Volksbühne und Bridges-Ensemble kooperieren: Ein Abend für die Demokratie

volksbühne und bridges-ensemble kooperieren: ein abend für die demokratie

Musik verbindet und baut Brücken: Kanun-Spielerin Eleanna Pitsikaki (links) aus dem Bridges-Ensemble und Dramaturgin Susanne Hemmerling (rechts).

Sehr emotional sei die Vorbereitung gewesen, traurig und manchmal schwierig, sagt Eleanna Pitsikaki. „Wir haben Dinge über unsere Länder gelesen, von denen wir noch nie gehört hatten.“ Die griechische Musikerin, Jahrgang 1997, ist Teil des Bridges-Ensembles, das für „Colours of Democracy“ mit der Volksbühne am Großen Hirschgraben kooperiert. Für das Programm, das am 26. Januar Premiere haben wird und das Musik mit Theater und Lyrik verbindet, hat sie sich intensiv mit der Demokratiegeschichte ihres Heimatlandes beschäftigt. So wie ihre Kollegen, die den Abend gemeinsam gestalten.

Die Idee zu einem Programm über Demokratie entstand vor etwa einem Jahr, als sich Frankfurt auf die Feierlichkeiten zum 175. Jahrestag der ersten Nationalversammlung in der Paulskirche vorbereitete. „Dieses Event wurde zu Recht in Frankfurt zelebriert, aber es wird ein bisschen vergessen, dass es davor schon viele Impulse gab, nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit“, so Dramaturgin Susanne Hemmerling. „Es ist schon vieles passiert vor 1848, das für die Demokratie wichtig ist“, sagt sie. Das gelte auch für die Herkunftsländer der acht Ensemble-Musiker. Sie kommen aus Syrien, Iran und der Türkei, aus Griechenland, Russland und Kolumbien, aus dem Senegal und aus Deutschland. „Jeder versteht etwas anderes unter dem Wort Demokratie“, sagt Pitsikaki. Einer ihrer Kollegen, sagt sie, habe den Begriff während eines Schreibworkshops in Vorbereitung auf das Programm gar mit einem Einhorn verglichen. „Man muss daran glauben.“ Dass die Musiker aus ihren Herkunftsländern völlig unterschiedliche Erfahrungen zum Thema mitbringen, sei durchaus gewollt, so Hemmerling. Und dennoch soll der Abend nicht zuallererst auf die aktuelle politische Lage verweisen, nicht „Demokratie anhand verschiedener Staaten durchexerzieren“, sagt sie. „Es geht um Schlaglichter der Geschichte.“ Um die Ursprünge der Demokratie in Griechenland etwa, um die demokratische Republik Nowgorod, die bis ins 15. Jahrhundert auf einem Gebiet existierte, das heute zu Russland gehört, um das Leben in Iran Mitte des 20. Jahrhunderts. Auf der Bühne wird in Musik und Texten an sie erinnert.

Schon früh waren die Musiker aus dem Bridges-Ensemble in die Entstehung des Programms eingebunden und maßgeblich an der Zusammenstellung der Kompositionen und Worte beteiligt. „Unsere erste Aufgabe war es, für das jeweilige Land zu recherchieren und Informationen zu sammeln, wie sich die Demokratie entwickelt hat, welche Personen wichtig waren und wie die Situation heute ist“, so Pitsikaki. Vor allem für die junge Kanun-Spielerin bedeutete das viel Recherche. „Meine Arbeit war schwieriger als die der anderen, denn in Griechenland wurde die Demokratie erfunden“, sagt sie und lacht. Die Menge an Informationen sei gewaltig gewesen. Ihren Schwerpunkt für diesen Abend hat sie auf die minoische Kultur gelegt, die Kultur ihrer Heimat Kreta, die als älteste Hochkultur Europas gilt. Schon vor den Denkern der alten Griechen, vor Platon und Sophokles „waren sie viel weiter als das heutige Griechenland und Europa“. Die passenden Kompositionen für diese Kultur zu finden sei aber nicht einfach gewesen, sagt sie, „denn unsere traditionelle Musik wird nicht aufgeschrieben“. Entschieden hat sie sich schließlich auch für ein Werk des griechischen Komponisten Mikis Theodorakis, der nicht nur Politiker war, sondern zudem im Widerstand gegen Faschisten und die Militärdiktatur im 20. Jahrhundert.

Die Verantwortung der Künstler

Die finale Auswahl für die Bühnenfassung sei schließlich gemeinsam mit Regisseur Matthias Faltz und der musikalischen Leiterin Johanna-Leonore Dahlhoff erfolgt. Je Land haben es jeweils drei Stücke in das Programm geschafft. Dramaturgin Hemmerling hat den musikalischen Prozess zuhörend begleitet. „Ich habe viel gelernt über russischen Tango und abgefahrene Volkslieder aus Griechenland und Kolumbien“, sagt sie. Ihre Arbeit mit ihrer Kollegin Antigone Akgün begann anschließend, um den Demokratiebezug der jeweiligen Länder herauszuarbeiten. Und um die gesammelten Informationen der Musiker in sprechbare Textfassungen zu bringen. „Die musikalischen Stücke werden gerahmt, begleitet, durchdrungen von literarischen, lyrischen und informativen Textpassagen“, so Hemmerling. Mal tragen die Musiker ein Gedicht vor, stellen eine wichtige Person der demokratischen Geschichte ihres Landes vor, mal zitieren sie aus Schriften von Sophokles oder Bertolt Brecht. Pitsikaki hat schon in der Schule gerne Theater gespielt, nun als professionelle Musikerin auch mit Sprache und Worten zu arbeiten mache Spaß.

Da mit Faltz ein Regisseur verantwortlich ist, der sonst Theaterstücke inszeniert, verlangt er den Musikern ab, was sie nicht gewohnt sind: Positionswechsel auf der Bühne etwa, rhythmisches Sprechen, das auswendige Vortragen lyrischer Texte in deutscher Sprache, aber auch auf Griechisch, Farsi und Spanisch. Die Musiker sollen sich mit den Worten wohlfühlen. Als Sitzplätze auf der Bühne dienen keine Stühle, sondern weiße Kartons. „Wenn man die Bühne sieht, merkt man sofort, dass das kein klassisches Konzert ist“, so Pitsikaki. Sie schätzt es, auch thematisch etwas Neues zu wagen. „Es ist sehr wichtig, dass Künstler auch mal eine schwierige Aufgabe haben und das Publikum sensibilisieren“, sagt sie. Die Musikerin hofft, dass das Programm die Zuschauer zum Nachdenken anregen werde. Künstler hätten auch die Verantwortung, Themen wie Demokratie zu verhandeln. „Wir sind nicht Rihanna oder Beyoncé und werden nicht die ganze Welt beeinflussen“, sagt sie. „Aber wir werden gehört.“

Colours of Democracy Volksbühne Frankfurt, Großer Hirschgraben 19, Premiere am 26. Januar von 19.30 Uhr an, weitere Termine bis 24. April

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