Olaf Scholz trifft in Washington auf Joe Biden – welche Herausforderungen beide verbinden

Auf seiner Reise in die USA traf sich Kanzler Olaf Scholz zum Vieraugengespräch mit Präsident Joe Biden. Beide Politiker sehen sich mit großen Herausforderungen konfrontiert – und sind auch deshalb auf enge Abstimmung miteinander angewiesen. Das Treffen der Staatenlenker könnte besonders für die Ukraine weitreichende Konsequenzen haben.

olaf scholz trifft in washington auf joe biden – welche herausforderungen beide verbinden

Bundeskanzler Olaf Scholz neben US-Präsident Joe Biden bei einem bilateralen Treffen im Weißen Haus picture alliance/dpa/Michael Kappeler

„Wenn du in Washington einen Freund suchst, kauf dir einen Hund“. Dieses amerikanische Bonmot beschreibt die Brutalität des Politikbetriebs in der amerikanischen Hauptstadt und die Einsamkeit der Macht. Joe Biden besitzt gleich zwei deutsche Schäferhunde.

Hört man sich im State Department (dem amerikanischen Außenministerium) um, hat Joe Biden sogar einen zweibeinigen deutschen Freund. Das Verhältnis zu Bundeskanzler Olaf Scholz sei „beispiellos gut“, und „fantastisch“. Kein anderer Staatenlenker werde seit Joe Bidens Amtsantritt bereits zum dritten Mal zu einem Vieraugengespräch im Oval Office empfangen, betonen US-Diplomaten hinter den Kulissen. Und enge Abstimmung ist nun besonders dringend nötig, seit die Republikaner im US-Kongress die von Biden gewollten Hilfen für Kiew blockiert und somit die ganze Ukraine-Politik des Westens infrage gestellt haben.

Für den persönlichen Austausch nimmt der Kanzler gern eine beschwerliche Anreise in Kauf. Weil der üblicherweise genutzte Regierungsflieger vom Typ Airbus A350 vom Bundespräsidenten gebraucht wird, muss Scholz auf eine Maschine des Typs A321 mit geringerer Reichweite zurückgreifen. Das erfordert einen Tankstopp auf Island, der die Laune des Kanzlers allerdings nicht trübt.

Immerhin habe man so den Rauch eines Vulkans gesehen, lässt er die mitreisenden Journalisten wissen. Die Aussicht, den grauen Ampel-Alltag für zwei Tage hinter sich zu lassen und im Weißen Haus Bilder als Weltpolitiker zu produzieren, scheint den Kanzler zu beflügeln. Scholz ist sichtlich stolz darauf, beim immer noch mächtigsten Mann der Welt ein gern gesehener Gast zu sein. Die beiden telefonieren regelmäßig, aber man sei sich einig gewesen, dass man sich „mal wieder sehen müsse“, heißt es aus dem Kanzleramt.

olaf scholz trifft in washington auf joe biden – welche herausforderungen beide verbinden

Auch in Washington nicht ohne Aktentasche: Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Weg zu Präsident Biden dpa

Bei genauer Betrachtung fällt eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten auf, die zu dem freundschaftlichen Verhältnis beigetragen haben könnten. Biden und Scholz begannen ihre politische Karriere beseelt von dem Ziel, die Arbeiterklasse zu verteidigen.

Beide sind keine begnadeten Redner, keine „Showhorses“ wie man in den USA sagt. Ihren Mangel an Begeisterungsfähigkeit versuchen sie zu kompensieren, indem sie sich als erfahrene, einzig an der Sache orientierte Regierungshandwerker inszenieren. Beide sehen ihre Demokratien in Gefahr und versuchen, damit Wähler zu mobilisieren – was nur bedingt gelingt.

Beide Politiker haben schwache Zustimmungswerte

Biden und Scholz stehen in diesem Jahr unter gewaltigem Druck. Biden ist der zu diesem Zeitpunkt seiner Präsidentschaft zweitunbeliebteste Präsident der jüngeren amerikanischen Geschichte und will trotzdem das Weiße Haus verteidigen. Auch Olaf Scholz leidet unter schwachen Zustimmungswerten und trägt als Gesicht auf den Wahlplakaten der SPD große Verantwortung für das Ergebnis bei der Europawahl.

Bei den Landtagswahlen im Osten droht seine SPD von der AfD überrollt zu werden. Sowohl Scholz als auch Biden müssen sich gegenüber ihren Wählern zunehmend für ihre Unterstützung Israels und der Ukraine rechtfertigen. In dieser Woche ließen die Republikaner im US-Kongress einen Deal platzen, der milliardenschwere Militärhilfen für Kiew und Jerusalem beinhaltet hätte.

Die Republikaner hatten ihre Zustimmung an erhebliche Investitionen in die Sicherung der Grenze zu Mexiko geknüpft. Obwohl die Demokraten zustimmten, blockierten die Republikaner das Gesetz am Ende. Denn dem Vernehmen nach will Donald Trump das wichtige Wahlkampfthema Migration nicht aus der Hand geben und Biden keinen Erfolg gönnen.

Bei einem Abendessen mit acht Mitgliedern beider Parteien des amerikanischen Kongresses in der deutschen Botschaft in Washington bekommt Olaf Scholz bei Krabbensalat und gebratenem Streifenbarsch einen Vorgeschmack darauf, wie dramatisch sich die amerikanische Außenpolitik ändern könnte, sollte Donald Trump im November erneut zum Präsidenten gewählt werden.

Die USA sind mit Waffenhilfe im Wert von bisher 44 Milliarden Euro der mit Abstand größte Unterstützer der Ukraine. Sollte Trump die Zahlungen stoppen, droht ein Horrorszenario. Deutschland als zweitgrößter Helfer (bisher 17 Milliarden Euro) könnte den Ausfall der USA unmöglich ausgleichen. Schon jetzt hat die Bundesregierung alle Mühe, europäische Partner wie Frankreich, Spanien und Italien für weitere Militärhilfen zu gewinnen.

Besonders das für Europa so wichtige Verhältnis zwischen Scholz und Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron gilt als zerrüttet. Der Kanzler setzt umso mehr auf den Schulterschluss mit den USA. „Scholz versteckt sich gern hinter Biden. Das haben wir zum Beispiel bei der Frage nach der Lieferung von Kampfpanzern und Langstreckenraketen gesehen“, sagt Peter Rough, Europadirektor der den Republikanern nahestehenden Denkfabrik Hudson Institute.

„Sich nur auf Biden zu verlassen, ist angesichts der großen Sorge in Berlin, dass Trump die Wahlen gewinnt, ein gewagtes Spiel. Scholz tut wenig, um eine europäische Eigenständigkeit in der Sicherheitspolitik zu entwickeln“, meint Rough, der den früheren US-Präsidenten George W. Bush beraten hat.

Langfristige Kosten wären viel höher

„Wenn Putins Aggression nicht Einhalt geboten wird, würden die langfristigen Konsequenzen und Kosten alle unsere heutigen Investitionen bei Weitem übersteigen“, argumentiert Scholz auch in einem Gastbeitrag für die Zeitung „Wall Street Journal“, die bevorzugt von wirtschaftsnahen Republikanern gelesen wird.

Die kollektive Abschreckung und Verteidigung der Nato müsse glaubhaft sein, schreibt Scholz und betont die Aufstockung der Verteidigungsausgaben Deutschlands auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Genau das hatte Trump während seiner Präsidentschaft immer gefordert.

Ob ein Präsident Trump sich von Deutschlands jüngstem Engagement beschwichtigen ließe, ist ungewiss. Trumps einzige Konstante ist seine Unberechenbarkeit. Längst wird dies- und jenseits des Atlantiks darüber nachgedacht, ob er die USA wirklich aus der Nato austreten lassen könnte. Auch das Szenario einer „schlafenden“ Nato wird diskutiert, in der ein möglicher Präsident Trump nur noch auf dem Papier Mitglied bliebe, aber das Engagement weitestgehend einstellen würde.

Noch hingegen sitzt Joe Biden im Oval Office. Für ein paar Bilder des freundschaftlichen Händedrucks mit Olaf Scholz dürfen die mitreisenden Journalisten kurz die Herzkammer der Weltmacht betreten, dann schließen sich die Türen. Im Vorfeld hieß es von deutscher und amerikanischer Seite, man werde vor allem über die Ukraine, die Nato und die Lage im Nahen Osten sprechen.

Und doch könnte dieses Treffen von Biden und Scholz in die Geschichtsbücher eingehen – als letztes Hurra des transatlantischen Zeitalters. Sollte Trump die Wahl gewinnen, wird zwischen den USA und Europa nichts mehr sein, wie es einmal war. Donald Trump jedenfalls scheint keinen großen Wert auf politische Freundschaften zu legen. Er braucht nicht mal einen Hund.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World