«Bauern blenden die Gefahren von Güllenlöchern oft aus»
Immer wieder kommt es auf Bauernhöfen zu tödlichen Unfällen bei Jauchegruben – zuletzt im Emmental. Die meisten wären vermeidbar, sagt ein Experte.
Güllenlöcher können eine tödliche Gefahr sein: Hier eine Grube im luzernischen Zell nahe Huttwil (2021).
Am Sonntagabend verunglückten in Trubschachen zwei Männer in einem Güllenloch. Ein 49-jähriger Mann starb, die andere Person wurde in kritischem Zustand ins Spital gebracht. Laut der Berner Kantonspolizei dürfte ein «Unfallgeschehen bei Arbeiten im Güllenloch» zu diesem Unglück geführt haben.
Beat Burkhalter ist Sicherheitsfachmann bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL). «Es kommt immer wieder zu solchen Unfällen», sagt er. «Die meisten wären vermeidbar.» Die genauen Umstände des Unglücks in Trubschachen kennt er allerdings nicht.
Bei der Bschütti handle es sich um lebendes Material. Bei der Vergärung entstünden Gase wie Ammoniak, Methan oder Kohlendioxid. Werde Bschütti umgerührt, werde noch mehr Gas freigesetzt.
Während Ammoniak zu riechen ist, sind andere Gifte wie etwa Schwefelwasserstoff geruchlos. «Davon genügen zwei oder drei Atemzüge für eine tödliche Vergiftung», sagt Burkhalter.
Gefahren sind bekannt
Burkhalter führt regelmässig Betriebskontrollen durch. Die Arbeitssicherheit, auch die Gefahr von Gasen, sei immer ein Thema. Das sei etwa auch bei Schulungen und überbetrieblichen Kursen der Fall. Zudem gebe es viele Fachartikel zum Thema.
Jeder Bauer, jede Bäuerin wisse, dass eine Jauchegrube gefährlich sei, sagt Burkhalter. «Aber in vielen Fällen werden die Gefahren einfach ausgeblendet.»
Gemäss einer neuen Regelung von 2022 müssen Jauchegruben abgedeckt sein – aus Gründen der Luftreinhaltung. Aber noch gilt eine mehrjährige Übergangsfrist. Die Beratungsstelle habe sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass die abgedeckten Gruben über eine Entlüftung verfügen.
Zu Gülle-Unfällen komme es in der Regel nicht aufgrund von Stürzen, sondern durch absichtliches Einsteigen.
Mit Absicht in die Grube
Für den Sicherheitsfachmann ist kein Grund ersichtlich, «warum man an einem Sonntagabend eine Jauchegrube betreten muss». Falle etwa eine Abdeckung herein, könne man diese später gesichert herausholen.
Zusammen mit dem Kanton Bern hat der Kanton St. Gallen ein Merkblatt für die «Sicherheit beim Einstieg in Güllegruben» erstellt. Es trägt auch den Stempel der Beratungsstelle für Unfallverhütung.
Im Umgang mit Gülle ist Vorsicht geboten.
Eine Grube dürfe niemals von einer Person alleine kontrolliert werden, heisst es darin. Die Grube müsse zwingend ausreichend belüftet werden. Und: «Die Kontrolle darf nur mit Seilsicherung durchgeführt werden.»
Man müsse immer mit einer tödlichen Gaskonzentration rechnen. Um Vergiftungs- und Explosionsrisiken durch Güllegase zu vermindern, müsse der Leerraum von Güllebehältern ausreichend durchlüftet werden.
Weniger Todesfälle als früher
Die Beratungsstelle führt seit Jahren eine Statistik über Unfälle in der Landwirtschaft. Dabei stützt sie sich auf offizielle Polizeimeldungen und persönliche Auskünfte von Betroffenen. Eine Meldepflicht existiere nicht, betont sie.
Die Zahlen belegen, dass es heute zu weniger tödlichen Unfällen kommt als früher. Allerdings nimmt auch die Zahl der Betriebe und Beschäftigten stetig ab.
Gefährliche Rettung
Die Todesursachen werden in der Statistik nicht pro Jahr aufgeschlüsselt. Was sich sagen lässt: Von 2013 bis 2023 kam es zu 298 Todesfällen auf Bauernhöfen – und von diesen sind 15 auf Gase zurückzuführen, also 5 Prozent.
So starben im Juni 2022 zwei Landwirte bei Arbeiten an einer Jauchegrube in einem Stall in Hirzel ZH; sie wurden leblos in der Jauchegrube gefunden. Und im März 2022 starben in Oberkirch LU zwei Personen; ein Mann stürzte in eine Jauchegrube, ein anderer wollte ihm helfen.
Es komme häufig vor, dass jemand einer anderen Person helfen wolle und dabei selbst verunglücke, sagt Beat Burkhalter.
In einem Merkblatt weist der BUL auf das richtige Verhalten hin: Zuerst soll alarmiert, dann die Unfallstelle sofort mit Frischluft versorgt werden. Und eine Rettung soll «nie alleine und nur angeseilt» durchgeführt werden.
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