Bundesverfassungsgericht: Verhältnismäßig schwierig

bundesverfassungsgericht: verhältnismäßig schwierig

Auch für die CSU könnte es nach der Reform auf Bundesebene knapp werden: CDU-Chef Friedrich Merz im Gespräch mit Alexander Dobrindt, dem Vorsitzenden der CSU-Fraktion im Bundestag.

In Karlsruhe wird über die Reform des Wahlrechts verhandelt. Der aufgeblähte Bundestag soll wieder schlanker werden – aber für Parteien wie CSU und Linke stehen existenzielle Fragen auf dem Spiel.

Verhältnismäßig schwierig

Zu den Ritualen des Bundesverfassungsgerichts gehört es, zu Beginn einer mündlichen Verhandlung die Anwesenheit festzustellen. Vizepräsidentin Doris König wird an diesem Dienstag viele Namen aufzurufen haben, die Genannten werden sich erheben, vielleicht deuten sie eine Verbeugung an; die Herren schließen gern noch den Sakkoknopf. Erhebliche Teile des politischen Berlins sind nach Karlsruhe gereist, immerhin geht es um das neue Wahlrecht, also um den Ursprung allen politischen Seins. Und unter den Menschen im Sitzungssaal mit dem hölzernen Bundesadler werden viele sein, die einiges zu verlieren haben.

Am deutlichsten wird dies bei Martin Schirdewan, dem Co-Vorsitzenden der Linken, juristisch vom Altstar Gregor Gysi vertreten. Etwas angespannt wird auch Alexander Dobrindt auf das Verfahren blicken, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Die politischen Gegner eint die Furcht vor dem Absturz in die bundespolitische Bedeutungslosigkeit.

Ohne Direktmandate wäre die Linke bei der letzten Wahl nicht in den Bundestag eingezogen

Denn im neuen Wahlrecht vom 14. Juni 2023 hat die Ampelkoalition die sogenannte Grundmandatsklausel gestrichen. Das war die Lebensversicherung von regional solide verankerten Parteien, die bundesweit auf der Fünf-Prozent-Hürde balancieren. Die Linke wäre bei der letzten Wahl mit ihren 4,9 Prozent ohne ihre drei Direktmandate in Berlin und Leipzig nicht in den Bundestag eingezogen. Und auch bei der CSU kann ihr Hang zur kraftstrotzenden Rhetorik nicht über die nüchternen Zahlen hinwegtäuschen: Bundesweit gerechnet holte sie 5,2 Prozent im Jahr 2021.

Etwas zu verlieren hat auch die CDU. Sie ist traditionell stark in den Wahlkreisen, und nach den vormaligen Regeln blieben immerhin drei Überhangmandate ohne Ausgleich – ein kleines Plus. Für die Anhörung hat sich Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz angesagt. Aber auch für die Ampel hat die Karlsruher Runde ihre Risiken. Dass sie im Übereifer der Reform in letzter Sekunde die Grundmandatsklausel gestrichen hat, die nun mal, siehe oben, für bestimmte Parteien lebenswichtig ist, konnte man schon als politisch unfairen Zug deuten. Und da das Gericht beim Wahlrecht stets genau prüft, ob sich da eine Regierung die Gesetze zum eigenen Vorteil zurechtschneidet, steckt darin ein verfassungsrechtliches Risiko.

Das also ist die Aufstellung für das auf zwei Tage terminierte Großverfahren: Die Unionsfraktion im Bundestag und die Regierung Bayerns haben Normenkontrollanträge gestellt, hinzu kommen Organklagen von CSU und Linken, dazu Einzelklagen sowie eine Verfassungsbeschwerde von gut 4000 Klägern, gebündelt von der Organisation “Demokratie jetzt”. Ein Sturmangriff auf das neue Wahlrecht.

Die Reform der Ampel ist der erste taugliche Versuch, das Problem zu lösen

Auf der Habenseite kann die Ampelkoalition zumindest dies verbuchen: Ihre Reform ist der erste taugliche Versuch, die Aufblähung des Bundestags zu beenden. 2013 zählte das Parlament 631 Mitglieder, 2017 waren es schon 709, und 2021 waren es bereits 736 Abgeordnete, 138 über seiner nominellen Stärke. Treiber waren Überhang- und Ausgleichsmandate – also all das, was mit der Reform nun gestrichen worden ist. Der künftige Bundestag, so will es das Gesetz, wird bei 630 gedeckelt.

Für dieses Kunststück hat der Gesetzgeber zehn Jahre gebraucht. Den Preis der Reform zahlt die sogenannte Erststimme: Denn das Kreuz für den Wahlkreiskandidaten oder die Kandidatin ist drastisch abgewertet worden. Nicht auf null, aber es ist schon ein Wertverfall in der Größenordnung der argentinischen Inflation.

Denn das Sitzverhältnis unter den Parteien richtet sich fortan allein nach der Zweitstimme. Das personale Element spielt zwar noch eine Rolle, weil die Wahlkreisgewinner mit den besten Ergebnissen in den Bundestag einziehen. Bleiben die nach der Parteistimme zu verteilenden Sitze jedoch hinter den gewonnenen Wahlkreisen zurück, dann schaffen es die Gewinner mit den knappsten Wahlkreisergebnissen nicht in den Bundestag – weil sie eben nur bis zur “Zweitstimmendeckung” berücksichtigt werden.

Die CDU-Juristen sehen eine Verletzung der “Gleichheit der Wahl”

Wahlkreissieger bleiben draußen, stattdessen ziehen womöglich Wahlkreisverlierer anderer Parteien ins Parlament ein, so haben es die Professoren Bernd Grzeszick und Heinrich Lang in ihrer Antragsschrift für die Unionsfraktion ausgedrückt. Das klingt natürlich irgendwie ungerecht, das soll es sicher auch. Die CDU-Juristen sehen darin eine Verletzung der “Gleichheit der Wahl”. Man kann es aber auch so formulieren, wie dies das Professorentrio Christoph Möllers, Florian Meinel und Jelena von Achenbach tut, juristische Vertreter des Bundestags. Der Gesetzgeber habe den “Grundcharakter des Verhältniswahlrechts” vollendet.

Die Reform, so ihre These, habe den Schritt zur echten Verhältniswahl vollzogen. Zu einem System also, in dem die Parteistimme das Maß der Dinge ist. Vor der Reform sprach man von einer Verhältniswahl mit personalen Elementen, weil die Siege vieler Wahlkreiskandidaten die Zahl der Bundestagsmandate einer Partei vergrößern konnte – eben durch Überhangmandate. Damit ist nun Schluss. 30 Prozent der Stimmen für CDU/CSU bedeutet 30 Prozent der Sitze. Ihre Erfolge in den Wahlkreisen geben den Ausschlag darüber, wer von der Union im Bundestag sitzt – aber nicht, wie viele.

Wenn Karlsruhe das Systemwechsel-Argument akzeptiert, dann wird es schwer für die Union. Der Gesetzgeber genießt beim Wahlrecht einen “weiten Gestaltungsspielraum”, urteilte das Gericht 2012. Dazu gehöre auch “eine Erstreckung des Verhältniswahlprinzips auf die gesamte Sitzverteilung unter angemessener Gewichtung der Direktmandate”, heißt es dort. Der Gesetzgeber hätte auch ein ganz anderes System einführen können, schrieb das Gericht damals, etwa, den Bundestag je zur Hälfte durch Mehrheits- und durch Verhältniswahl besetzen zu lassen. Hat er aber nicht. Es könnte also sein, dass die Reform schlicht ein demokratischer Fakt ist, den auch Karlsruhe akzeptiert.

Ein Professor hält die Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde für geboten

Und der politisch anrüchige Move mit der Grundmandatsklausel? Hier könnte die von “Demokratie jetzt” erhobene Verfassungsbeschwerde eine Rolle spielen. Formuliert hat sie Thorsten Kingreen, Professor in Regensburg. Wobei er eigentlich ein ganz anderes Anliegen hat: Er hält eine Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde geboten.

Das Argument geht so: Eine Sperrklausel ist ohnehin ein demokratisches Problem, weil die Stimmen von Wählerinnen und Wählern irrelevant werden, wenn sie die falsche, nämlich zu kleine Partei wählen. Die Linke zum Beispiel: Ihre Anhänger schätzen womöglich ihr Eintreten für eine Vermögensumverteilung oder ihre Skepsis gegenüber Waffenlieferungen. Sie wären bei der letzten Wahl an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, womit sich das Votum von 2,27 Millionen Menschen nicht im Bundestag abbilden würde.

Heißt: Die Streichung der Grundmandatsklausel, die der Linken gerade noch so ein Türchen geöffnet hat, verstärkt den Druck auf die Fünf-Prozent-Klausel. Das Gericht selbst hat Sperrklauseln bei Europawahlen mehrmals gekippt. Sollte das Bundesverfassungsgericht eine Absenkung der Hürde verfügen, wäre CSU und Linken geholfen – der Wegfall der Grundmandatsklausel wäre dann kein Problem mehr.

Für eine Abmilderung könnte auch ein demokratisch geradezu grotesker Effekt solcher Klauseln sprechen: Die versenkten Stimmen, warnt Kingreen, können sogar der politischen Konkurrenz helfen. In Sachsen wird im Herbst gewählt. SPD, Grüne, FDP, Linke, sie alle könnten unter fünf Prozent landen. Und genau dies könnte der AfD die absolute Mehrheit bescheren.

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