Candida auris – warum Ärzte eine Sepsis durch diesen Pilz fürchten
Düsseldorf. Die Infektionszahlen durch den neuartigen Hefepilz Candida auris haben sich in Deutschland vervielfacht. Pilzmedikamente und Desinfektionsmittel versagen oft bei diesem Pilz. Was man dazu wissen muss.
Petrischale mit dem Hefepilz Candida auris.
Es war im Jahr 2009, da klagte in Japan eine Patientin über Beschwerden im äußeren Gehörgang. Die Ärzte nahmen einen Abstrich und ließen ihn im Labor analysieren. Dort waren die Molekularbiologen erstaunt. Sie entdeckten einen seltsamen Pilz, der einem Verwandten aus der Candida-Gruppe der Hefepilze ähnelte, allerdings einige unbekannte Eigenschaften aufwies. Die Neuentdeckung nannten sie – wegen des Ohrs als Fundort – Candida auris.
So häufig wurde Candida auris 2023 in Deutschland nachgewiesen
Seitdem vergeht kein Tag, da nicht neue Warnmeldungen eintreffen. Auch in Deutschland: Im vergangenen Jahr wurde er bundesweit 77-mal nachgewiesen, sechsmal häufiger als in den Vorjahren. Das zeigt eine Auswertung des Nationalen Referenzzentrums für Invasive Pilzinfektionen (NRZMyk).
Was Candida auris so gefährlich macht
Nun ist der Nachweis das eine, die Gefahr aber das andere. Candida auris hat nämlich ein Alleinstellungsmerkmal unter den Hefepilzen, die wir normalerweise alle in uns tragen (im Darm, im Mund, auf Schleimhäuten) und die entweder ungefährlich sind oder von einem gesunden Immunsystem problemlos neutralisiert werden – es sei denn, sie vermehren sich übermäßig. Dieser neue Keim aber ist von Mensch zu Mensch übertragbar und überdies gegen viele Medikamente immun. Das macht die Situation schwierig.
Der Pilz Candida auris konnte sich auch deshalb weitgehend unbemerkt ausbreiten, weil er mit herkömmlichen Testverfahren nicht identifiziert werden konnte. Und was niemand kannte, danach suchte auch keiner. Hinter den 77 Nachweisen in Deutschland dürfte es folglich eine Dunkelziffer geben, von deren Größe kaum jemand eine verlässliche Einschätzung hat.
Wer besonders gefährdet ist
Nun sollte man sich vor der Dämonisierung hüten. Menschen mit eingeschränkter Immunabwehr aber (etwa im Zug einer Chemotherapie oder bei anderen Erkrankungen) sind gefährdet. Bisher ist dem Referenzzentrum kein Todesfall in Deutschland bekannt, der direkt auf eine Infektion mit dem Hefepilz zurückzuführen ist.
Wie Candida auris übertragen wird
Aber Oliver Kurzai, Leiter des NRZMyk und Professor am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Uni Würzburg, weist darauf hin, dass beispielsweise Infektionen von Prothesen und Fremdmaterialien im Körper durch Candida auris bedrohlich und schwer zu behandeln seien. Harnwegskatheter, Magensonden, künstliche Kniegelenke: Sie alle sind potenzielle Besiedelungsflächen für diesen Hefepilz. Fatal dabei ist, dass der Keim auch eine erhöhte Resistenz gegen Desinfektionsmittel zeigt.
Durch Aerosole in der Luft kann sich Candida auris nicht übertragen, durch Schmierinfektionen aber sehr wohl. In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen kann der Pilz jedenfalls zum Problem werden, vor allem auf Intensivstationen. Gelangt Candida auris in den Blutkreislauf (das nennt man Fungämie), droht eine Blutvergiftung, die tödlich enden kann. Diese sogenannte Pilzsepsis lässt sich im Fall von Candida auris mit Medikamenten allerdings schwer verhindern, weil einige sogenannte Antimykotika bereits versagen. Umso wichtiger scheint es den Experten, dass Labore für Candida auris nachrüsten – und dass eine Meldepflicht angezeigt ist.
Warum die so wichtig ist, bewies vor zwei Jahren eine Liste der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dort führte sie 19 krankmachende Pilze auf, die die öffentliche Gesundheit besonders gefährden. Nur vier der Erreger ordnete die WHO in die höchste Prioritätsstufe ein. Candida auris zählte zu ihnen.
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