TV-Serie über Vietnamkrieg: Das Geständnis des Captains

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Verwischt seine Spuren: Hoa Xuande als der „Captain“

Alle Kriege werden zweimal ausgefochten“, heißt es im Vorspann zu „The Sympathizer“, der siebenteiligen HBO-Adaption des gleichnamigen Romans von Viet Thanh Nguyen. „Das erste Mal auf dem Schlachtfeld. Das zweite Mal in der Erinnerung.“ Aber wessen Erinnerung zählt am Ende? Welche Erinnerungen sind echt, und welche entstehen durch den Kontext, in dem sie auftauchen? Und wer entscheidet, wie die Story ausgeht?

„The Sympathizer“ erzählt die Geschichte des Vietnamkriegs aus vietnamesischer Sicht, genauer: aus der des namenlosen Protagonisten (Hoa Xunde), ein Doppelspion für die CIA und den Vietkong, der nur als „The Captain“ firmiert. Der Captain, das ist der Rahmen der Geschichte, schreibt in einem kommunistischen Umerziehungslager in Vietnam nach dem Krieg sein „Geständnis“, also seine Erinnerungen nieder – das Drehbuch dieser Serie, das im Verlauf des Geschehens immer wieder erweitert, neu beleuchtet und bisweilen korrigiert wird.

Die Serienschöpfer, der koreanische Regisseur Park Chan-wook und der kanadische Filmemacher Don McKellar, haben aus dieser Konstellation ein nicht bloß filmisch faszinierendes Stück gemacht, das sich auf mehreren Ebenen gleichzeitig abspielt und erstaunlich unterhaltsam ist; es nimmt sich große Themen vor : Kolonialismus und Rassismus, Loyalität und Patriotismus, Freundschaft, Trauma, Identität. Mit Letzterer ringt der Captain besonders, weil er ein „Halbblut“ ist – Sohn eines französischen Vaters und einer vietnamesischen Mutter, die ihm einbläut, er sei nicht halb, sondern doppelt. Er selbst sieht sich als „Synthese von Unvereinbarkeiten“, was seinem „Geständnis“ einen weiteren doppelten Boden verleiht.

Die Stereotypen des amerikanischen Großmauls

Der Captain hegt eingangs die Hoffnung, dass seine Mission mit dem bevorstehenden Fall Saigons beendet sei; stattdessen wird er abgestellt, den General (Toan Le) ins amerikanische Exil zu begleiten, um ein Auge auf die Gegner des Vietkong zu haben. Die sich zur Flucht zuspitzende Ausreise aus Vietnam zählt zu den visuellen Highlights der Serie, deren erste drei Episoden Park selbst inszenierte; sie wird außerdem zu einem Wendepunkt in der Serie, die ihren schwarzen Humor mit einem zutiefst empathischen Blick auf die seelischen und sozialen Verwüstungen des Krieges paart.

Der Captain, sein bester Freund Bon (Fred Nguyen Khan) und der General finden sich schließlich als vermeintlich „Gerettete“ in Los Angeles wieder; hier wird der Captain als Berater für die Dreharbeiten eines amerikanischen Vietnam-Actionthrillers um sechs amerikanische Elitesoldaten, die in einem vietnamesischen Dorf stranden, angeheuert (tatsächlich, schreibt der Captain, ist es die Geschichte eines vietnamesischen Dorfs mit einer Handvoll ungeladener Gäste).

Als Gegenspieler des Captains verkörpert Robert Downey Jr. ein halbes Dutzend Stereotype des amerikanischen Großmauls, dem der Blick für die Grenze zwischen Show und Realität abhandengekommen ist – darunter ein CIA-Agent, der unseren Helden zu dessen amerikanischen Studienzeiten einst anwarb, sein ehemaliger College-Professor der Orientalistik und der breitspurige Regisseur des erwähnten Vietnam-Blockbusters.

Dass Downey hier in wechselnder Maske hart an der Parodie entlangschrammt, ist gewollt – ein Spiegel der Jackie Chans und Bruce Lees in Hollywood, von denen die Besetzung der immergleichen Nische erwartet wurde (in einer Szene am Filmset taucht ein „asiatischer Superstar“ auf, dessen Wiedererkennungswert sich daraus speist, dass er sich vor der Kamera schon von Größen wie Robert Mitchum und Ernest Borgnine umhauen lassen durfte).

Aber die vietnamesischen Figuren aus „The Sympathizer“, von denen einige statt Namen bloß militärische Ränge tragen, formen ganz individuelle Beziehungen zu Amerika. Während der General seiner Heimat nachtrauert, ist seine Tochter Lana (Vy Le) vom Glamour Hollywoods infiziert; die japanischstämmige Mitarbeiterin des Professors, Sofia (Sandra Oh), mit der der Captain eine Affäre hat, spricht von sich als Amerikanerin; manche, darunter der Journalist Sonny (Alan Trong), finden politische Nuancen im Tauziehen zwischen Kapitalisten und Kommunisten; andere halten es mit einfachen Slogans wie „America – love it or leave it“, um nicht „für immer wie ein Geist zwischen zwei Welten zu wandeln“, wie das der Major (Phanxinê) formuliert.

„The Sympathizer“ ist eine beißende Satire auf amerikanische Überheblichkeit und ungebrochene Arroganz, wenn auch aus dem sicheren Abstand von fünf Jahrzehnten. Aber bei allem perspektivischen Witz ist sie nie zynisch. Auf Entlarvung folgt Tragik, die ihre Wurzeln wiederum in einem größeren Überbau zu finden scheint: dem Hang von Menschen zur Grausamkeit gegen sogenannte „Andere“.

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