Asylbewerber nach Ruanda abschieben: Faeser prüft seit Monaten das Britische Modell
Bundesinnenministerin Nancy Faeser lässt derzeit die Möglichkeit prüfen, Asylverfahren in Drittstaaten zu verlegen.
Trotz großer Kritik ist in Großbritannien diese Woche ein Gesetz in Kraft getreten, mit dem die konservative Regierung die Abschiebung von Migranten nach Ruanda durchsetzen will. Damit will Premierminister Rishi Sunak Migranten, die irregulär einreisen, keine Gelegenheit mehr geben, einen Asylantrag in Großbritannien zu stellen. Stattdessen sollen sie ohne Rücksicht auf ihre eigentliche Herkunft nach Ruanda abgeschoben werden können und dort Asyl beantragen. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist auch bei Gewährung von Asyl nicht vorgesehen. Die britische Regierung zahlt Ruanda eine Millionensumme für den Deal.
Auch in Deutschland nimmt die Debatte Fahrt auf. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte der Augsburger Allgemeinen: „Ich hielte es für richtig, wenn wir darüber nachdenken, Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb Europas durchzuführen.“
Dürr weiter: „Mit einer rechtssicheren Regelung könnten wir Klarheit über den Schutzstatus schaffen und verhindern, dass sich Menschen ohne Bleibeperspektive auf die gefährliche Route über das Mittelmeer begeben.“
Der FDP-Politiker ist aber nicht dafür, irregulär eingereiste Migranten, die sich bereits in Deutschland aufhalten, in Drittstaaten auszufliegen, damit sie dort Asyl beantragen – wie es das britische Modell vorsieht.
FDP-Politiker Christian Dürr: „Ich hielte es für richtig, wenn wir darüber nachdenken, Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb Europas durchzuführen.“
In der Koalition hält sich die Begeisterung bei SPD und Grünen erwartungsgemäß in Grenzen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich jüngst auf einer Pressekonferenz mit dem britischen Premierminister Rishi Sunak trotz Nachfrage gar nicht zu der Frage, ob das britische Modell Vorbild für Deutschland sein könne. Er verwies stattdessen auf die bereits beschlossenen Maßnahmen zur Eindämmung irregulärer Migration nach Deutschland und Europa.
Die Union dagegen dringt seit langem darauf, Asylverfahren in Länder außerhalb der EU zu verlagern. Die Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann sagt der Berliner Zeitung: „Eine Drittstaatenlösung gibt das richtige Signal. Wer die EU erreicht, kann sich nicht darauf verlassen, auch hier bleiben zu dürfen.“ Die CDU-Politikerin ist sicher, so lasse sich das „Geschäftsmodell von Schleusern“ beenden. Sie räumt ein: „Aber Voraussetzung dafür muss sein, dass Verfahrensmodelle wie in Albanien oder Ruanda unseren rechtlichen und humanitären Ansprüchen genügen.“
Immerhin: Die Bundesregierung prüft zurzeit, ob Asylverfahren in Drittstaaten verlegt werden können – allerdings schon seit Anfang November. Bis zur nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Juni soll über die „bis dahin vorliegenden Ergebnisse“ berichtet werden, sagt am Donnerstag ein Sprecher von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Berliner Zeitung.
Nach wie vor gehe es um die Frage, so der Ministeriums-Sprecher, „ob die Feststellung des Schutzstatus von Geflüchteten unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zukünftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann“. Dazu gab es inzwischen drei Sachverständigen-Anhörungen. „Weitere Folgeveranstaltungen sind geplant“, heißt es.
Das Ende ist allerdings offen. Hintergrund dürfte auch sein: Innenministerin Faeser ist eigentlich dagegen, Asyl-Verfahren in Drittstaaten auszulagern und setzt stattdessen auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit Herkunftsländern wie Marokko oder Tunesien.
Großbritannien war dagegen einen rigorosen Weg gegangen, hebelte einfach ein Urteil des obersten britischen Gerichts aus und erklärte Ruanda kurzerhand zum sicheren Drittstaat. Mit der Regelung sollen Menschen von der Überfahrt in kleinen Booten über den Ärmelkanal abgehalten werden. Kritiker werfen dem ostafrikanischen Land Menschenrechtsverletzungen vor.
Laut dem Magazin Spiegel haben 13 deutsche Politiker in einem Brief an Sunak gegen die britischen Pläne protestiert. Zu den Unterzeichnern gehört dem Bericht zufolge neben Grünen und Sozialdemokraten, auch der Unionsabgeordnete Knut Abraham.