Bauernproteste: Berliner Feuerwehrmann jubelte den Landwirten zu – und muss nun mit Strafe rechnen
Traktoren passieren die Feuerwache Wittenau – ein Feuerwehrmann reckt die Hände in die Höhe.
Ein Mitarbeiter der Feuerwache Wittenau könnte Ärger bekommen. Er jubelte während seines Dienstes am vergangenen Sonntagabend Bauern zu, die mit Treckern auf der Roedernallee mutmaßlich unterwegs zum Brandenburger Tor waren.
Derzeit prüft die zuständige Fachabteilung mit Namen „Zentraler Service – Recht“, ob sie gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren einleitet. Ob das passiert, ist nach Auskunft eines Behördensprechers noch nicht klar. „Aufgrund laufender Ermittlungen“ könne er keine Aussagen machen.
Ein Video, das in Chatgruppen der Feuerwehr kursiert, zeigt, wie am vergangenen Sonntag eine Treckerkolonne an der Feuerwache vorbeifährt. Aus den offenen Rolltoren der Feuerwache klingen die Martinshörner der Löschfahrzeuge, der Feuerwehrmann klatscht und vollführt dann eine Art La-Ola-Welle. Unterlegt ist die Szene mit dem Tatütata der Martinshörner der Löschfahrzeuge, das aus den hochgezogenen Rolltoren schallt.
Laut Beamtenstatusgesetz hätte der Feuerwehrbeamte möglicherweise nicht jubeln dürfen. Denn Beamte unterliegen einem sogenannten Mäßigungsgebot und müssen unparteiisch sein. Das beinhaltet unter anderem, dass sie zwar als Privatperson an einer Demonstration teilnehmen oder in anderer Hinsicht ihre politischen Ansichten kundtun dürfen, nicht jedoch in Dienstkleidung beziehungsweise in Uniform.
Juristisch könnte es aus Sicht von dessen Kollegen jedoch schwierig werden, dem Beamten ein Disziplinarverfahren anzuhängen. Denn theoretisch hätte er auch einen Bekannten grüßen können. Einige Feuerwehrleute hätten Verwandte, die Bauern seien. Zudem haben die Treckerfahrer auf der Roedernallee gar nicht demonstriert, sondern seien auf dem Weg zu einer Demo am darauffolgenden Montag gewesen.
„Ich persönlich sehe kein Problem darin, wenn ein Feuerwehrmann seine Sympathie zum Ausdruck bringt“, sagte Joachim Ruckwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, bei der Fragestunde des Vereins der Agrarjournalisten anlässlich der Grünen Woche. „Er hat es ja nicht während eines Einsatzes gemacht, da würde es nicht passen. Aber dass er in der Feuerwache zum Tor rausschaut und drei, vier Meter nach vorne läuft, um die Sympathie zu bekunden, finde ich als Landwirt eine sehr schöne Geste.“
Die Martinshörner waren an, obwohl die Fahrzeuge nicht mit Sonderrechten zu einem Notfall unterwegs waren – das sorgt in der Behördenleitung ebenfalls für Stirnrunzeln. Dennoch dürfte es auch in dieser Hinsicht schwer werden, die Kollegen des Beamten wegen „Missbrauchs von Notsignalen“ zu bestrafen. Denn ein solcher „Missbrauch“ wurde auch schon von höchster Stelle unter anderem in der Feuerwache Karlshorst angeordnet: Beim jüngsten Jahreswechsel wurde um 0 Uhr das neue Jahr mit Blaulicht und Martinshorn begrüßt.
Dass die Bauern mit ihren Protesten Zuspruch von Feuerwehrleuten finden, zeigt sich auch an verschiedenen Fotos und Fotomontagen, die in den Chatgruppen der Mitarbeiter die Runde machen. Auch die Mitarbeiter der Wache, die den Beifall ihres Kollegen mit ihren Martinshörnern akustisch unterstützten, erhalten Solidaritätsbekundungen aus anderen Teilen der Feuerwehr.
Inzwischen haben Berliner Feuerwehrmänner eine Solidaritätsaktion für ihren Kollegen gestartet. Sie zeigen unter anderem Rettungswagen, in denen Gummistiefel hinter der Windschutzscheibe liegen oder Rettungswagen und Gummistiefel – versehen mit dem Slogan #laolaistkeinverbrechen. Unter diesem Hashtag gibt es die Soli-Bekundungen unter anderem bei X (ehemals Twitter).
Im Netz und in Chatgruppen macht eine Solidaritätsbekundung für den Feuerwehrmann die Runde.
Diskutiert wird innerhalb der Belegschaft auch ein anderer Aspekt dieser „Affäre“: nämlich der, dass es mit der Neutralität von Berlins Behörden mitunter nicht weit her sei. „Denn wenn Beamte von Feuerwehr und Polizei etwa angehalten werden, beim Christopher Street Day mitzumachen, wenn Berliner Behörden die Regenbogenfahne hissen, dann ist auch das ein politisches Bekenntnis und eben nicht neutral“, sagt einer der Feuerwehrbeamten. Er präsentiert bei dieser Gelegenheit eine ältere Rundmail seiner Behördenleitung vom Juli 2019, in der die Belegschaft aufgerufen wird, am CSD teilzunehmen. Man wollte klein anfangen und „zunächst ohne Großfahrzeuge dabei sein, dafür mit umso mehr Leuten“.
Unterdessen gehen dem Vernehmen nach Dankesbekundungen von Bauern bei der Berliner Feuerwehr für die gezeigte Solidarität ein. Auch die Behördenleitung soll einen solchen Anruf bekommen haben, über den man irritiert war. Der Feuerwehrsprecher versichert, das stimme nicht.