Boeing: »Starliner«-Raumschiff startet zum ersten bemannten Testflug
Erst zweimal war der »Starliner« von Boeing im All, immer ohne Crew. Nun soll das Raumschiff erstmals mit Menschen an Bord abheben. Kommt es sicher zur ISS und zurück?
Boeing: »Starliner«-Raumschiff startet zum ersten bemannten Testflug
Der Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing will endlich wieder Menschen ins All bringen. Seit Jahren laufen die Vorbereitungen. Am Dienstagmorgen um 4.34 Uhr unserer Zeit – zehn Jahre nach der großen Ankündigung – steht nun der erste bemannte Testflug des »Starliner«-Raumschiffs an. Es soll auf einer Atlas-V-Rakete der United Launch Alliance vom Space Launch Complex-41 am Cape Canaveral Space Force Station in Florida abheben.
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An Bord werden die Astronauten Butch Wilmore und Suni Williams sein. Doch nach etlichen Pannen und Sicherheitsmängeln stellt sich die Frage: Wird der Flug zur Internationalen Raumstation ISS tatsächlich gelingen und das Astronauten-Duo heil zur Erde zurückkehren?
Wilmore und Williams schlossen sich dem Testflug an, nachdem sich die ursprüngliche Besatzung wegen der sich häufenden Verzögerungen zurückgezogen hatte. Wilmore, 61, ist ein ehemaliger Kampfpilot aus Mount Juliet, Tennessee, und Williams, 58, ist eine Hubschrauberpilotin aus Needham, Massachusetts. Die beiden waren an der Entwicklung der Kapsel beteiligt und geben sich zuversichtlich: »Wir wären nicht hier, wenn wir nicht bereit wären«, sagte Wilmore vor dem Start. »Wir sind bereit. Das Raumschiff ist bereit und das Team ist bereit.« Das Wetter sieht immerhin vielversprechend aus.
Die US-Raumfahrtbehörde Nasa will die finalen Vorbereitungen und schließlich den Start ab Montag um 0.30 Uhr deutscher Zeit – 18.30 Uhr Eastern Time – live auf ihren Kanälen übertragen. Sie können das Event im Nasa-Blog sowie hier im Livestream verfolgen:
Gelingt alles, wird das Raumschiff am Mittwoch an der ISS eintreffen. Wilmore und Williams sollen dort rund eine Woche lang bleiben.
Kommt das Raumschiff dieses Mal an?
Zehn Jahre ist es her, dass der damalige Nasa-Chef Charles Bolden bei einer dramatisch-inszenierten Pressekonferenz vor US-amerikanischen Flaggen und mit Tränen der Rührung in den Augen eine große Ankündigung machte: »Die bedeutendste Nation der Welt sollte bei der Raumfahrt nicht auf ein anderes Land angewiesen sein«, sagte Bolden – und versprach die Rückkehr zu eigenen Flügen zur Internationalen Raumstation ISS.
Nach dem Ende der Ära der Spaceshuttles wollte die US-Raumfahrtbehörde Nasa nicht mehr selbst entwickeln und bauen, sondern beauftragte den Flugzeugbauer Boeing und das Unternehmen SpaceX von Techmilliardär Elon Musk.
Damals bekam Boeing einen fast doppelt so lukrativen Vertrag. Die Firma wurde mit seinem »Starliner«-Raumschiff als deutlich im Vorteil angesehen. Denn von der ersten Mercury-Kapsel über Apollo und die Shuttles bis hin zu aktuellen Missionen rund um die Internationale Raumstation ISS – immer war das große Unternehmen beteiligt. Doch dann kam es wiederholt zu Krisen, Problemen und Verzögerungen.
Bei einem ersten unbemannten Test 2019 erreichte der »Starliner« gar nicht erst die ISS. Wegen Softwareproblemen kam es beinahe zu einer Katastrophe, und das Raumschiff musste vorzeitig zur Erde zurückkehren. Ein zweiter unbemannter Testflug glückte 2022, doch dann traten erneut zahlreiche Probleme auf, die einen geplanten bemannten Testflug immer weiter verzögerten.
Das Raumschiff ist ein teilweise wiederverwendbares Raumfahrzeug. Es besteht aus einer rund drei Meter hohen Kapsel für die Besatzung und einem Servicemodul. Bis zu sieben Menschen passen hinein, ausgerichtet ist die Kapsel aber hauptsächlich auf vier Personen. Zum Ende einer Mission soll das Gefährt wieder auf der Erde landen.
SpaceX gelang bemannter Flug schon 2020
Der »Starliner« soll Weltraumreisenden eine Alternative zu SpaceX’ »Crew Dragon« bieten und damit die Astronautenkapazitäten stark erhöhen. Dafür muss der bemannte Flug aber erst einmal gelingen. Natürlich wünsche man sich, man sei schon weiter, sagte Boeing-Manager Mark Nappi gerade bei einer Pressekonferenz. »Da gibt es keinen Zweifel, aber jetzt sind wir hier.«
Konkurrent SpaceX hat Boeing längst überholt. 2020 unternahm dessen »Crew Dragon« erstmals erfolgreich einen bemannten Test zur ISS, seitdem haben sich die Astronautentransporte derart eingespielt, dass derzeit schon die achte reguläre Crew mit dem »Dragon« an der Raumstation ist. Für die anvisierte Ankunft des »Starliner« musste die »Crew Dragon« an der ISS gerade extra an eine andere Andockstation umgelegt werden.
Ein Erfolg der Mission ist für Boeing von großer Bedeutung. Denn der US-Konzern kämpft auch wegen technischer Pannen und Vorwürfen mangelnder Sicherheit bei Passagierflugzeugen um seinen Ruf.