Bei der Urteilsverkündung bricht er zusammen: Serientäter kommt hinter Gitter
Taten in Soest und Geseke
Bei der Urteilsverkündung bricht er zusammen: Serientäter kommt hinter Gitter
Die Polizei suchte fieberhaft nach der Frau. Eine Zeugin fand die Vermisste.
Zu einer Haftstrafe von 18 Monaten hat das Soester Amtsgericht am Mittwoch einen 23-jährigen Mann aus Tunesien verurteilt. Die Liste seiner Straftaten ist lang.
Soest/Geseke – „Können Sie sich an die einzelnen Taten denn überhaupt noch erinnern?“, fragte der vorsitzende Richter nicht ganz unberechtigt. Zum einen, weil es so viele Taten sind, die dem tunesischen Flüchtling vorgeworfen wurden. Zum anderen, weil der 23-Jährige im vergangenen Herbst im Wesentlichen Autos abgeklappert hatte in der Hoffnung, in nicht verschlossenen Fahrzeugen Wertsachen zu finden, er aber nicht überall fündig wurde und somit auch Fälle in den Anklageschriften landeten, in denen er nur am Türgriff gerüttelt hatte.
Einige der Anklagepunkte klangen vertraut, denn diese Taten beging er nicht alleine, und während ein Komplize unerkannt davon kam, wurde ein Dritter wegen dieser und einiger weiterer Delikte bereits Anfang Februar zu einer einjährigen Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Gemeinsam fanden sie im Geseker Stadtteil Ehringhausen diverse Autos, ein Wohnmobil und eine Garage, die nicht abgeschlossen waren, ließen Geldbörsen, Kleidung, Smartphones, ein Tablet, Bluetooth-Lautsprecher und Zigaretten mitgehen. Zurück zur ZUE Soest fuhren sie auf ihrer wertvollsten Beute, zwei gestohlenen E-Scootern, und erregten damit an der Pforte die Skepsis des Wachpersonals, das das Duo festhielt bis zum Eintreffen der Polizei.
Polizistin: „Der Fall hielt uns bis in den Nachmittag in Atem“
Das sei am frühen Morgen gewesen, „aber der Fall hielt uns bis in den Nachmittag in Atem, weil sich die ganzen Geschädigten bei uns meldeten“, sagte eine ermittelnde Beamtin im Februar vor Gericht aus. Einer habe sogar bereits auf seinem eigenen Handy angerufen, noch während die Polizei das Duo an der ZUE durchsuchte.
Ähnlich ging der Mann bei diversen Beutezügen in Soest vor. Seine wertvollste Beute waren ein Laptop im Wert von knapp 1000 Euro, acht Armbanduhren, die insgesamt auf fast 500 Euro kamen, ein Fernglas für 600 Euro, Handys, etliche Sonnenbrillen, eine Geldbörse samt Papieren, außerdem knackte er zwei Fahrradschlösser, um die Räder mitgehen zu lassen. Auf insgesamt 18 Diebstahlsfälle summierte sich die Anklage, wobei es in fünf Fällen beim Versuch blieb. Mit dem Laptop und dem Fernglas wurde er im Zug nach Dortmund erwischt – weil er ohne Ticket fuhr. Somit kam also auch noch das „Erschleichen von Leistungen“ hinzu.
Einen Monat vor den Taten in Soest kam er nach Deutschland
Der Beschuldigte folgte der viertelstündigen Verlesung der Anklageschriften mit geneigtem Kopf und weinte die gesamte Verhandlung hindurch. Seinen eigenen Ausführungen zufolge waren die vergangenen zehn Jahre alles andere als ein Zuckerschlecken. Der Vater sei gestorben, als er 12 Jahre alt war, die Mutter habe neu geheiratet und ihn verstoßen. Die folgenden Jahre habe er bei Angehörigen des Vaters verbracht, sei jedoch durchgehend gemobbt worden, weil die nur ungern für ihn aufgekommen seien.
Mit 20 sei er nach Europa gekommen. In Italien sei er zunächst bei einem Friseur untergekommen, der ihm versprochen habe, ihn auszubilden, ihn jedoch ein Jahr lang als unbezahlte Putzkraft ausgebeutet und in der Garage habe schlafen lassen. Nach drei Monaten als Obdachloser auf den Straßen von Paris ging er für ein Jahr in die Niederlande. Dort sei er bereits straffällig geworden und verurteilt worden. Eine Offenbarung, die für das Gericht neu war. Er habe begonnen, Alkohol und Drogen zu konsumieren. Einen Monat vor seinen Taten in Soest und Geseke kam er nach Deutschland. Zum Teil habe er auch bei seinen Taten in Soest und Geseke unter Drogen gestanden. Er sei zu den Taten angestiftet worden – komisch, genau das hatte auch sein Komplize vor drei Monaten behauptet. Seit Dezember sitzt er in der JVA Bochum in Untersuchungshaft.
Auch, wenn der Verteidiger noch hoffte, mit Verweis auf die Reue seines Mandanten ein Jahr auf Bewährung herauszuholen, so verfuhr das Schöffengericht „wie in allen Fällen gleicher Art der vergangenen Monate“; folgte weitgehend dem Plädoyer der Oberstaatsanwältin und verurteilte den Mann zu 18 Monaten Haft ohne Bewährung. Der Haftbefehl bleibt aufrecht und in Vollzug.
Denn Voraussetzung für eine Bewährungsstrafe wäre eine günstige Sozialprognose oder zumindest eine verminderte Schuldfähigkeit. Doch für keines von beiden gebe es Anhaltspunkte: „Aus unserer Sicht ist die Haft daher die einzige Möglichkeit, mittels der Angebote, die es heute in den Justizvollzugsanstalten gibt, eine Grundlage dafür zu schaffen, nach der Haft ein straffreies Leben zu führen“, so der Richter in seiner Urteilsbegründung. Der Angeklagte, der bei der Verkündung endgültig in sich zusammenbrach, und sein Verteidiger können das Urteil noch anfechten.