Krasser Vergleich: Das Eliot-Quartett eröffnet seinen Schostakowitsch-Zyklus

krasser vergleich: das eliot-quartett eröffnet seinen schostakowitsch-zyklus

Das Eliot-Quartett bei der Probe im Holzhausenschlösschen Frankfurt. Von links Maryana Osibova (1.Geige), Alexander Sachs (2.Geige), Dimitry Hahalin (Viola) und Michael Preuß (Cello)

Deutlicher als mit dieser Gegenüberstellung hätte sich nicht zeigen lassen, wo Dmitri Schostakowitsch ansetzt, als er sich 1938 mit 32 Jahren als arrivierter Komponist erstmals dem Streichquartett zuwendet. Der für seine eminente musikalische Begabung späte erste Beitrag zu der traditionell höchst angesehenen Kammermusikgattung, sein Opus 49, wirkte im direkten Vergleich mit dem im selben Jahr entstandenen Streichquartett op. 28 von Anton Webern unglaublich regressiv, so hell und in strahlendem C-Dur fast schon provokativ naiv – so als hätte es nie den Ersten Weltkrieg und nie den von so vielen Künstlern danach vollzogenen Bruch mit der Romantik gegeben. Gerade so, als sei kurz vor dem nächsten Weltenbrand alles bestens gewesen in der Sowjetunion unter Stalin, als hätten die um eine Generation älteren Komponistenkollegen der Zweiten Wiener Schule um Schönberg, Berg und eben Webern, als hätten Bartók und Strawinsky nie existiert.

Diese krasse Gegenüberstellung war eine so einfache wie geniale und für die nichts beschönigende Art des Eliot-Quartetts bezeichnende Idee zum vielversprechenden Auftakt des Schostakowitsch-Zyklus „DSCH & beyond“. Das herausragende Frankfurter Ensemble wird ihn für die Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlösschen mit Unterstützung der Grunelius-Stiftung bis zum Juli 2025 mit elf weiteren Konzerten und programmatischen Vergleichen fortsetzen. Die scheinbar heile Welt also zu Beginn in dieser Gattung, die Schostakowitsch so lange mied und nun so brav bediente, nachdem er mit seiner Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ hart angeeckt war und seine vierte Sinfonie vorsorglich in der Schublade behielt.

Andeutung innerer Emigration

Maryana Osipova, Alexander Sachs (Violinen), Dmitry Hahalin (Viola) und Michael Preuss (Cello) ordneten das vortrefflich ein: in hoher Klangkultur als handwerklich perfektes Werk voller Wohlklang, mit Charme und Leichtigkeit, ganz ohne die für Schostakowitsch später charakteristischen sarkastischen Verzerrungen. Die Polyphonie erinnert an Bach, dem Webern in seinem letzten Kammermusikwerk mit dem dissonant gemachten B-A-C-H-Motiv ebenfalls eine Reverenz erweist. Nur ringt er viel schwerer mit der Tradition und dem Bemühen um Schönheit jenseits alter Stile.

Wie es mit Schostakowitsch weitergehen wird, zeigte sein Klavierquintett g-Moll op. 57 von 1940, für das sich der ukrainische Pianist Vadym Kholodenko als treffend mitgestaltender Partner hinzugesellte: mächtig in den orchestralen Schüben klang das, aber auch still introvertiert in den Passagen, in denen sich die innere Emigration andeutet, und frech in den das Banale karikierende Passagen.

Die nächsten Zyklus-Konzerte folgen am 22. Februar und 25. April.

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