CDU-Parteitag in Berlin: Was Sie über das Treffen wissen müssen
Lange hat die CDU auf diesen Parteitag hingearbeitet. Was erwartet Parteichef Friedrich Merz? Worüber wird gestritten? Und warum fehlt Angela Merkel? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
CDU-Parteitag in Berlin: Was Sie über das Treffen wissen müssen
Eines ist auf jedem CDU-Bundesparteitag gleich: 1001 Delegierte sind dabei. Ansonsten ist bei dem Treffen in der Hauptstadt, zu dem die Christdemokraten von Montag bis Mittwoch in einem Tagungs-Hotel in Neukölln zusammenkommen, manches anders als in den vergangenen Jahren. So wird am Dienstagabend für den gemütlichen Teil beim sogenannten Berliner Abend extra ein »Späti« aufgebaut – und der lokale Kultursenator und Ex-Musiker Joe Chialo soll als DJ auflegen.
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Vor allem aber hat die CDU schon lange keinen dreitägigen Parteitag mehr abgehalten. Die Zeit wird sie dieses Mal aber auch brauchen: Alle Posten vom Vorsitzenden abwärts werden gewählt – zudem verabschiedet die Partei nach 17 Jahren ein neues Grundsatzprogramm. Und dann geht es auch noch um den Europawahlkampf. Generalsekretär Carsten Linnemann spart nicht mit großen Worten im Vorfeld des Parteitags. »Wir wollen dem Land wieder Optimismus schenken«, sagt er.
Was erwartet Parteichef Friedrich Merz?
CDU-Chef Merz dürfte gute Erinnerungen an den Ort haben, an dem der Parteitag diesmal zusammenkommt: In dem Hotel im Süden Berlins präsentierte er im November 2021 seine dritte Kandidatur für den Parteivorsitz – und wurde einige Monate später mit fast 95 Prozent der Stimmen an die Spitze der CDU gewählt. Wenig später übernahm er auch den Vorsitz der Unionsfraktion im Bundestag.
Heute, zweieinhalb Jahre und einige Turbulenzen später, sitzt Merz fest im Sattel. Die Union liegt in den Umfragen stabil bei um die 30 Prozent, Merz selbst wirkt nach außen hin gelassen und mit sich im Reinen. Im Moment gilt er als designierter Kanzlerkandidat, obwohl seine persönlichen Beliebtheitswerte hinter denen von CSU-Chef Markus Söder und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst liegen. In der Partei wird mit einem ordentlichen Ergebnis bei seiner erneuten Wahl zum CDU-Parteichef gerechnet.
Welche weiteren Wahlen stehen an?
Neben Merz wird am Montag der komplette Vorstand der CDU neu gewählt. Überraschungen in der engsten Parteispitze dürfte es dabei keine geben: Nur Karl-Josef Laumann, NRW-Gesundheitsminister und Chef des Arbeitnehmerflügels CDA, kandidiert neu als Parteivize – der bisherige stellvertretende Vorsitzende Linnemann gibt diese Position wegen seines Amts als Generalsekretär auf.
Für das Parteipräsidium tritt zum ersten Mal unter anderem Thüringens Spitzenkandidat und Parteichef Mario Voigt an. Voigt darf als Vertreter der neuen Länder auf breite Rückendeckung aus dem Westen hoffen, genau wie Sven Schulze, CDU-Landeschef aus Sachsen-Anhalt.
Zudem gibt es zahlreiche neue Kandidaturen für den Bundesvorstand der CDU – unter anderem von einem alten Bekannten: Der Bundestagsabgeordnete Paul Ziemiak, Ex-Generalsekretär der Bundes-CDU und inzwischen Generalsekretär der NRW-Landespartei, bewirbt sich als Beisitzer.
Welche Rolle spielt das neue Grundsatzprogramm?
Erst zum vierten Mal in ihrer Geschichte gibt sich die CDU ein neues Grundsatzprogramm, das letzte stammt aus dem Jahr 2007. Damit ist das, was die 1001 Delegierten am Dienstag auf dem Parteitag verabschieden werden, auch eine Art inhaltliche Neubestimmung der Merz-CDU – und ein weiterer Schritt weg von Alt-Kanzlerin Angela Merkel, die die Christdemokraten lange geprägt hat.
Der Grundsatzprogrammprozess läuft in der CDU seit zwei Jahren, in verschiedenen Etappen hat die Partei das Papier entwickelt. Die Christdemokraten wollen sich damit inhaltlich konservativer präsentieren, ohne die Wähler der Mitte zu verschrecken, die Merkel viele Jahre an die Union gebunden hatte. Die Verabschiedung des Programms ist auch ein wichtiger Moment für Generalsekretär Linnemann, der den Prozess schon als Vizevorsitzender organisiert hatte. Das neue Grundsatzprogramm »atmet einen Zukunftsgeist«, schwärmt er.
Wo könnte es besondere Debatten geben?
Obwohl schon so lange über das Grundsatzprogramm diskutiert wird, könnte es an einigen Punkten knifflige Debatten geben. Viele hundert Änderungsanträge liegen vor.
Gesprächsbedarf könnte es unter anderem beim Thema Islam geben, das war bereits im Vorfeld deutlich geworden. Im Programmentwurf hatte es ursprünglich geheißen: »Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland.« Kritiker fanden, damit würden ganze Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt. Die Antragskommission fand eine neue Formulierung: »Muslime sind Teil der religiösen Vielfalt Deutschlands und unserer Gesellschaft.« Und: »Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.« Doch auch über diese Formulierung dürfte es auf dem Parteitag Diskussionen geben.
Eine größere Debatte wird zum Gesellschaftsjahr erwartet. Denn im Entwurf spricht man sich zwar für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr aus, »das auch den Streitkräften zugutekommen« soll – aber von einer Wehrpflicht ist keine Rede. Genau diese wünschen sich aber angesichts der sicherheitspolitischen Lage auch in der CDU immer mehr Politiker.
Über die Schuldenbremse könnte auf dem Parteitag ebenfalls gestritten werden. Ein Bekenntnis zu dem Instrument soll eigentlich wie gehabt ins Grundsatzprogramm, aber zuletzt hatten einflussreiche CDU-Politiker immer wieder Korrekturen gefordert.
Und dann ist da noch das Thema Linkspartei. Daniel Günther, Ministerpräsident und CDU-Landeschef in Schleswig-Holstein, hat mal wieder eine Öffnung gegenüber der SED-PDS-Nachfolgepartei gefordert – vor allem mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Aber ein Parteitagsbeschluss von 2018 schließt sowohl politische Zusammenarbeit mit der AfD wie der Linkspartei aus, darauf verweist auch Generalsekretär Linnemann. Gleichzeitig sagt er mit Blick auf den Parteitag: »Ich werde überhaupt gar keine Debatte unterdrücken.«
Warum sind Markus Söder und Ursula von der Leyen da?
Dass sich die Vorsitzenden von CDU und CSU wechselseitig auf ihren Parteitagen besuchen, gehört zum Usus der Unions-Schwestern – und so ist es erst einmal nicht ungewöhnlich, wenn Markus Söder am Dienstagnachmittag ein Grußwort sprechen wird. Aber natürlich steht Söder als möglicher Bewerber um die Kanzlerkandidatur unter besonderer Beobachtung in der CDU.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird sich am Mittwochvormittag an die Delegierten wenden: Die CDU-Politikerin tritt bei den Europawahlen Mitte Juni als Spitzenkandidatin der konservativ-bürgerlichen Parteienfamilie an, zum Ende des Treffens in Neukölln soll die heiße Phase des Wahlkampfes eingeläutet werden. Auch hier ist Bayerns Ministerpräsident Söder dabei – in einem sogenannten Talkformat.
Und wieso fehlt Angela Merkel?
Dass frühere Spitzenvertreter als Ehrengäste einem Parteitag beiwohnen, ist nicht nur in der CDU üblich. Aber Angela Merkel, immerhin mehr als 20 Jahre Parteichefin und 16 Jahre lang Kanzlerin des Landes, wird in Neukölln nicht zugegen sein. Merkel hat in den vergangenen Monaten so gut wie jede Gelegenheit ausgelassen, Nähe zu ihrer Partei zu demonstrieren – insofern ist ihre Absage nur konsequent.
Ihre immer noch zahlreichen Fans in der CDU hätten sie dennoch gern auf dem Parteitag gesehen, für die Anti-Merkelianer ist ihr Fernbleiben nur ein weiterer Beweis dafür, dass die Ex-Kanzlerin mit der Christdemokratie eigentlich nie viel am Hut hatte. Generalsekretär Linnemann ist bemüht, die Sache kleinzuhalten. »Das respektieren wir total«, sagt er zu Merkels Absage.
Übrigens: Während Merkel in Neukölln fehlen wird, hat sich Annegret Kramp-Karrenbauer – ihre glücklose Nachfolgerin als Parteichefin – angekündigt.