Bürgermeister im Interview: „Das System ist kaputt!“
Karlsfeld Gmeiendechef Stefan Kolbe spricht Klartext
Bürgermeister im Interview: „Das System ist kaputt!“
Stefan Kolbe, Bürgermeister-Sprecher.
Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe spricht im Interview über die Folgen der Erhöhung der Kreisumlage.
Dachau – Am morgigen Dienstag wird der Kreistag den Kreishaushalt für 2024 sowie die weitere Finanzplanung bis 2027 beschließen. Selten war das Zahlenwerk so umstritten, selten mussten so harte Einschnitte beschlossen werden.
Kreisumlage ist der große Zankapfel
Größter Zankapfel: die Kreisumlage. Mit dieser von den Landkreisgemeinden erhobenen Umlage finanziert der Landkreis einen großen Teil seiner Aufgaben. Sie ist damit die wichtigste Einnahmequelle des Landkreises, der ansonsten – wie Landrat Stefan Löwl in den vergangenen Wochen nicht müde wurde zu betonen – über keine eigenen nennenswerten Einnahmequellen verfügt.
Entsprechend wollten Löwl und seine Kämmerei den Kreisumlagesatz erhöhen – von aktuell 49,5 auf deutlich über 51 Prozent. Vor allem die Landkreisbürgermeister im Kreistag, egal welcher Partei, liefen dagegen aber Sturm. „Keine 5 vor dem Komma“, betonten sie stets.
Seit der jüngsten Sitzung des Kreisausschusses aber ist klar: Die Bürgermeister werden sich mit ihrer Forderung nicht durchsetzen können, eine Mehrheit des Kreistags wird wohl dem Landrat und dessen Wunsch folgen, die Kreisumlage zu erhöhen – auf 50,4 Prozent (wir berichteten).
Bürgermeister-Sprecher Stefan Kolbe (CSU) ist davon nicht gerade angetan, wie er im Interview mit der Heimatzeitung betont.
Herr Kolbe, die Kreisumlage wird nun doch auf über 50 Prozent steigen. Wie finden Sie das?
Stefan Kolbe: Ja, das zeichnet sich leider ab. Wobei ich mich nur wiederholen kann: Wir Kommunen sind chronisch unterfinanziert, das System ist kaputt.
Landrat Stefan Löwl war zuletzt aber sehr deutlich, als er die Kommunen dazu aufrief, zur Not eben über diverse Gebühren- oder Steuererhöhungen das Geld für die Kreisumlage zur Not beim Bürger einzutreiben.
Das stimmt, zu meinem Bedauern hat er das sehr deutlich gesagt. Allerdings sollte er bei dieser Forderung schon auch auf die Leistungsfähigkeit seiner Kommunen achten.
Wie meinen Sie das?
Wir haben in Karlsfeld zuletzt die Grundsteuer um 90 Prozent erhöht. Wir haben unser Hallenbad zugesperrt. Ich musste mich vor die Eltern stellen und ihnen erklären, dass wir die Kinderbetreuungsgebühren massiv erhöhen. Kurz: Wir sind am Ende der Fahnenstange angekommen! Wie man das nicht erkennen kann, ist mir ein Rätsel.
Die Kommunen hatten bei ihren eigenen Haushaltsplanungen mit einer Kreisumlage von 49,99 Prozent gerechnet. Was bedeutet 50,4 Prozent konkret für Karlsfeld?
Das bedeutet, dass wir für 2024 statt einer Kreisumlage von 15,69 Millionen Euro nun 15,81 Millionen Euro zahlen müssen. Die Kreisumlage allein frisst ein Drittel unseres Haushalts.
Kreisrat Arthur Stein von den Grünen erklärte zuletzt sinngemäß, dass die Bürgermeister einfach vernünftig haushalten sollten statt immer nur zu jammern.
Das zeigt meines Erachtens nur eins: Dass Herr Stein keine Ahnung von Haushalt hat.
Aber auch andere Kreisräte, selbst in Ihrer eigenen Fraktion, wollten am Ende nicht mehr auf der Seite der Bürgermeister stehen.
Ja, was aber nichts an der immer gleichen Diskussion ändert, dass Kommunen in Bayern chronisch unterfinanziert sind. Leider will uns Bürgermeister niemand zuhören, am allerwenigsten die Staatsregierung.
Aus München gibt es zumindest jedes Jahr Millionen an Schlüsselzuweisungen, die Ihnen doch sehr helfen?
Das regt mich besonders auf, wenn der Finanzminister sich hinstellt und erklärt, dass der kommunale Ausgleich so hoch ist wie nie und die Staatsregierung an der Seite der Kommunen steht. Bei uns unten kommt davon leider sehr wenig an.
Hegen Sie zumindest die Hoffnung, dass sich die wirtschaftliche Lage in absehbarer Zeit verbessert?
Nein. Man muss klar sehen, dass es 2025 sicher nicht leichter wird für uns. Wir sollen die Verkehrswende umsetzen, die Energiewende und die Heizungswende. Außerdem müssen wir Schulen und Kinderbetreuung finanzieren. Wir sind ein Wachstumslandkreis, wir müssen zusehen, dass wir unsere Pflichtaufgaben gestemmt kriegen!
Das heißt, der Bürger wird sich darauf einstellen müssen, dass es vieles in Zukunft nicht mehr geben wird?
Ganz genau. Und ich befürchte, wir machen uns damit so viel kaputt, was wir uns in den vergangenen Jahren aufgebaut haben.
Die Kreistagssitzung beginnt am Dienstag, 30. April, um 9 Uhr im großen Sitzungssaal des Landratsamts.
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