Automobilbranche: Die Zulieferer schlagen Alarm

automobilbranche: die zulieferer schlagen alarm

Continental-Mitarbeiter der Elektromotoren-Produktion im Werk Nürnberg. Foto: dpadata-portal-copyright=

Die Zulieferindustrie ist unter Druck. Energiekosten, Fachkräftemangel, Umweltvorgaben und nicht zuletzt die Konkurrenz aus Fernost. Wie lange geht das noch gut?

Die Automobilzulieferer in Deutschland fühlen sich alleingelassen. Angesichts der lahmenden Konjunktur und der wachsenden globalen Konkurrenz wünschen sie sich Unterstützung von Bund und Europäischer Union (EU). „Die deutschen Zulieferer haben ein schwieriges Jahr 2023 hinter sich und befinden sich im Frühjahr 2024 in einer kritischen Phase“, sagt Christian Vietmeyer, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie.

Die Branche ist schlecht ins neue Jahr gestartet. Nach eigenen Angaben sank die Produktion im Januar und Februar im Vergleich zum Vorjahr um 4,9 Prozent, der Umsatzrückgang fiel wegen höherer Preise mit rund 4,1 Prozent etwas geringer aus. Doch für die Unternehmen ändert das wenig: Man starte „ohne Perspektive auf baldige Nachfrageimpulse in das Jahr“, sagt Vietmeyer. Bereits im Gesamtjahr 2023 stand demnach ein Minus von 4,8 Prozent in der Produktion und von 3,2 Prozent bei den Erlösen.

Von der Bundesregierung und der EU fordern die Zulieferer nichts Neues: Sie sehen sich im Wettbewerb mit China und den USA durch hohe Energie- und Lohnkosten, bürokratische Auflagen und Arbeitskräftemangel benachteiligt. Die Standortbedingungen müssten verbessert werden und die EU-Kommission müsse mit einer Industriestrategie für Wachstum sorgen, heißt es. Doch das ist nicht alles.

Der Sektor sieht sich als Innovationstreiber, der in die Transformation des Mobilitätssektors investiert hat. Jetzt aber müsse die Branche feststellen, sagt Vietmeyer, „dass die Hersteller von Elektrofahrzeugen die angekündigten Mengen nicht in dem erwarteten Umfang verbindlich abnehmen“. Während die Automobilindustrie im vergangenen Jahr gute Zahlen vorlegen konnte, seien diese Gewinne nicht in gleichem Maße bei den Zulieferern angekommen.

Riesige Schiffe mit Autos aus China

Und aus Fernost drohe weiteres Ungemach. Mit Verweis auf die großen Autotransporter, mit denen etwa der chinesische Hersteller BYD Europa mit günstigen Elektroautos beliefern will, befürchten die Zulieferer, weiter unter Druck zu geraten. Der Aufbau der Autoproduktion von Herstellern aus China in Europa könnte neue Geschäftschancen eröffnen, erklärte der Verband, der 9000 Unternehmen mit über 900.000 Beschäftigten aus den Branchen Stahl, Metall, Kunststoff und Textilien vertritt. Ob chinesische Hersteller letztlich auch Produktionskapazitäten in Europa aufbauen werden, ist aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft jedoch fraglich. Und selbst wenn dies der Fall sein sollte, sei nicht absehbar, ob sich die Auswahl der Zulieferer dann allein nach der Produktqualität oder eher nach dem Herkunftsland richten wird.

Insgesamt betonen die Verbandsexperten, wie wichtig der Produktionsstandort Deutschland für die Branche ist, viel wichtiger als für die großen Abnehmer. Kleine und mittlere Unternehmen könnten es sich oft nicht leisten, Produktionskapazitäten im Ausland aufzubauen, und seien daher stärker auf europäische Abnehmer angewiesen. Doch die Automobilproduktion sei seit Jahren rückläufig, von 5,6 Millionen Pkw und Transportern im Jahr 2012 auf zuletzt maximal vier Millionen Einheiten. „Diese schleichende Deindustrialisierung im Automobilsektor führt gerade bei den kleineren Zulieferern zu sinkenden Abrufzahlen“, heißt bei der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie.

Continental im Autobereich wieder tief im Minus

Mit Blick auf die Europawahl richten die Zulieferer ihre Hoffnungen auf Brüssel. Nicht nur Green Deal und Nachhaltigkeit dürften die politische Agenda der nächsten Kommission dominieren. Konkret fordert die Industrie jedoch nicht nur eine langsame Wende, sondern eine Vollbremsung: „Die EU-Taxonomie darf nicht kommen, denn sie führt zu einer Deindustrialisierung der EU, ohne den Klimaschutz tatsächlich zu fördern“, sagt Vietmeyer.

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Schlecht ins neue Jahr gestartet sind nicht nur die kleinen Zulieferer. Auch die ganz großen Unternehmen wie Bosch oder Continental müssen kämpfen. Kürzlich erst gab Continental bekannt, dass der Zulieferer im ersten Quartal vor allem im Autobereich weniger Gewinn erwirtschaftetet hat, als vom Markt erwartet. Doch ein kleiner Umsatzrückgang auf nur 4,8 Milliarden Euro war nicht das größte Problem: Die bereits bereinigte Marge vor Zinsen und Steuern (Ebit) rutschte erneut tief ins Minus (minus 4,3 Prozent). Erwartet worden waren „nur“ minus 1,8 Prozent. Dabei war Conti zuletzt stolz, dass die Marge im so wichtigen, aber schwächelnden Autogeschäft in 2023 – bereinigt – ins Plus gedreht werden konnte (1,9 Prozent). Unbereinigt jedoch sind die Zahlen von Conti regelmäßig deutlich schlechter.

Zu den Gründen für die schlechteren Zahlen im ersten Quartal zählten niedrigere Volumen vor allem in Europa, ungünstige Wechselkurse sowie noch ausstehende Neuverhandlungen von Preisen mit Kunden. Der Ausblick jedoch blieb bestehen: Der Konzern aus Hannover erwartet für 2024 eine Rendite von sechs bis sieben Prozent. Die Autosparte soll drei bis vier Prozent Gewinnmarge einbringen.

Conti hatte in der Autosparte zuletzt den Abbau von Tausenden Stellen angekündigt, um Kosten zu senken. Insbesondere die Entwicklung soll schlanker werden. Auch steigende Kosten belasten Continental – nach den jüngsten Tarifabschlüssen etwa jene für das Personal. Inflationseffekte bei Löhnen und Gehältern will Conti-Chef Nikolai Setzer auf der Hauptversammlung am kommenden Freitag seinem vorab veröffentlichten Redemanuskript zufolge auf 500 Millionen Euro beziffern. Die Hälfte davon trägt der sanierungsbedürftige Auto-Bereich.Bosch hält sich bei Jahreszielen bedeckt

Auch der weltgrößte Autozulieferer Bosch rechnet für dieses Jahr mit einer stagnierenden Fahrzeugproduktion weltweit, nachdem sie im vergangenen Jahr um mehr als zehn Prozent auf 93 Millionen Fahrzeugen gestiegen war. In der Autobranche wurde dabei jedoch vor allem ein Auftragsstau abgebaut, zu dem es wegen des Engpasses bei Halbleitern während der Corona-Pandemie gekommen war.

Wegen des stockenden Hochlaufs der E-Mobilität und der angespannten Konjunktur hält sich Bosch nun auch mit den Jahreszielen zurück. „Die Märkte entwickeln sich verzögert – das ist bei der Elektromobilität so, das ist bei Wasserstoff und Wärmepumpe nicht anders“, sagt Bosch-Chef Stefan Hartung. Man sehe in diesen Bereichen zwar weiterhin große Wachstumschancen. 2024 bleibe aber anspruchsvoll.

Lesen Sie auch: Verzögerte E-Wende – das knallharte Kalkül der deutschen Autoindustrie

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