Buchauktion in Königstein: Aus fernen Ländern und Zeiten
Mit 80 kolorierten Lithographien: J. O. Lewis, „The Aboriginal Port Folio or The Most Celebrated Chiefs of the North American Indians“, Philadelphia, 1835 bis 1838, 46,5 mal 30 Zentimeter, Taxe 70.000 Euro
Beschriebene Pergamentblätter waren in der Frühzeit des Buchdrucks ein beliebtes und preiswertes Einbandmaterial, denn der technologische Fortschritt ließ die alten Handschriften nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Für die Forschung sind diese Zweitverwertungen ein Glücksfall, wenn besonders alte Schriftstücke verarbeitet wurden. Zwei als Einbände wiederentdeckte Pergamentblätter kommen bei Reiss & Sohn in Königstein zum Aufruf, wenn vom 23. bis 25. April mehr als 2000 Lose mit wertvollen Büchern, Handschriften und Drucken versteigert werden. Sie enthalten Texte aus den Kommentaren des Heilige Hieronymus und wurden um das Jahr 800 geschrieben, wobei es sich bei einem der Blätter (Taxe 10.000 Euro) um das womöglich älteste Zeugnis zum Bibeltext des Propheten Amos handelt. Das andere Blatt bezieht sich auf das Buch Jona (8000).
Zu Beginn der Auktion werden zwei Stundenbücher angeboten, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts für den Gebrauch in Paris geschaffen wurden. Das mit 16 großen und 42 kleinen Miniaturen ausgestattete Exemplar wird auf 30.000 Euro geschätzt, das mit 12 großen und zwei kleinen Miniaturen auf 20.000.
Für Liebhaber illustrierter Werke ist das Angebot besonders attraktiv. Weinmanns botanisches Meisterwerk „Phytanthoza-Iconographia“ (1747 bis 1745) enthält 1025 kolorierte, im aufwendigen Mezzotinto-Verfahren gestochene Abbildungen ist mit einem Schätzpreis von 70.000 Euro eines der beiden Spitzenlose der Auktion. Als zweites Toplot steht ein Rarissimum aus Nordamerika bereit: Das von 1835 in Philadelphia gedruckte „Aboriginal Port Folio“ zeigt berühmte Stammesführer der amerikanischen Ureinwohner und Szenen wie eine Büffeljagd oder eine Versammlung in einem Sioux-Zelt. Es gilt als eine der ersten bedeutenden Darstellungen der Native Americans aus der Sicht der Kolonisten. Die berühmten Kupferstiche Maria Sibylla Merians von Insekten Surinams sind in einer Sammelausgabe zu bewundern. Der Pariser Verleger Desnos, der die Druckplatten wahrscheinlich auf einer Auktion erworben hatte, fügte die Ausgabe von 1771 Daniel Rabels Werk über die schönsten Zwiebelgewächse – „des plantes bulbeuses, liliacées, caryphillées“ – und Jan Jonstons Vogelbuch „Histoire naturelle et raisonée des différents oiseaux qui habitent le globe“ hinzu (60.000).
Auf 30.000 Euro taxiert: Stundenbuch auf Pergamentpapier mit 58 Miniaturen, Nordfrankreich, zweite Hälfte es 15. Jahrhunderts,16,6 mal 20,8 Zentimeter
Neben weiteren Werken zur Botanik, Zoologie und Soziologie findet sich ein Spielzeugmusterbuch von 1860 aus Sonneberg in Thüringen, das von da an zur Weltspielwarenstadt avancierte. Der Band dokumentierte das Angebot der Verlegerfamilie Lindner nach Warengruppen geordnet und mit Bestellnummern versehen. Es löste den Musterkoffer des Vertreters ab und erleichterte die Ausweitung des Handels auf ferne Märkte. Bis zu 20 Prozent der weltweit vertrieben Spielsachen wurden vor dem Ersten Weltkrieg in Sonneberg hergestellt (10.000).
Maria Sibylla Merian, „Histoire générale des Insectes de Surinam et de toute l’Europe“, 188 Tafeln, Paris 1771, 51,5 mal 34,5 Zentimeter, Taxe 60.000 Euro