Boykott-Aufrufe: „Divest from Israel“: Der Druck auf Unis und Unternehmen steigt
Studenten der Colombia University protestieren vor den Stiftungshäusern der Hochschule data-portal-copyright=
US-Studenten fordern, dass sich die mächtigen Uni-Stiftungen aus Konzernen zurückziehen, die Israel unterstützen. Das trifft Rüstungshersteller ebenso wie Google, Amazon, Starbucks und McDonald‘s.
In diesen Tagen gleicht der Campus der Columbia-Universität in New York einem Hochsicherheitstrakt. Hinter Absperrgeländern unterstützt schwarz gekleidetes Security-Personal die Polizei, um die Eingänge zum sonst offenen Campus zu kontrollieren. Nur wer einen Hausausweis besitzt, kommt rein.
Erst vor wenigen Tagen hat die New Yorker Polizei das Zeltlager auf dem Campus geräumt. Die Abschlusszeremonie, die eigentlich kommende Woche auf dem historischen Gelände am Broadway an der 119. Straße geplant war, hat die Universitätsverwaltung abgesagt.
Mit der kritischen Lage in Rafah im Süden von Gaza bleibt die Situation auch in New York angespannt. Und auch in weiteren US-Metropolen bestimmen seit zwei Wochen Demonstrationen, Zeltstädte und Streiks den akademischen Betrieb. Die propalästinensischen Studenten fordern nicht nur Boykotte gegen Konzerne, die Israels Vorgehen im Nahostkrieg in ihren Augen unterstützen. Sie fordern auch ihre Universitäten auf, sich mit ihren Anlagen aus den Aktien zurückzuziehen.
Konkret richtet sich der Protest der Aktivisten gegen Google, Amazon und Microsoft, die mit der israelischen Regierung Verträge über Cloud-Dienste haben, und gegen amerikanische Rüstungskonzerne wie Raytheon, die Waffen an Israel liefern. An der Universität von Houston wollen die Studenten außerdem McDonald’s und Starbucks vom Campus verbannen sowie die PepsiCo-Tochter Sabra, die sich auf israelisches Essen spezialisiert hat.
Hauptorganisator der Proteste ist die Gruppe „Students for Justice in Palestine“. Sie fordert, dass sich Universitäten von privaten Unternehmen distanzieren, die direkt oder indirekt das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen unterstützen.
Brown University will Investitionen diskutieren
Dabei geht es um viel Geld: In den USA wird ein Großteil des Lehrbetriebs durch Stiftungskapital finanziert, ein Semester an einer Topuniversität kann mehr als 65.000 Dollar kosten. Die zehn größten Universitätsstiftungen in den USA verwalten laut Higher Ed Dive ein Gesamtvolumen von mehr als 300 Milliarden Dollar.
Die sogenannte „Boycott, Divestment, Sanctions“-Bewegung (BDS) ist an den Hochschulen seit fast 20 Jahren aktiv und hat durch den Gazakrieg neuen Zulauf erhalten. „Aufdecken, verkaufen, wir werden nicht aufhören, wir werden nicht ruhen“, heißt es auf den Demonstrationen, auf vielen Transparenten steht „Divest“.
BDS-Gegner kritisieren, die Bewegung verbreite antisemitische Ideologien und Nazi-Propaganda, in mehreren US-Bundesstaaten ist ihr Aktivismus gesetzlich eingeschränkt. 2019 verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Resolution, in der BDS als antisemitisch eingestuft wird.
Bislang haben nur wenige Universitäten den Forderungen nachgegeben. Doch allein die Tatsache, dass dieser Schritt überhaupt diskutiert wird, zeigt, welchen Einfluss der Gazakrieg auf die öffentliche Stimmung in den USA hat. Die renommierte Brown University hat sich bereit erklärt, im Herbst eine Abstimmung darüber abzuhalten, ob sich ihr Stiftungskapital von 6,6 Milliarden Dollar von allen Beteiligungen mit Israelbezug trennen soll. Im Gegenzug wurde das Zeltlager auf dem Campus aufgelöst.
Brown-Präsidentin Christina Paxson kritisierte in einem Brief an ihre Studenten die „Verwüstung und den Verlust von Menschenleben im Nahen Osten“, die „viele Menschen dazu gebracht haben, einen sinnvollen Wandel zu fordern“. Brown-Aktivisten antworteten mit einem Tweet: „Sieg! Brown setzt sich für Divestment-Vote ein!“
Im amerikanischen Kongress sorgten die Entscheidungen einzelner Universitäten für Aufregung. Die republikanische Abgeordnete Virginia Foxx sprach von „schockierenden Zugeständnissen an die illegalen antisemitischen Lager“ und einer „feigen Kapitulation vor den antisemitischen Radikalen“. Investitionen in Israel zu überdenken galt lange Zeit als unantastbares Thema, sowohl in der amerikanischen Politik als auch in der akademischen Welt und unter den Größen der Wall Street, die die Stiftungen der Universitäten am Leben erhalten.
Ein Kollisionskurs mit den reichen Geldgebern scheint nun programmiert: Milliardäre wie der Fondsmanager William A. Ackman und Marc Rowan kritisieren die Präsidenten der Harvard University und der University of Pennsylvania scharf, weil diese ihrer Meinung nach Antisemitismus an ihren Universitäten tolerierten.
Unternehmen spüren Folgen bereits deutlich
Auch wenn die Universitäten ihre Investments bisher nicht verlagert haben, spüren vor allem die verbraucherorientierten Unternehmen schon Folgen der Proteste. Starbucks etwa hat jüngst nach einem desaströsen ersten Quartal seinen Ausblick nach unten korrigiert und dafür auch die propalästinensischen Boykottaufrufe als Grund genannt. Ursache für die Proteste war, dass Starbucks im Herbst die neue Gewerkschaft „Starbucks Workers United“ wegen eines propalästinensischen Posts in den sozialen Medien verklagt hat.
Starbucks sagt, dass es in der Klage nur um den Gebrauch des Firmenlogos ginge. Der Konzern sei unpolitisch und unterstütze weder das Militär noch die Regierung in Israel. Trotzdem geht der Umsatz der Kaffeehauskette weiter zurück, sowohl in den USA als auch im Nahen Osten. Die Aktie verlor in den vergangenen Tagen deutlich.
Die AlShaya Group in Kuwait, der das Starbucks-Franchise im Nahen Osten gehört, teilte mit, dass es 2000 Jobs streichen werde als Folge der Boykotte – und rund vier Prozent der Mitarbeitenden entlässt. Um den Image-Schaden abzuwenden, hat Starbucks vergangenen Monat drei Millionen Dollar an die Organisation World Central Kitchen gespendet, die Essen nach Gaza bringt.
McDonald’s zog die Wut der propalästinensischen Aktivisten auf sich, als es nach dem Angriff der Hamas auf den Süden Israels dem israelischen Militär Tausende Mahlzeiten spendete. Das Unternehmen sagte jüngst, dass der Krieg und die Desinformation darüber die Umsätze „merklich beeinträchtigt“ habe, vor allem im Nahen Osten und Ländern wie Malaysia. Die Fast-Food-Kette KFC hat in Malaysia sogar 100 Läden vorübergehend geschlossen.