Mit Schlusswort von Lafontaine: Was vom ersten Parteitag des BSW zu erwarten ist

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Sahra Wagenknecht will mit einem EU-skeptischen Programm in die Europawahl ziehen.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) kommt am Samstag zum ersten Mal zu einem Parteitag zusammen. Im Berliner Kosmos Kino – ehemals der größte Filmpalast der DDR, heute eine Eventlocation – will die neu gegründete Partei ihr Programm und die Kandidatenliste für die Europawahl beschließen. Es geht aber nicht nur darum, inhaltliche und organisatorische Fragen mit Blick auf das Superwahljahr 2024 zu klären, sondern auch darum, sich als neue Partei professionell zu präsentieren.

Die Partei arbeitet mit Hochdruck daran, Strukturen für die vier großen Wahlen in diesem Jahr aufzubauen. Nach der Europwahl am 9. Juni werden im September in drei Ländern in Ostdeutschland neue Landtage gewählt: am 1. September in Thüringen und Sachsen, am 22. September in Brandenburg. Im Sachsentrend, den Infratest dimap im Auftrag des MDR durchführte, wurde das BSW diese Woche bei der Sonntagsfrage mit acht Prozent drittstärkste Kraft, mit deutlichem Abstand nach AfD und CDU und knapp vor der SPD. In Brandenburg und Thüringen kam das BSW zuletzt in Umfragen auf höhere Werte.

mit schlusswort von lafontaine: was vom ersten parteitag des bsw zu erwarten ist

Sahra Wagenknecht kommt am Samstagmorgen im Kino Kosmos in Berlin an.

Bevorzugt die CDU das BSW vor der Linken?

In Thüringen konnte das BSW zuletzt prominente Politiker gewinnen. In der vergangenen Woche kündigte die langjährige Linkenpolitikerin und Oberbürgermeisterin von Eisenach, Katja Wolf, an zum BSW zu wechseln, was zu großer Verstimmung im Landesverband der Linkspartei geführt hat. Auch der frühere Bürgermeister von Hildburghausen, Tilo Kummer, will beim BSW mitmachen. Sowohl Kummer als auch Wolf saßen für die Linke schon einmal im Landtag.

In der F.A.Z. verteidigte Wolf ihren Wechsel. Angesichts der schwierigen politischen Verhältnisse in dem Bundesland sei eine neue Kraft zwingend nötig, um die „Erstarrung“ aufzubrechen und nach der Wahl eine „vernünftige Koalition“ möglich zu machen. In Thüringen ist seit seit fast vier Jahren eine Minderheitsregierung unter Führung der Linkspartei an der Macht. In den jüngsten Umfragen entfernte sich das rot-rot-grüne Bündnis allerdings immer weiter von einer möglichen Mehrheit.

„Ohne das BSW bestünde die Gefahr, dass nach der Wahl nur noch die CDU, die Linke und die AfD als wahrnehmbare Kräfte im Thüringer Landtag vertreten wären“, sagte Wolf der F.A.Z. Und die CDU hat nicht nur eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen, sondern auch mit der Linkspartei. Mit Blick auf eine Zusammenarbeit mit dem BSW hielten sich führende Landespolitiker zuletzt bedeckt. CDU-Fraktionschef Mario Voigt sagte, ihm gehe es „um eine ganz simple Frage: Mit wem gibt es einen politischen Wechsel in Thüringen?“

Kritik an „Regelungswut der EU-Technokratie“

Inzwischen haben sich auch einige Prominente dem BSW angeschlossen, unter ihnen der frühere Fußballprofi Andreas Buck, der Publizist Michael Lüders und der Musiker Joachim Witt. Zu den ersten Mitgliedern zählen laut einer Mitteilung der Partei auch mehrere Professoren, Gewerkschafter, Ärzte, Theologen, Autoren, Unternehmer und Unternehmensberater.

Sahra Wagenknecht und ihre Mitstreiter hatten die Partei am 8. Januar mit etwa 40 Personen gegründet. Zunächst sollten 450 Mitglieder aufgenommen werden, langfristig strebe man aber an, Volkspartei zu werden, sagte Fabio De Masi bei der Vorstellung der neuen Partei. Der Finanzfachmann und frühere Linkenpolitiker soll am Samstag zusammen mit dem langjährigen SPD-Politiker Thomas Geisel zum Spitzenkandidaten des BSW für die Europawahl gekürt werden. Geisel war einst Oberbürgermeister von Düsseldorf.

Im Entwurf zum Europaprogramm, das der F.A.Z. zunächst exklusiv vorlag, heißt es: „Die EU in ihrer aktuellen Verfassung schadet der europäischen Idee.“ Kritisiert wird unter anderem eine „Regelungswut der EU-Technokratie“. Gegebenenfalls solle sich Deutschland an EU-Regeln nicht halten, das BSW trete „für die Nichtumsetzung von EU-Vorgaben auf nationaler Ebene ein, wenn sie wirtschaftlicher Vernunft, sozialer Gerechtigkeit, Frieden, Demokratie und Meinungsfreiheit zuwiderlaufen“.

Konkret wird in dem 20 Seiten langen Papier gefordert, den Handel mit CO2-Zertifikaten abzuschaffen, dieser sei „völlig ungeeignet, um klimapolitische Ziele zu erreichen“. Verbrennermotore sollen unbefristet genutzt werden, bei der Energieversorgung wird die Rückkehr zu Importen von Öl und Gas aus Russland angestrebt.

Rede vom „Stellvertreterkrieg mit Russland“

„Europa muss eigenständiger Akteur auf der Weltbühne werden, statt Spielball im Konflikt der Großmächte und Vasall der USA zu sein“, heißt es in dem Entwurf. Der Krieg in der Ukraine wird als „blutiger Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland“ bezeichnet. Der Krieg sei zwar militärisch von Russland begonnen worden, „aber er wäre vom Westen verhinderbar gewesen und hätte längst beendet werden können“. Um Russland zur Aufnahme von Verhandlungen zu motivieren, soll Moskau demnach „der sofortige Stopp aller Rüstungsexporte in die Ukraine“ angeboten werden.

Am Samstag soll in Berlin auch der Parteivorstand gewählt werden. Sahra Wagenknecht will die Partei zusammen mit der früheren Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali führen. Beide werden beim Parteitag Reden halten, ebenso wie Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine. Er soll am Abend die Schlussworte sprechen. In dieser Woche war bekannt geworden, dass Lafontaine Mitglied des BSW ist.

Von Wagenknechts früherer Partei, der Linken, kam vor dem ersten Parteitag des BSW deutliche Kritik an dem Projekt. Die Linken-Vorsitzende Janine Wissler warf dem BSW in der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ vor, eine „nach rechts offene Agenda“ zu vertreten und verwies dabei etwa auf die Ablehnung des individuellen Rechts auf Asyl durch den BSW.

In dessen Entwurf für das Europawahlprogramm steht: „Menschen, die aus politischen, religiösen oder anderen Gründen verfolgt werden und deshalb aus ihrer Heimat fliehen müssen, haben ein Recht auf Asyl.“ Gleichzeitig spricht sich das BSW für Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und in Drittstaaten aus. Auch heißt es: Migration könne „nicht die Lösung für das Problem von Armut und Ungleichheit in der Welt“ sein.

Bartsch: Medienhype wird abebben

Der frühere Fraktionschef der Linkspartei, Dietmar Bartsch, sagte mit Blick auf die neue Partei um seine ehemalige Parteikollegin Wagenknecht, mit der er die Linkenfraktion zwischen 2015 und 2019 geführt hatte: „Der gegenwärtige Medienhype wird abebben.“

Am Ende werde sich „auf dem Platz“ zeigen, wie sie das BSW bewähre, „sprich insbesondere bei den Landtagswahlen im Osten und bei den anstehenden Kommunalwahlen“, sagte Bartsch der „Rheinischen Post“. Die Linkspartei werde „interessiert beobachten“, in welche Richtung sich die neue Partei entwickele.

Nachdem monatelang über eine Parteigründung durch Sahra Wagenknecht gemutmaßt worden war, hatten sie und neun weitere Abgeordnete im Oktober ihren Austritt aus der Linkspartei und die Gründung eines Vereins zur Vorbereitung der Parteigründung bekannt gegeben. Dadurch verlor die Linkspartei ihren Fraktionsstatus im Bundestag.

Damals trat auch Christian Leye aus der Fraktion aus, der nun Generalsekretär des BSW ist. Der Plattform „T-Online“ sagte er vor dem Parteitag am Samstag: „Eine Partei aus der Taufe zu heben, die von Tag eins an politisch in die Situation eingreifen kann, kostet Kraft. Aber wir sind auf einem guten Weg.“

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