Cannabis-Legalisierung: Kiffer warten auf Regeln
Gepflegt einen durchziehen: Das ist jetzt grundsätzlich gestattet. Aber nicht jedem – und auch nicht überall.
Es riecht leicht süßlich, wenn man den etwa 40 Leuten folgt, die am Sonntagmittag entspannt durch den Wiesbadener Nerotalpark schlendern. Die Teilnehmer sind in Gespräche vertieft, der eine oder andere nimmt einen genüsslichen Zug aus seinem Joint. Es sind überwiegend Männer, die über Abstandsregeln, THC-Gehalt, Eigenanbau und andere mehr oder weniger logische Regeln zum Genuss von Marihuana diskutieren. Der Cannabis Social Club (CSC) Wiesbaden hatte zum „Walk & Talk“ eingeladen, um mit Freunden und Förderern über die Legalisierung und ihre Auswirkungen zu sprechen.
Das ist gar nicht so einfach, denn zurzeit gibt es in Hessen keine oder nur widersprüchliche Landesregeln zum Thema Cannabis. „Wir arbeiten mit der Stadt zusammen, um ein geeignetes Grundstück zu finden“, berichtet CSC-Vorstandsvorsitzender Fynn von Kutzschenbach, schränkt aber ein: „Es ist vieles noch unklar.“ Weil die Regeln noch nicht feststünden, halte sich der Club unter anderem damit zurück, ein Gewächshaus zu mieten. Das hat laut Kutzschenbach zur Folge, dass es noch keine regulären Clubmitglieder, sondern nur „Pioniere“ gebe.
Widersprüche in der Landesregierung
1700 Cannabisfreunde möchten laut dem Vorsitzenden in Wiesbaden dem CSC beitreten. Es können jedoch nicht alle Mitglieder werden, denn deren Anzahl ist auf 500 je Club beschränkt. „Wir werden uns als Vorstand dann auflösen und in weitere neue Clubs aufteilen“: Das erscheint dem Vorsitzenden als angemessene Reaktion auf eine Regel, deren Sinn sich vielen nicht erschließt. „Unsere Pioniere sind hoffnungsvoll. Sie freuen sich auf den kontrollierten Anbau und die kontrollierte Abgabe“, sagt Kutzschenbach und hofft auf zügige Klarheit in der Sache.
Die Lage ist unübersichtlich: Die hessische Landesregierung plant nach Auskunft von Innenminister Roman Poseck (CDU) die Einrichtung sogenannter Cannabisverbotszonen und will eine „möglichst restriktive Umsetzung des Cannabisgesetzes“. Der stellvertretende hessische SPD-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori bezeichnet das Gesetz dagegen als „wichtige Kehrtwende in der Drogenpolitik Deutschlands“. Solche Widersprüche verwirren auch die oppositionelle Fraktion der Grünen, die Anfang Mai einen dringlichen Berichtsantrag im Parlament ankündigte, um zu erfahren, wie es mit dem Kiffen in Hessen denn nun weitergehe.
Aus dem Landtag ist der SPD-Abgeordnete Alexander Hofmann in den Nerotalpark gekommen und rät zu mehr Gelassenheit. „Schauen Sie sich an, was Alkohol mit Menschen macht, und schauen Sie sich an, was Cannabis mit Menschen macht. Allein was die Aggressivität betrifft“, sagt er am Rand der Veranstaltung und lässt durchblicken, dass er sich einfache und liberale Regeln wünscht.
Spezielle Wachstums-Box im Schlafzimmer
CSC-Vorsitzender Kutzschenbach äußert im Gespräch sogar Verständnis für Cannabisverbotszonen und sieht darin kein Problem für den legalen Konsum. Es gebe genügend Flächen, auf denen die Mitglieder ihre Joints rauchen könnten, ist er überzeugt. Da die Cannabis-Clubs erst von Juli an produzieren können und der Vorsitzende davon ausgeht, dass der CSC frühestens im Oktober die ersten Pflanzen ernten kann, sind viele Konsumenten derzeit erst einmal auf ihre eigenen gärtnerischen Fähigkeiten angewiesen.
So geht es auch Frederic. Der 33 Jahre alte Wiesbadener erwartet von der Landesregierung „klare Details“ und weniger politischen Streit. Viel Hoffnung hat er offenbar nicht, denn Frederic züchtet schon sein eigenes Gras. Er hat eine spezielle Wachstums-Box, die in seinem Schlafzimmer steht, und besitzt die erlaubten drei Pflanzen. Der Wiesbadener ist zufrieden: „Das läuft super.“ Obwohl der Eigenanbau am 1. April gestattet wurde, ist Frederic derzeit nicht ganz aus dem Schneider, denn er benötigt Samen, die er in Deutschland noch nicht legal kaufen kann. Er hat sie sich daher aus Spanien bestellt, was wiederum erlaubt ist. Solche Regeln empfinden viele als widersprüchlich.
So denkt auch eine Gruppe junger Männer. Die fünf diskutieren beim „Walk & Talk“ darüber, was sie nach einer guten Ernte machen sollen, wenn die erlaubte Eigenbedarfsmenge von 50 Gramm je Person überschritten werde. Auf den Vorschlag, zu viel geerntetes Cannabis wegzuwerfen, reagieren sie mit Gelächter. „Das ist doch alles nicht durchdacht“, sagt einer, und ein anderer fragt sich: „Ich weiß auch gar nicht, wie das mit dem Autofahren funktionieren soll.“
Die Veranstaltung hat auch den Zweck, die Stigmatisierung der Cannabis-Liebhaber zu beenden und vorhandene Klischees aufzubrechen. Kutzschenbach erzählte, dass viele „Pioniere“ des CSC weit älter als 70 seien. „Das sind überwiegend Damen, die schon seit Jahrzehnten auf eine Teillegalisierung hoffen“, sagt er und ergänzt, dass viele von ihnen Schmerzpatienten seien. Und dann hat der Vorsitzende noch eine kuriose Geschichte parat: „Wir haben bei uns im Club eine Dame, die Ende 70 ist. Die baut in ihrem Garten seit vielen Jahren Cannabis an und backt damit Brownies. Alle ihre Freundinnen lieben diese Brownies.“