„Hybrider Angriff Russlands“: Finnland will Asylrecht einschränken

„hybrider angriff russlands“: finnland will asylrecht einschränken

Kontrolle am Grenzübergang Salla im November 2023

Die finnische Regierung plant ein Gesetz, das es erlauben würde, Asylsuchende an der Grenze ohne Begründung sofort nach Russland zurückzuschicken. Die geplanten Vorschriften dienten der Vorbereitung auf „schwerwiegendste Situationen“, sagte eine Sprecherin des finnischen Innenministeriums der F.A.Z. Auf Details des Gesetzesvorhabens wollte sie nicht eingehen, da sich dieses noch in der Ausarbeitung befinde.

Geplant sei es, das Beantragen von Asyl abseits der Grenzübergänge zu verbieten und illegal Einreisende „unmittelbar nach Russland zurückzuschicken“, sagte der Parlamentsabgeordnete Pekka Toveri der F.A.Z. General a. D. Toveri war einst Chef des finnischen Militärgeheimdiensts; er ist Abgeordneter der Natio­nalen Sammlungspartei von Ministerpräsident Petteri Orpo.

Toveris Angaben nach ist geplant, künftig nur an offiziellen Grenzübergängen Asylanträge entgegenzunehmen. Wenn viele Migranten zu ei­nem Übergang strömten, könne man diesen schließen. Geplant sei auch, Asylanträge deutlich schneller zu bearbeiten und Asylbewerber bis zum Abschluss ihrer Verfahren den Aufenthalt in Grenznähe vorzuschreiben. Bisher können sie sich weitgehend frei im Land bewegen.

Bis zum 14. April bleiben die Übergänge geschlossen

Derzeit arbeitet eine Gruppe im Innenministerium nach Angaben der Zeitung „Ilta-Sanomat“ an dem Gesetzentwurf mit dem Titel „Bekämpfung der Ins­trumentalisierung der Einwanderung und Stärkung der Grenzsicherung“. Bis Ende März soll er demnach vorliegen. Finnland hält die Übergänge an der mehr als 1300 Kilometer langen Grenze mit Russland seit Monaten mit einer kurzen Un­terbrechung geschlossen, da es sich einem hybriden Angriff Russlands mittels gesteuerter Migranten ausgesetzt sieht.

Seit Anfang August sind nach Angaben des finnischen Innenministeriums mehr als 1300 Drittstaatsangehörige ohne Visum aus Russland nach Finnland gekommen. Finnischen Angaben nach hatten die meisten ein Visum für Russland. Viele von ihnen sind demnach längst weiter­gereist in andere europäische Länder. Die Grenzübergänge sollen nun vorerst bis zum 14. April geschlossen bleiben. Auch für den Zeitraum danach wird in Helsinki nicht von einer vollständigen Öffnung der Ostgrenze ausgegangen.

Toveri ist Mitglied im Verteidigungsausschuss des Parlaments. Nach seinen Angaben halten sich derzeit Hunderte, wenn nicht Tausende Migranten in Hotels oder Lagern in Grenznähe auf und warten auf eine Gelegenheit, nach Finnland zu gelangen. Russland hat die Migranten nach Angaben finnischer Behörden gezielt zur Grenze gebracht. Das deckt sich mit Aussagen von Asylbewerbern in finnischen Medien.

Die Grenze ist auf rus­sischer Seite kilometerweit ins Landes­innere von mehreren Posten des Geheimdienstes FSB gesichert. Ein Vordringen von Migranten ohne Zustimmung der russischen Behörden gilt als ausgeschlossen. „Die Instrumentalisierung der Migration ist einer der Versuche Russlands, Druck auszuüben und die nationale Sicherheit und soziale Stabilität Finnlands und der EU zu beeinträchtigen“, sagte eine Sprecherin des finnischen Innenministeriums.

Das europäische Musterland will eine Ausnahme

Nur sehr wenige der Asylbewerber kamen bisher abseits der Übergänge durch die Wälder über die Grenze. Das könnte sich mit den steigenden Temperaturen än­dern. „Es ist möglich, dass wir im Frühjahr eine Veränderung der Grenzsituation erleben werden“, bekräftigte Innenministerin Mari Rantanen von den rechtspopulistische Basisfinnen nun gegenüber der F.A.Z. Das geplante Gesetz zielt darauf, Migration abseits der Grenze zu verhindern.

Rantanen hatte im Gespräch mit deutschen Journalisten im Dezember die Grenzschließungen damit gerechtfertigt, dass es sich um „keine normale Asylsituation“ handelt. Es gehe nicht in erster Linie um die Anzahl der Asylbewerber, sondern darum, dass Finnland gezwungen sei zu reagieren, da Russland als feind­liches Land Druck ausübe. Kämen in kurzer Zeit viele junge Männer als Asylbewerber in ein Land, sei das „definitiv ein Problem“, so Rantanen: Die Polarisierung im Land nehme zu, die Wirtschaft werde beeinträchtigt, ebenso die Sicherheit.

Finnland ist meist ein europäisches Mus­terland; eine möglichst weitgehende Implementierung europäischer Normen war hier stets auch ein Sicherheitsargument. Das Gesetzesvorhaben dürfte im Widerspruch zu EU-Vorgaben stehen. Doch werden europäische Asylrechtsnormen in Helsinki angesichts der russischen Bedrohung als veraltet beschrieben. Das derzeitige Asylsystem sei „kaputt“, sagte der Abgeordnete Toveri, da autoritäre Regime es als Waffe gegen demokratische Systeme nutzen könnten. „Wir müssen die Migrationsgesetze in Europa überar­beiten“, so Toveri. Es sei weiterhin notwendig, vulnerable Personen aufzunehmen, doch dürfe man sich dadurch nicht angreifbar durch Diktaturen machen.

Der Leiter des Bereichs „Vulnerabilität und Resilienz“ des Europäisches Kompetenzzentrums für die Bekämpfung Hybrider Bedrohungen (Hybrid CoE) in Helsinki, Jukka Savolainen, sagte dazu bereits im Dezember, Finnland sei wehrlos gegen die russische Bedrohung durch Mi­granten, wenn es dem rechtlichen europäischen Rahmen folge. Das gegenwärtige Recht lasse eine Bewältigung der Lage nicht zu, wenn ein aggressiver Staat Mi­granten gegen Finnland einsetze, so Savolainen. Es sei ein Prinzip des Völkerrechts, dass Staaten die Anwendung einer Vereinbarung aussetzen könne, wenn sie gefährlich werde. Es seien „größere Dinge in Gefahr als nur das Nichtbefolgen von europäischen Direktiven“.

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