Bauern-Demo eskaliert: Auftritt von Özdemir abgesagt

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Zahlreiche Menschen versammeln sich beim politischen Aschermittwoch der baden-württembergischen Grünen vor der Stadthalle von Biberach an der Riß, um zu demonstrieren.

Im schwäbischen Biberach ist es am Mittwochvormittag zu schweren Zusammenstößen zwischen der Polizei und Teilnehmern an Bauern-Demonstrationen gekommen. Der SWR berichtet, dass „die Polizei Schlagstöcke und eine Flüssigkeit – möglicherweise Pfefferspray“ eingesetzt habe, „um den Weg zur Stadthalle für zwei Fahrzeuge freizumachen, wo die Veranstaltung der Grünen stattfinden sollte“. Die Schwäbische Zeitung schreibt, möglicherweise sei Tränengas eingesetzt worden. Laut dpa soll an einem Fahrzeug eine Scheibe eingeschlagen worden sein. Es soll sich um ein Begleitfahrzeug des Bundeslandwirtschaftsministers Cem Özdemir gehandelt haben, der als einer der Redner beim Politischen Aschermittwoch vorgesehen war. Auch Jürgen Trittin und Winfried Kretschmann hätten teilnehmen sollen. Doch kurz vor der Veranstaltung sagte Michael Gross von den Grünen aus dem Kreis Biberach die Veranstaltung ab – die Sicherheit könne nicht gewährleistet werden.

Am Mittag sagte die stellvertretende Vorsitzende des Kreisbauernverbands, Martina Magg-Riedesser, laut Schwäbischer Zeitung, die Proteste vor der Halle seien nicht vom Bauernverband organisiert oder koordiniert worden: „Da draußen sind zwar viele Bauern, aber auch eine Menge anderer Leute, die mit der Politik der Regierung unzufrieden sind, und die Grünen bekommen das jetzt ab.“ Sie könne den Unmut der Bauern verstehen, weil vieles im Argen liege. „Wir wollten aber das Gespräch mit Özdemir und hatten uns darauf vorbereitet. Deshalb ist es schade, dass die Veranstaltung geplatzt ist.“

Bereits am Morgen hatten zahlreiche Bauern die Straßen in Biberach blockiert, es soll zu Tumulten gekommen sein. Offenbar waren es nicht nur Bauern, die ihrer Unzufriedenheit mit der Regierung Ausdruck verleihen wollten. Laut Schwäbischer Zeitung hatte ein „Bündnis aus Spediteuren, Bauunternehmern, Handwerkern, Pflegekräften und dem Mittelstand“ mit einem anonymen Flugblatt dazu „aufgerufen, gemeinsam mit den Bauern ein Zeichen zu setzen“. Der Bauernverband distanzierte sich laut der Schwäbischen von dem Flugblatt, ebenso wie der Verein Land schafft Verbindung (LsV).

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, sagte der Berliner Zeitung, es sei zwar verständlich, „dass die Proteste weitergehen“. Schließlich sei „seitens der Politik keinerlei weiteres Entgegenkommen oder Umdenken erkennbar“. Krüsken: „Gleichzeitig ist es uns als Bauernverband ein Anliegen, friedlich und demokratisch zu protestieren – insbesondere Blockadeaktionen vor Medienhäusern lehnen wir grundsätzlich ab.“ Krüsken sagte: „Der Vertrauensverlust und der Unmut in der Branche über die Politik der Ampel-Regierung ist groß.“ Gleichzeitig hätten jedoch „von Beginn an rechtsextreme Gruppierungen und Verschwörungstheoretiker versucht, die Proteste zu unterwandern – dies ist ihnen bei unseren Aktionen jedoch nicht gelungen, auch weil die Mitglieder sich klar abgegrenzt haben“.

Zu den Protesten in Europa sagte Krüsken, der Deutsche Bauernverband habe „bisher keine grenzübergreifenden Aktionen initiiert oder organisiert“. Zudem seien die Auslöser der aktuellen Proteste in Polen andere als in Deutschland. Krüsken: „Wir konzentrieren uns jetzt darauf, unsere Botschaften sichtbar zu platzieren und in konstruktiven Gesprächen eine tragfähige Lösung beim Agrardiesel und weitere Entlastungen für die Landwirtschaft auf den Weg zu bringen.“

Die EU-Kommission hatte am Dienstag Zugeständnisse an die Bauern beschlossen, und zwar in Form einer Ausnahme von Vorschriften für einen Mindestanteil an Brachland auf Ackerflächen. Die Regelung soll durch eine Mindestvorgabe für den Anbau von Zwischenfrüchten ersetzt werden.

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU sieht vor, dass Landwirte vier Prozent ihrer Nutzflächen brachliegen lassen. Dadurch sollen Flächen für wild lebende Arten geschaffen werden. Bauern erfüllen gemäß der neuen Regel die Vorgabe, wenn sie „einen Mindestanteil von vier Prozent ihrer Anbauflächen für nichtproduktive Flächen und Merkmale“ nutzen. Dazu gehört neben brachliegenden Flächen auch der Anbau von stickstoffbindenden Pflanzen wie Linsen, Erbsen und Bohnen oder Zwischenfrüchten.

In einer ersten Abstimmung hatte sich Deutschland am Freitag enthalten. Auch weitere EU-Länder enthielten sich, eine Mehrheit kam nicht zustande. Die Kommission ist für die Entscheidung nach geltendem EU-Recht jedoch nicht auf die Zustimmung der Mitgliedstaaten angewiesen. Sie kann die Pläne im Alleingang durchsetzen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke von den Grünen sprach am Dienstag von einem „überstürzten und unreifen Beschluss“. Sie werde sich dafür einsetzen, dass die Ausnahme in dieser Form in Deutschland nicht umgesetzt wird. (mit AFP)

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