Social Jetlag: Wenn die innere Uhr aus dem Takt gerät

social jetlag: wenn die innere uhr aus dem takt gerät

Gegen die innere Uhr kann bei Eulen auch der beste Wecker nichts ausrichten.

Menschen teilt Jörg Stehle gerne in Vogelarten ein. Die Lerchen sind die Frühaufsteher, die morgens nicht liegen bleiben können, ohne unruhig zu werden. Die Eulen schlafen lange aus und finden abends nicht ins Bett. Dazwischen gibt es den größten Schwarm, die Tauben, wie Stehle jene nennt, die mit den zeitlichen Anforderungen eines geregelten Schul- oder Ar­beitstages am wenigsten Schwierigkeiten haben – weil er zu ihrer besten Tagesform passt. Lerchen und Eulen aber kämpfen womöglich ihr Leben lang gegen Zeitvorgaben, die ihrer inneren Uhr zuwiderlaufen. Sie leiden am sogenannten Social Jetlag, erläutert der Chronobiologe, der sich seit Jahren mit dem Thema beschäftigt.

Wer dauerschläfrige Teenager zu Hause hat, kennt die Nöte, die sich daraus ergeben. Für sie hat Stehle große Sympathie: „Sie sind in der Jugend eulenhafter als je wieder in ihrem Leben.“ Wobei mehr Jungen mit dem zeitigen Aufstehen Schwierigkeiten hätten als Mädchen. In Skandinavien, wo im Winter das aufmunternde Morgenlicht noch stärker als bei uns fehle, habe man darauf reagiert. Der Schulbeginn sei nach hinten verschoben worden, zusätzlich setze man darauf, in der ersten Stunde nicht Mathematik, sondern Fächer auf die Agenda zu setzen, die dem kindlichen Verstand keine Höchstleistungen abverlangten.

Chronotyp ist genetisch vorbestimmt

Doch Social Jetlag ist weit mehr als das Unbehagen eines aus den Träumen gerissenen Langschläfers. Der genetisch festgelegte Chronotyp, von Stehle mit den Vogelarten grob eingeteilt, entscheide über die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit eines Menschen im Tagesverlauf. Dahinter stehe als treibende Kraft eine innere circadiane Uhr, die im Hypothalamus des Zwischenhirns ihr Kerngebiet hat. Sie bestimmt den Schlaf-Wach-Rhythmus eines Menschen über 24 Stunden. Die Chronobiologie untersucht solche Rhythmen und interessiert sich auch dafür, wie sie beeinflusst werden.

Wer ständig gegen seine innere Uhr arbeiten muss, nutzt oft Hilfsmittel, um in die richtige Zeitspur zu kommen. Die Eule trinkt dann beispielsweise morgens viel Kaffee, um wach zu werden, und abends Alkohol, um einschlafen zu können, sagt Stehle. Doch diese populären Wach- und Müdemacher sind weitaus ungesünder als beispielsweise Blaulicht, das Chronobiologe Stehle bevorzugt und das er mit einer dafür eigens gefertigten Brille einsetzt.

Für Wettkampfsportler – Stehle ist selbst einer – sei es immens wichtig, das unterschiedliche Leistungsvermögen im Tagesverlauf zu kennen und beeinflussen zu können. Es entscheide oftmals zwischen dem Gewinner und dem zweiten Platz. Der Chronobiologe berät dazu mittlerweile Sportler und hilft ihnen auch dabei, einen Jetlag rascher zu überwinden, der aufgrund von Zeitverschiebung bei der Anreise zu Wettkämpfen auf anderen Kontinenten schwer auf den Athleten lastet.

Bei all dem geht es dem Neurowissenschaftler aber vor allem auch um die Gesundheit. So hätten Schichtarbeiter ein deutlich erhöhtes Krebsrisiko, sie neigten eher zu Adipositas, weil sie zu Zeiten essen würden, an denen der Körper eigentlich auf Ruhe eingestellt sei. Nach Studienlage seien sie öfter krank und alterten schneller, so Stehle. Besonders strapaziös: Schichtdienste, die von einem auf den anderen Tag wechseln. Daher ist es Chronobiologe Stehle ein Anliegen, das Thema einer breiten Öffentlichkeit bekannter zu machen, damit sich auch Arbeitgeber mehr für A­rbeitszeitmodelle interessieren, die die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern nutzen – ohne sie gegen ihre innere Uhr arbeiten lassen zu müssen.

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