Ein Referatsleiter des deutschen Auslandsgeheimdienstes hat vor dem Berliner Kammergericht bestritten, für den russischen Geheimdienst FSB spioniert zu haben. Er habe den BND nicht verraten, beteuerte er. Sein Anwalt beschimpfte unterdessen den Richter.
Spionageskandal beim BND dpa/Wolfgang Kumm
Vor dem altehrwürdigen Berliner Kammergericht haben schon viele spektakuläre Prozesse stattgefunden. Spannend wurde es vor allem dann, wenn der Senat für Staatsschutzsachen verhandelte. Spione und Terroristen, die nicht selten bis zum Urteilsspruch ihre Unschuld beteuerten, saßen dort schon auf der Anklagebank. Um die Sicherheit der Angeklagten zu gewährleisten, wurde in den 90er-Jahren sogar ein Saal mit schusssicherer Glaskabine eingerichtet.
Die beiden Angeklagten, die sich am Mittwoch vor dem Kammergericht verantworten mussten, sind zwar nicht akut gefährdet, für die Sicherheit Deutschlands hat der Prozess aber eine enorme Bedeutung. Der Generalbundesanwalt hat einen Referatsleiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und einen Geschäftsmann wegen des Verdachts des schweren Landesverrats angeklagt. Sie sollen für den russischen Geheimdienst FSB spioniert haben.
Der BND-Mitarbeiter Carsten L. hatte sich für den Verhandlungstag viel vorgenommen und angekündigt, nach langem Schweigen Stellung zu den schweren Vorwürfen nehmen zu wollen. Zunächst aber hatte nicht er, sondern sein 68-jähriger Anwalt einen großen Auftritt. Der Kreuzberger Jurist Johannes Eisenberg, der bei Berliner Gerichten wegen seiner Pöbeleien berüchtigt ist, beschimpfte den Vorsitzenden Richter Detlev Schmidt ausgiebig. Es ging etwa um die krankheitsbedingte Verzögerung des Prozesses, einen Antrag auf Haftprüfung und die Haftbedingungen seines Mandanten. Der Richter wies die Vorwürfe gelassen zurück.
Erst danach verlas Eisenberg, der eine Lederjacke statt Robe trug, eine Erklärung seines Mandanten. Wichtigste Aussage: „Der Angeklagte wollte und hat den BND nicht verraten.“ Das sieht die Bundesanwaltschaft anders. Sie wirft Carsten L. vor, insgesamt neun Dokumente aus den internen Datenverarbeitungssystemen des Bundesnachrichtendienstes dem FSB zur Verfügung gestellt zu haben.
„Diese Dokumente druckte er bei zwei Gelegenheiten zwischen Mitte September und Anfang Oktober 2022 an seinen Dienstrechnern in Pullach und Berlin aus oder fotografierte sie vom Bildschirm ab. Das so gewonnene Material übergab Carsten L. an Arthur E., welcher von den Papierausdrucken Fotos anfertigte, die Daten in elektronischer Form nach Moskau brachte, dort ausdruckte und an den FSB weiterreichte“, hatte die oberste deutsche Anklagebehörde mitgeteilt.
Bei Arthur E. handelt es sich um den zweiten Angeklagten. Der Edelsteinhändler soll der Kurier gewesen sein. Anders als Carsten L. hatte er sich in den Vernehmungen umfassend geäußert. Seine Angaben und die Ermittlungsergebnisse sind Grundlage der Anklage. Demnach floss auch reichlich Geld vom FSB als Agentenlohn, 450.000 Euro für den BND-Mitarbeiter und 400.000 Euro für den Kurier. Offenbar war BND-Wissen über den Ukrainekrieg und die Chats der russischen Wagner-Gruppe dem Kreml viel Geld wert.
Carsten L., der nach der Erklärung seines Anwalts auch Fragen des Richters beantwortete, präsentierte am Mittwoch eine andere Version. Demnach stamme das in seinem Schließfach sichergestellte Geld nicht aus Moskau, sondern sei gespart worden. 230.000 Euro habe er im Panzerschrank seines Pullacher Büros, seine Frau 210.000 Euro in einem textilen Koffer im Dachgeschoss ihres Hauses aufbewahrt. Wegen seiner Versetzung nach Berlin habe er sich entschlossen, ein Schließfach in einer von Arthur E. empfohlenen Bank anzumieten. Als Carsten L. berichtete, dass er nicht gewusst habe, dass seine Frau diese große Summe Geld in einem Koffer aufbewahren würde, brachen die Vertreter des Generalbundesanwalts in Gelächter aus.
Während Carsten L., der bei seiner Aussage neben Anwalt Eisenberg Platz genommen hatte, seine Geschichte erzählte, schüttelte Arthur E. hinter ihm immer wieder mit dem Kopf und lachte. Klar ist, dass einer von beiden lügt. Carsten L. stellt es grob zusammengefasst so dar, dass es verschiedene Möglichkeiten gegeben haben könnte, wie die angeblich beim FSB gelandeten Dokumente nach Russland gelangt seien. An den Tagen, an dem er Arthur E. die Unterlagen übergeben haben soll, habe es keine Treffen gegeben. E. sei wegen seiner Geschäfte in Afrika und wegen seiner Verbindungen nach Russland für den BND interessant gewesen. Aber der habe sich als Schwätzer und Hochstapler entpuppt. Carsten L. war sichtlich bemüht, die Glaubwürdigkeit von E. infrage zu stellen.
Das versuchte Anwalt Eisenberg auch in Bezug auf den BND-Präsidenten Bruno Kahl. Er warf ihm vor, sich in Widersprüche verwickelt zu haben. Mal habe er gesagt, der Schaden sei überschaubar, mal habe er von einer Katastrophe gesprochen, so Eisenberg. Da der Prozess am Donnerstag fortgesetzt wird und noch mehrere Monate andauern wird, sind weitere aufsehenerregende Verhandlungstage zu erwarten.
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