Bayerns Schiedsrichter-Frust ist nur eine willkommene Ausrede
Madrid. Der FC Bayern verpasst nach dem 1:2 im Rückspiel von Madrid das Champions-League-Finale von Wembley. Spieler, Fans und Offizielle schimpfen im Nachgang über Schiedsrichter Szymon Marciniak. Warum das verständlich, aber unbegründet ist.
Matthijs de Ligt diskutiert nach seinem vermeintlichen Tor mit Schiedsrichter Szymon Marciniak.
Der Traum vom „deutschen Wembley 2.0“ ist ausgeträumt. Einen Tag nach dem sensationellen Weiterkommen des BVB in Paris hat der FC Bayern München sein K.o.-Spiel bei Real Madrid mit 1:2 verloren und das Endspiel der Champions League damit verpasst. Für Diskussionen sorgte vor allem eine Szene in der 13. (!) Minute der Nachspielzeit: Matthijs de Ligt hatte den vermeintlichen Ausgleichstreffer erzielt, soll aber nach einem langen Ball von Joshua Kimmich im Abseits gestanden haben – so jedenfalls entschied der Unparteiische.
Entgegen der eigentlichen Praxis hatte Schiedsrichter Szymon Marciniak sofort abgepfiffen, anstatt die Szene erst einmal zu Ende laufen zu lassen. Die Bayern schimpften. Und sie haderten. Und sie tobten. Trainer Thomas Tuchel bezeichnete die Entscheidung als „gegen alle Regeln des modernen Fußballs“, als „ein absolutes Desaster“. De Ligt selbst fand es „unglaublich“, Thomas Müller „absolut wild“. Am Ende gilt: Der Ärger ist natürlich verständlich, aber letztlich auch nur eine willkommene Ausrede, um von eigenen Fehlern abzulenken.
Die Wiederholungen und zahlreiche Bilder in Sozialen Medien legen sogar nahe, dass die Entscheidung trotz des kontroversen Pfiffs richtig war. Und selbst, wenn der Schiedsrichter hätte laufen lassen, ist ja nicht auszuschließen, dass Real-Keeper Andrij Lunin den schwach geschossenen Ball pariert hätte. Schließlich hatte dieser aufgrund des Pfiffs längst aufgehört zu spielen.
Letztlich muss man eine Sache anerkennen – ganz unabhängig von dieser Szene, an der sich Bayern aufhängen: Das Ausscheiden ist verdient. Punkt. Die Münchner waren über die komplette Spieldauer schlechter als Real. Nur dank eines glänzend aufgelegten Manuel Neuer, der bis zur 87. Minute jeden Schuss, ja teils fast unmöglichen Schüsse pariert hatte, waren die Münchner überhaupt so lange im Spiel. Und es gibt noch mehr Beispiele, die Münchens Unterlegenheit dokumentieren: Joshua Kimmich bekam Vinicius Jr. über die gesamte Spielzeit nicht in Griff, Leroy Sané war fast gänzlich abgemeldet. Auch das Offensivspiel der Bayern war einfach nicht finalwürdig. Nicht umsonst brauchte es eine Einzelaktion von Alphonso Davies, um überhaupt das Führungstor zu erzielen.
Apropos Davies. Der Linksverteidiger wurde nach der Verletzung von Serge Gnabry als offensiver Flügelspieler eingewechselt. So wie auch insgesamt die Auswechslungen von Thomas Tuchel im wörtlichen Sinne bemerkenswert waren: Am Ende der Partie spielte einen Innenverteidiger links, ein Sechser rechts in der Abwehrkette. Die offensiven Außen waren zwei Außenverteidiger, obwohl es mit Mathys Tel und Bryan Zaragoza zwei dribbelstarke Angreifer im Angebot gab.
Immerhin: Bundestrainer Julian Nagelsmann kann durchatmen, dass die Bayern-Spieler frühzeitig in die EM-Vorbereitung starten können. Und die Bayern-Bosse müssen sich keinen Fragen stellen, warum sie einen Champions-League-Sieger-Trainer am Saisonende entlassen.
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