Kapitalismuskritik, tolle Schauspieler und ein grossartiger Soundtrack: Die schräge Spielreihe ist zu einem überzeugenden TV-Format geworden.
Derart bevölkert ist die Welt, nachdem sie von einem Atomkrieg heimgesucht wurde.
Es ist komisch, aber der Weltuntergang hat ja auch etwas Heiteres. Von den Alien-Invasionen und dem abstürzenden Mond in den Filmen Roland Emmerichs bis zu den Atomkriegssatiren Arno Schmidts («Die Gelehrtenrepublik»): Das Ende der Welt im Kino und in Büchern ist neben allem Schrecken seltsamerweise oft auch sehr, sehr lustig. Vielleicht ist das so, weil das Weltende Ähnlichkeiten mit der Pointe eines Witzes hat: Meistens kommt es unerwartet, und alles, was vorher unvereinbar erschien, löst sich einfach auf. Wie schön.
Bei aller grundsätzlicher Verehrung fürs Zerstörungskino und das literarische Genre der Postapokalypse: Am besten auf den Punkt gebracht hat diesen Spass am Ende der Welt bisher allerdings die «Fallout»-Computerspielreihe, in der sich die Spieler nach einem Atomkrieg gegen alle erdenklichen Gefahren von radioaktiven Zombies bis zu Riesenkakerlaken zur Wehr setzen müssen.
Aus diesem speziellen Szenario haben die «Westworld»-Erfinder Jonathan Nolan und Lisa Joy nun, 27 Jahre nach dem Erscheinen des ersten Spiels, eine grossartige Serie für Amazon Prime Video gemacht, und um ganz zu begreifen, was ihnen da gelungen ist, muss man erst einmal kurz die Brillanz dieser Spiele beschreiben.
«Fallout» spielt in den USA nach einem Atomkrieg, und der besondere Twist der Games an diesem eigentlich längst auserzählten Szenario sind zum einen das schrullige, retrofuturistische Design und zum anderen die implizite Gesellschaftskritik. Die Spieldesigner haben unter anderem Ideen aus Western- und Horror-Filmen mit Kapitalismuskritik, trashiger Science-Fiction wie «Mad Max» und jeder Menge Americana verquickt.
So heisst Coca-Cola in der Welt von Fallout konsequenterweise: Nuka Cola. Die untergegangenen USA, die sich beim Spielen von «Fallout» nach und nach erschliessen, sind eine fiese Karikatur des echten Amerikas: eine brutale Gesellschaft voller weltfremder Egomanen. Selbst ein Atomkrieg konnte daran nichts ändern.
Sehr durchdachter Irrsinn
Der beste Einfall der Entwickler war aber folgender: Alles, was in unserer Welt mit fossilen Brennstoffen betrieben wird, läuft in der Welt von «Fallout» dank Atomreaktoren. Jedes Haus hat seine eigenen Reaktoren im Keller, jedes Auto ist ein fahrendes Atomkraftwerk, und sogar das Kinderspielzeug enthält radioaktives Material. Klingt vollkommen gaga, wenn man es zu Ende denkt, ist es auch nicht viel absurder als die Gasleitungen, die in unsere Wohnungen führen, und der nach wie vor sorglose Umgang mit Treibhausgasen. «Fallout» ist Irrsinn, aber eben sehr durchdachter Irrsinn.
Ella Purnell (Lucy) ist die Hauptfigur in «Fallout». Sie lebt als achtsame Frau in einem Atombunker.
Aus diesem Fundus suchten sich die Serienmacher nun eine Art Best-of zusammen: Eine ihrer Hauptfiguren ist Cooper Howard (Walton Goggins), vor dem Krieg ein rechtschaffener TV-Sheriff, der zum genauen Gegenteil mutiert ist: Als skrupelloser Kopfgeldjäger, dem vor lauter Strahlung die Haut verschrumpelt und die Nase abgefault ist, soll er einen entlaufenen Wissenschaftler einfangen. Hinter dem ist auch Maximus (Aaron Moten) her, ein junger Soldat, der erst noch seinen eigenen moralischen Kompass finden muss.
Zwischen diese Front gerät die naive Lucy (fantastisch: Ella Purnell). Die hatte das unfassbare Glück, nach dem Krieg in einem sogenannten Vault aufgewachsen zu sein, einem riesigen Atombunker. Lucy und die meisten ihrer Bunkermitbewohner sind achtsam und woke bis über die Schmerzgrenze.
Das Schlimmste, was einem im Vault passieren kann, sagt sie einmal, ist, dass sich jemand nicht bedankt. Die Bunkerbewohner lassen einander ausreden, legen Wert auf Bildung und wollen sogar die psychopathischen Marodeure, die sie überfallen haben, in ihre kleine Gemeinschaft integrieren.
Besonders ernst ist die Serie in den meisten Momenten nicht: Szene aus «Fallout».
Die Prämisse des Plots ist nun, dass diese herzensgute Lucy ihren wohlbehüteten Atombunker verlassen muss, um die wirkliche Welt kennen zu lernen. Und wahrscheinlich gibt es, sieht man sich die eher ratlose Haltung vieler Amerikaner und Europäer angesichts multipler Weltkrisen an, kaum eine Figur, die unsere Gegenwart besser trifft. Mit Lucy und ihrer Konfrontation mit der echten Welt ausserhalb ihres Amerika-Bunkers, haben die Serienmacher, gewollt oder nicht, einen Nerv getroffen.
Besonders ernst ist die Serie in den meisten Momenten deshalb trotzdem nicht. Sie trifft den Ton der Spiele, dazu kommt wie in der Vorlage ein grossartiger Soundtrack aus 40er-Jahre-Popklassikern. Auch den schrägen Humor haben die Serienmacher mit der comichaften Gewalt und den ernsteren Untertönen in die richtige Balance gebracht. Wenn Weltuntergang, dann so.
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