelung aus dem Kleingedruckten, die außerhalb der Unternehmen kaum jemand wahrnimmt, die diese aber besonders hart trifft. Es geht um die Beiträge zur Berufsgenossenschaft, eine Pflichtabgabe also, die normalerweise kein Aufreger ist, Mathias Schäfer aber auf die Palme bringt: „Bei allen Problemen ärgert mich die Verdoppelung der Beiträge zur Berufsgenossenschaft am meisten – man hat uns regelrecht vor die Wand fahren lassen.“

Hintergrund: Die Fertighausbauer werden Zimmereibetrieben gleichgestellt, halten beides aber für nicht vergleichbar – denn ihre Fertigung hat sich grundsätzlich gewandelt, und in den Hallen, in denen die Häuer vorab gebaut werden, die dann auf den Baustellen nur noch zusammengefügt werden, sei es für die Beschäftigten ungefährlicher denn je. Er mache heute mehr Umsatz, habe mehr Leute – aber trotzdem seien Unfälle viel seltener, sagt Schäfer. Auf sein Unternehmen kommen Mehrkosten von 750.000 Euro im Jahr zu, und das für die nächsten sechs Jahre. Die Fertighausbauer hoffen noch auf die Ergebnisse eines Rechtsgutachtens, das von Unzumutbarkeit ausgeht und ihre Grundrechte verletzt sieht. Der Ausgang ist aber ungewiss. Nur eines ich sicher: Diese zusätzliche Baustelle kommt für die ohnehin gebeutelte Branche zur Unzeit.

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