Bundeswehr-Veteran zu künftigem Gedenktag: »Oft wirst du beleidigt«
Der Bundestag stimmt über die Einführung eines Veteranentags ab. Längst überfällig, findet Stephan Kremer. Er spricht über Druck auf die Politik, das richtige Datum und wer überhaupt ein Veteran ist.
Bundeswehr-Veteran zu künftigem Gedenktag: »Oft wirst du beleidigt«
An diesem Donnerstagmittag stimmen die Abgeordneten im Bundestag über einen gemeinsamen Antrag der Ampel-Fraktionen und der Union für die Einführung eines jährlichen Veteranentags am 15. Juni ab. Damit soll die Wertschätzung für Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erhöht werden. Auch die Versorgung der Veteranen und deren Familien soll sich verbessern.
Schon seit Jahren wird ein solcher Veteranentag diskutiert, auch Stephan Kremer hat dafür geworben. Dem 33-jährigen Afghanistan-Veteran und Musiker geht es vor allem um die Anerkennung in der Öffentlichkeit für den Soldatenberuf. Unter dem Künstlernamen »Mazibora« veröffentlichte er den Song »Veteranentag«.
DER SPIEGEL fasst die wichtigsten News des Tages für Sie zusammen: Was heute wirklich wichtig war – und was es bedeutet. Ihr tägliches Newsletter-Update um 18 Uhr. Jetzt kostenfrei abonnieren.
SPIEGEL: Herr Kremer, warum braucht Deutschland einen solchen Veteranentag?
Kremer: In Deutschland erhalten Soldatinnen und Soldaten kaum Anerkennung und Wertschätzung. Im Gegenteil: Oft wirst du beleidigt und als »Mörder« beschimpft, wenn du dich in der Öffentlichkeit als Soldat zu erkennen gibst. Das finde ich schlimm.
SPIEGEL: Ein Gedenktag kann das ändern?
Kremer: Definitiv, aber dafür muss Olaf Scholz sich hinstellen und sagen, dass er stolz ist auf unsere Soldatinnen und Soldaten. Und dass dies der Grund für die Einführung eines solchen Veteranentags ist.
SPIEGEL: Die Mehrheit steht, heute wird der Bundestag einem entsprechenden Antrag zustimmen …
Kremer: … ja, aber nur, weil meine Kameraden und ich Druck gemacht haben. Lange Zeit hieß es, dass es für den Gedenktag keine Mehrheit im Bundestag gäbe. Das ist schon traurig. Sehen Sie: Der Bundestag schafft es, innerhalb von zwei Wochen den Einsatz einer Bundeswehr-Fregatte im Roten Meer zu beschließen. Aber es hat Jahre gedauert, um sich auf einen Veteranentag zu einigen.
SPIEGEL: Im Frühjahr 2023 hat der SPD-Abgeordnete Johannes Arlt Sie in den Bundestag eingeladen. Wie kam es dazu?
Kremer: Nach meinem Einsatz in Afghanistan 2011 wurde bei mir eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert, darüber habe ich einen Song geschrieben. Ich wollte auf die psychische Erkrankung von Soldaten aufmerksam machen. Das Echo in der Veteranen-Community war sehr groß. Und auf einmal wollten mich Politiker aus dem Bundestag sehen. Ich habe dann ein zweiwöchiges Praktikum im Büro von Johannes Arlt gemacht.
SPIEGEL: Was hat Ihnen das Praktikum gebracht?
Kremer: Ich habe mit vielen Politikern gesprochen und immer wieder die Einführung eines Veteranentages gefordert. Damit bin ich bestimmt auch einigen ziemlich auf die Nerven gegangen. Aber ich dachte mir: Was sollen die schon machen? Mich wieder nach Afghanistan schicken?
SPIEGEL: Wie haben die Politiker auf Ihre Forderung reagiert?
Kremer: Es wurde viel überlegt, geredet und diskutiert. Aber es ist nichts passiert. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie meine Forderungen ernst nehmen. Deshalb habe ich den Song »Veteranentag« geschrieben.
SPIEGEL: In dem Lied heißt es: »Unsere Zeit, sie ist jetzt. Es wird Zeit: Zeig Respekt, zeig Respekt! Macht Euch bereit, wir marschieren: Ein Veteranentag – los, schreibt das Gesetz!«
Kremer: Ja, ich wollte den Druck auf die Politik erhöhen. Als sie im Bundestag von dem Song erfahren haben, wurde mir gesagt, ich soll mich zügeln und aufpassen, was ich sage. Ich bin schließlich immer noch Soldat. Aber der Vorteil ist, dass ich mich hinter meinem Künstlerprofil verstecken kann.
SPIEGEL: Wer war dagegen, dass Sie sich dafür öffentlich stark machen?
Kremer: Einige Abgeordnete und Generäle. Namen nenne ich nicht.
SPIEGEL: Der Veteranentag soll auf den 15. Juni fallen. In der Begründung heißt es, dass am 15. Juni 2019 erstmal das Veteranenabzeichen verliehen wurde. Ist das ein geeigneter Tag?
Kremer: Nein.
SPIEGEL: Warum nicht?
Kremer: Ich kenne keinen Einsatzveteranen, der stolz auf dieses Abzeichen ist – zumal man sich dafür selbst bewerben muss. Dass es der 15. Juni werden soll, das habe ich aus den Medien erfahren. Und das, obwohl ich im Januar gemeinsam mit 22 Veteranenvereinen noch extra in den Bundestag eingeladen wurde, um über ein geeignetes Datum zu diskutieren.
SPIEGEL: Welcher Tag wäre geeignet?
Kremer: Ich habe mich für den 23. Mai als Veteranentag ausgesprochen. Das ergibt viel mehr Sinn, denn am 23. Mai 1949 wurde unser Grundgesetz vom Parlamentarischen Rat verkündet. Und wir sind schließlich eine Parlamentsarmee.
SPIEGEL: Was verstehen Sie unter dem Begriff Veteran?
Kremer: Für mich ist ein Veteran ein altgedienter Soldat. Also jemand, der die Ausbildung durchlaufen hat und sich auf Zeit verpflichtet hat. Ich habe lange überlegt, ob ein Soldat auch im Krieg gewesen sein muss, um sich Veteran nennen zu können. Aber das ist ja Quatsch. Wenn es keinen Krieg gibt, in den er hätte ziehen können, hat er ja trotzdem gedient.
SPIEGEL: Es gab immer wieder Streit um den Begriff. Im Antragsentwurf nun ist die Definition sehr allgemein gefasst. Ein Veteran kann demnach sowohl jemand sein, der im Ausland gedient hat, als auch ein Wehrdienstleistender an seinem ersten Tag in der Kaserne. Finden Sie das in Ordnung?
Kremer: Ja. Die Hauptsache ist, dass ein Veteranentag eingeführt wird. Wer jetzt alles unter die Definition fällt, ist zweitrangig.