Junger Kirchenvorstand: Lieber Gemeinde als Feuerwehr

junger kirchenvorstand: lieber gemeinde als feuerwehr

Liebt das Ehrenamt: Dominic-Lucas Broweleit in der Gedächtniskirche

Ob er der jüngste Kirchenvorstandsvorsitzende Deutschlands ist, kann Dominic-Lucas Broweleit nicht sicher sagen. Jedenfalls habe ihn einer der Pfarrer der Gedächtniskirche im Gottesdienst als den vermutlich Jüngsten in diesem Amt vorgestellt, erzählt der 24 Jahre alte evangelische Christ. Zum Vorsitzenden gewählt haben die 17 anderen Vorstandsmitglieder ihn im vergangenen September. In dem Gremium aktiv ist der Bad Homburger aber schon viel länger – seit er 16 Jahre alt war.

Davon spricht Broweleit in der Taufkapelle hinter dem Altarraum der Kirche im Stadtteil Kirdorf. Der junge Mann steht vor dem Becken aus Metall und Stein, an dem er 1999 als Baby getauft worden ist. Das Elternhaus liegt nur etwa hundert Meter entfernt, so nah, dass Dominic-Lucas die Kirche als Kind aus dem Garten gesehen hat.

„Ein Stück weit ist es Pflichtgefühl“

Als er zehn war, ging er zu den Pfadfindern, denen er immer noch verbunden sei. Auch mit der Feuerwehr hatte der Junge viel Kontakt, denn beide Eltern sind dort aktiv. „Aber da wäre ich immer der kleine Broweleit gewesen.“ Für den Kirchenvorstand habe er kandidiert, weil der Vater eines Freundes das forciert habe. Der Mann, selbst dort engagiert, habe die damals von der evangelischen Kirche neu eingeführte Möglichkeit nutzen wollen, schon 16 Jahre junge Vorstandsmitglieder zu wählen.

Broweleit sagt, es habe ihn gestört, dass viele behauptet hätten, Jugendliche fühlten sich nicht verantwortlich. Er habe das Gegenteil beweisen wollen. Bis heute ist er der Ansicht, dass es wichtig sei, sich ge­sellschaftlich einzubringen. „Ein Stück­ weit ist es Pflichtgefühl.“

Sein ehrenamtlicher Einsatz neben dem Vollzeitberuf als Vermessungstechniker besteht etwa darin, die monatlichen Sitzungen des Kirchenvorstands vorzubereiten – und „Ansprechpartner für alles und jeden“ zu sein. In der größten Gemeinde des Dekanats Hochtaunus mit 3800 Mitgliedern ist die Aufgabe nicht zu unterschätzen, auch wenn sich manche mit ihren Anliegen an einen der drei Pfarrer wenden. Einmal in der Woche setzt sich Broweleit ins Büro und gibt Rechnungen frei, vor allem für die beiden Kitas der Gemeinde, zu denen allein 40 Mitarbeiter gehören. Andere Aufgaben kommen von außerhalb. Gerade hat Broweleit eine E-Mail der Regionalverwaltung aus Darmstadt erhalten. Da geht es um bauliche Fragen wegen des Dacheinsturzes der Elisabethkirche kürzlich in Kassel.

Viel Unverständnis bei Gleichaltrigen und Verwandten

Es komme ihm entgegen, dass er auf seiner Stelle beim Vermessungsamt der Stadt Frankfurt Gleitzeit arbeiten könne – und zweimal in der Woche aus dem Home­office. Viel Zeit für andere Hobbys bleibt nicht. Das Männerballett der katholischen Kolpingfamilie, in dem er sonst in der Fastnacht tanzt, muss in dieser Kampagne ohne Broweleit auskommen.

Gleichaltrige reagierten oft mit Unverständnis auf sein Ehrenamt – jedenfalls solche, die die Kirche „kaum noch kennen oder mit schlechten Assoziationen verbinden“. Auch Verwandte hätten ihm schon den Tipp gegeben, die Zeit lieber zu nutzen, um mehr Geld zu verdienen. Anders als in anderen Ehrenämtern gibt es im Kirchenvorstand keine Aufwandsentschädigung. Trotzdem beschreibt Broweleit den Reiz, immer noch ein bisschen mehr für die Kirche zu tun.

Dabei entscheidet er sich sonntags oft lieber dafür auszuschlafen als für den Gottesdienst um zehn Uhr. Er sagt sogar: „Ich würde mich nicht als besonders gläubig bezeichnen.“ Wichtig sei ihm vielmehr die Gemeinschaft, etwa in der Jugendarbeit mit Konfirmanden. Broweleit betreibt auch den Instagram-Account der schlichten Kirche aus dem Jahr 1913 mit blau gestrichenem Altarraum und Buntglasfenstern. Anfang vorigen Jahres hat er eine Ausbildung als Lektor begonnen, bald darf er Gottesdienste halten, wenn auch nur solche mit vorgefertigter Predigt.

Bevor er sich nach dem Fachabitur für eine Ausbildung als Geomatiker entschied, hat er auch über ein Theologiestudium nachgedacht – mit dem Ziel, Pfarrer zu werden. Aber Hebräisch, Latein und Altgriechisch schreckten ihn ab. „Sprachen sind nicht so meins.“ Auch, so fürchtet er, würde er als „sehr mitfühlender Mensch“ mit Trauernden vielleicht eher Rotz und Wasser heulen, als Trost zu spenden.

Broweleits Vorgängerin im Amt, Susanne Kuzinski, hat aufgehört, weil sie Präses im Dekanat Hochtaunus geworden ist. Broweleit beschäftigt derzeit, dass die Gedächtniskirche in den nächsten Jahren mit fünf anderen Gemeinden enger zusammenarbeiten wird. Das gehört zur Reform EKHN 2030, mit der die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau Geld einsparen und fit für die Zukunft werden will. Viel spricht dafür, dass Broweleit dann weiter im Einsatz für die Gemeinschaft ist. Vielleicht sogar immer noch als vermutlich jüngster Kirchenvorstandsvorsitzender Deutschlands.

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