Verhandlungsrunde abgesagt: Warum die BVG auf die Gewerkschaft Verdi so sauer ist

verhandlungsrunde abgesagt: warum die bvg auf die gewerkschaft verdi so sauer ist

Kein Rad dreht sich: Der erste Warnstreik in der laufenden Tarifauseinandersetzung legte am 2. Februar auch den BVG-Busverkehr in Berlin sieben Stunden lang lahm. Doppeldecker stehen im Omnibus-Betriebshof Cicerostraße hinter Schloss und Riegel.

Im Streit um bessere Arbeitsbedingungen bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) droht eine Verzögerung. Denn das Landesunternehmen hat die dritte Runde der Tarifverhandlungen, die für Freitag geplant war, am Dienstag abgesagt. Die BVG ließ der Gewerkschaft Verdi mitteilen, dass sie am 1. März, anders als vor Wochen miteinander abgestimmt, für Gespräche nicht zur Verfügung steht. Der Grund: Zur selben Zeit ruft Verdi zu einem Warnstreik auf, der in Berlin schon Donnerstag startet.

Derartige Paukenschläge kommen in Tarifrunden selten vor. Normalerweise ist die Arbeitgeberseite bemüht, Gespräche dieser Art schnell zum Abschluss zu bringen. Doch am Dienstag wurde klar: In der BVG-Chefetage ist man genervt darüber, welche Folgen die bundesweite Strategie von Verdi für das Unternehmen hat. Obwohl die Tarifverhandlungen in Berlin nach Einschätzung beider Seiten konstruktiv verlaufen und sich bei mehreren Themen Lösungen abzeichnen, lasse Verdi in die nächste Runde hinein streiken, hieß es. „Das ist schlechter Stil“, teilte das Unternehmen am Mittag mit.

Wie berichtet hat die Gewerkschaft, die in Berlin und 14 weiteren Bundesländern mit kommunalen Verkehrs-Arbeitgebern über neue Tarifverträge verhandelt, zu einer bundesweiten Streikwoche aufgerufen. Höhepunkt soll am Freitag ein „Klimastreik“ sein, den Verdi mit der Klimaschutzbewegung Fridays for Future organisiert. In Berlin dauert er anders als anderswo nicht den ganzen Tag, doch der Frühberufsverkehr ist betroffen. U-Bahnen, Busse und Straßenbahnen stehen vom 29. Februar, 3 Uhr, bis 1. März, 14 Uhr, still. Nach dem Ausstand am 2. Februar ist es der zweite Warnstreik.

„Die völlig unnötige Eskalation von Verdi hat Auswirkungen auf den Verhandlungsverlauf“, so die BVG in einer Stellungnahme. „Wir waren für den 1. März verabredet, Agenda und Schwerpunktthemen stehen. Verdi kann aber unmöglich von uns verlangen, während eines Streiks an den Verhandlungstisch zu kommen. Daher sagen wir die dritte Verhandlungsrunde am 1. März ab. Die Verzögerungen gehen auf die Kappe der Gewerkschaft auf Landesebene, die sich für bundesweite Ziele vor den Karren spannen hat lassen.“ Die BVG ließ der Gewerkschaft die Absage über den Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) Berlin mitteilen. Dort finden die Verhandlungen statt.

In allen Bundesländern außer Bayern verhandelt Verdi mit den kommunalen Arbeitgebern von mehr als 130.000 Beschäftigten, die Busse, Bahnen und andere Nahverkehrsmittel betreiben. Worum es geht, ist je nach Region unterschiedlich. So steht in Hamburg und Schleswig-Holstein die Einführung der 35-Stunden-Woche im Vordergrund, im Land Brandenburg und anderswo sollen Löhne und Gehälter spürbar angehoben werden.

Wie berichtet wird es um die Entgelte bei der BVG erst Anfang 2025 wieder gehen. Die jetzigen Verhandlungen zielen auf einen neuen Rahmentarifvertrag für die fast 16.000 Mitarbeiter der BVG und deren Tochterunternehmen Berlin Transport (BT). Im Mittelpunkt stehen bessere Arbeitsbedingungen. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter sind sich darin einig, dass es attraktiver werden muss, im BVG-Fahrdienst zu arbeiten. Fluktuation und Krankenstand sind hoch, das Fahrpersonal klagt nicht nur über Stau und Baustellen, sondern auch über große Arbeitsbelastung.

Einigkeit herrscht auch darüber, dass bei mehreren der in drei Pakete gegliederten Themen eine Einigung in Sicht ist. So zeichnet sich unter anderem ab, dass die Mindestruhezeit zwischen den Dienstschichten von elf auf zwölf Stunden verlängert wird. Absehbar ist auch, dass eine sechste Entgeltstufe eingeführt wird – davon würden Mitarbeiter, die schon lange bei der BVG sind, profitieren. Die unbezahlten Pausenanteile im Fahrdienst, die sich derzeit auf 50 Minuten pro Schicht summieren, sollen verkürzt werden: Anfang 2025 auf 40, Anfang 2027 auf 30 Minuten.

In einem wichtigen Punkt gebe es dagegen eine „komplette Verweigerungshaltung der Arbeitgeberseite“, kritisiert die Gewerkschaft. In der Tat: Die BVG hat erneut signalisiert, dass sie sich außerstande sieht, die Verdi-Forderung nach der Verlängerung der betrieblichen Wendezeit auf zehn Minuten zu erhöhen. Um diesen Wunsch zu erfüllen, müssten rund 600 zusätzliche Fahrer eingestellt und Milliarden Euro in Fahrzeuge und Infrastruktur investiert werden. So müssten Endhaltestellen und Endbahnhöfe erweitert werden, damit dort weitere Busse und Bahnen Platz haben.

Laut BVG betrage die betriebliche Wendezeit in rund einem Sechstel der Fälle weniger als fünf Minuten. Nicht selten stünden laut Plan sieben, acht oder zehn Minuten zur Verfügung. Das Problem sei, dass diese Planzeiten nicht eingehalten werden und in der Praxis kürzer ausfallen – unter anderem, weil die BVG durch Staus, Baustellen und ungünstige Ampelschaltungen aufgehalten wird.

Deshalb sei es wichtig, dass der Bus- und Straßenbahnverkehr wieder beschleunigt wird – ein Thema, das in Berlin schon seit zweieinhalb Jahrzehnten auf der Agenda steht. Dem Vernehmen nach sucht die BVG nach weiteren Lösungen, um Druck aus dem System zu nehmen.

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