Ärger im Schrebergarten: „Man merkt, ob jemand wirklich Kleingärtner ist“
Grün für die Jüngsten: Viele Familien mit Kindern zieht es in die Kleingartenvereine.
Frau Dörr, die deutschen Kleingartenvereine stecken mitten im Generationenwechsel. Die Älteren, die Rasenlängen noch millimetergenau trimmen, treffen auf die Jungen, die vom naturnahen Gärtnern träumen. Bedeutet das nicht reichlich Zündstoff – oder alles nur Klischee?
Doch, doch, das gibt es. Aber Sie können ja keinen zwingen, noch jedes kleine Unkraut zu ziehen. Es darf nur nicht, und das steht ja auch in der städtischen Kleingartenordnung, die für uns verbindlich ist, den Nachbarn belästigen.
Wenns rüberwuchert, ist Schluss?
Genau, also herüberhängende Äste von Bäumen oder Büschen. Außerdem gibt es Pflanzabstände von der Grenze, die eingehalten werden müssen. Wenn jemand Neues einen Garten bekommt, gibt es erst mal ein Päckchen mit Richtlinien und Verordnungen.
Apropos Verordnungen: Dass Cannabis auch jetzt nicht in Kleingärten gepflanzt werden darf, war schon vielerorts zu lesen. Gibt es noch mehr Pflanzen, die tabu sind?
Es dürfen keine Tannenbäume, Thujen oder überhaupt Waldbäume gesetzt werden. Bambus darf auch nicht rein, es sei denn, es wird eine Sperre eingebaut. Sonst gehen die Wurzeln über den ganzen Garten. Und Süßkirschen sind verboten.
Ab in die Laube: Spätestens seit Corona träumen viele Städter von einem eigenen Garten, die Wartelisten der Kleingartenvereine sind lang.
Warum denn Süßkirschen?
Weil die zu groß werden! Es gibt eine Sorte, die erlaubt ist, weil sie eine kleinwüchsige Unterlage hat. Aber da braucht man dann auch den entsprechenden Nachweis.
Die Neuen müssen also erst mal einiges studieren.
Nicht nur Blumen und Spielgeräte: Um den Vorgaben der Kleingartenvereine gerecht zu werden, sollten Pächter auf mindestens einem Drittel der Fläche Obst, Gemüse und Früchte anbauen.
Sollten sie zumindest! Im Idealfall.
Wer sind eigentlich die Neuen? Kommen die noch aus der Corona-Zeit, als Schrebergärten sich vor Bewerbern kaum retten konnten?
In der Corona-Zeit hatten wir tatsächlich wahnsinnig viele Bewerbungen, die Leute wollten zu Hause raus. Aber die Vereine merken, ob da jemand wirklich ein Kleingärtner ist. Es ist üblich, dass wir uns eine Stunde mit einem Bewerber unterhalten. Und da bekommen Sie genau raus, was die Leute vorhaben. Ich habe zum Beispiel bei mir eine Bewerberin gehabt, die fragte, ob ich einen Garten von 30 Quadratmetern für sie habe. Da weiß man schon: Die wird keine Kleingärtnerin. Wir schauen auch, wo jemand wohnt. Ich führe einen Verein in Frankfurt-Goldstein. Wenn sich da einer bewirbt, der auf der ganz anderen Seite der Stadt wohnt oder sonst Gott weiß noch wo, dann sag ich dem: Suchen Sie sich in der Nähe einen Garten!
Im Garten gibt es immer was zu tun: Wer nur am Wochenende zum Grillen kommen will, sei kein richtiger Kleingärtner, findet Hannelore Dörr.
Vielleicht hat er das längst versucht.
Aber Sie müssen in der Woche mehrmals in den Garten, gerade im Sommer zum Gießen. Da bringt es nichts, wenn Sie irgendwo einen Garten haben, um am Samstag zu grillen.
Täuscht der Eindruck: Der Generationenwechsel läuft nicht gerade rund.
Also, wir haben einige jüngere Bewerber, aber wenn man sich unterhält, merkt man oft, die wollen vor allem, dass die Kinder in Obhut sind und nicht auf öffentlichen Spielplätzen spielen müssen. In den Vereinen stellen sie sich das sicherer vor. Und das Erste, was in den Garten kommt, ist eine Rutsche, eine Schaukel und ein Sandkasten. Aber das ist nicht Sinn und Zweck vom Kleingarten. Da geht viel Fläche drauf, aber der Garten soll eigentlich kleingärtnerisch genutzt werden.
Ist das Trampolin, auch in Privatgärten allgegenwärtig, für Sie schon zum Warnsignal geworden?
Furchtbar. Das ist ein rotes Tuch. Jeder Verein hat ja eine Satzung und eine Gartenordnung, und viele haben da schon drinstehen, dass keine Trampoline aufgestellt werden dürfen. Das ist ein Sportgerät und kein Spielgerät.
Was haben Sie denn dagegen?
Die Kinder, die da drauf sind, quieken wie die Schweinchen und sind happy. Man kann ihnen das nicht verdenken, es sind Kinder. Aber für die Nachbarn ist das schon störend. Und normalerweise muss immer ein Erwachsener dabei sein, und es darf nur einer zur Zeit aufs Trampolin. In der Praxis ist das oft nicht so, und da liegt die Gefahr.
Erwarten Sie, dass in den kommenden Jahren die Fluktuation in den Vereinen größer wird?
Im Grunde sehen wir erst mal den normalen Alterswechsel. Ich bin auch schon seit 50 Jahren im Verein, nur als Beispiel. Wir ehren solche Mitglieder in den Hauptversammlungen, da bin ich viel unterwegs. Da gibt es schon einige, die 50 und 60 Jahre im Verein sind. Aber heute ist der Wechsel tatsächlich schneller. Es nehmen viele einen Garten und sagen, mach ich, ich will pflanzen, ich will, ich will – und nach einem halben Jahr sagen sie, ach, das ist mir doch zu viel Arbeit, ich gebe den Garten wieder ab. Das ist kein seltener Fall.
Mit welchem Verständnis von Gartenarbeit kommen die Leute?
Viele bekommen das nicht auf die Reihe, und sie merken erst mittendrin, wie viel Arbeit das ist. Die stellen sich einen Garten vor für Familientreffen und Grillen, wo die Kinder untergebracht sind und man drei Tomaten anpflanzt.
Viele Kleingartenvereine verweisen auf die Drittelteilung. Was heißt das?
Mindestens ein Drittel der Gesamtfläche der Parzelle ist für die Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten für den Eigenbedarf zu nutzen. Maximal ein Drittel ist für Bepflanzungen und Rasen; da kämen dann auch die Spielgeräte dazu. Und das letzte Drittel, maximal, dient der Grundfläche für die Laube und andere bauliche Anlagen, wie zum Beispiel den Komposthaufen oder die Wege. So sollte es aufgeteilt sein.
Und halten sich die Leute daran?
Das sind wenige, die sich dran halten. Viele sagen sich, jetzt habe ich den Garten gekauft, jetzt kann ich tun und lassen, was ich will. Aber wir haben dem bei uns einen Riegel vorgeschoben, weil wir festhalten, was ich im Gespräch alles erklärt habe, und das muss der Betreffende unterschreiben. Damit er nicht später behauptet, das habe ihm keiner gesagt.
Wie steht es denn um das Vereinsengagement der Neuen?
Es ist ein großes Problem, dass wir keine Nachfolger für den Vorstand finden. Viele sagen, sie haben mit der Familie zu tun, mein Beruf ist mir wichtiger, ich arbeite die ganze Woche – vielleicht wirds ja besser, wenn wir die Viertagewoche haben! In die Bewerbungsbögen schreiben viele noch rein, sie sind bereit, eine Tätigkeit im Vorstand zu übernehmen, aber am Ende wird nichts draus.
Aber ist das nicht verständlich? Die Alltagsbelastungen sind groß, und den Garten möchten die meisten gerade haben, um zu entspannen.
Ja, ich kann das verstehen. Allein wenn ich schaue, was ich an Zeit aufbringe für unseren Verein oder auch in der Stadtgruppe. Das ist extrem. Unter dem Dach der Stadtgruppe haben wir 112 Vereine, die wir in Frankfurt betreuen. Das ist für mich als Vorsitzende ein Vollzeitjob. Weil es heutzutage in den Vereinen wahnsinnig viele Probleme gibt. Die Vorstände untereinander sind sich nicht immer einig oder haben Probleme mit einem Pächter, oder die Pächter untereinander streiten sich. Das ist ganz schlimm.
Ist das mehr geworden?
Ja, erheblich.
Warum? Haben Sie eine Theorie?
Sie sehen ja, die ganze Einstellung der Menschen und das Zusammenleben haben sich verändert. Fahren Sie mal Autobahn und gucken, wie aggressiv die Leute fahren! Die Rücksichtnahme ist irgendwie raus. Wenn ich mir so überlege, als ich angefangen habe mit dem Garten – da gab es Sommerfeste, da gab es alle möglichen Gründe, um irgendein Fest zu feiern, wo alle zusammenkamen. Heute machen das viele Vereine gar nicht mehr. Das ist einmal der Aufwand, aber auch die Frage, wer kommt denn? Das sind nicht viele.
Dann andersherum gefragt: Wie macht man sich als Neuling im Kleingartenverein beliebt?
Sie sollten erst mal versuchen, sich wirklich mit Einsatz ihrem Garten zu widmen. Die meisten Gärten sind ja gar nicht so in Ordnung. In vielen Fällen sind das verwahrloste und heruntergekommene Parzellen. Dann wird für die Ablöse eine Wertermittlung gemacht, und da ist es heute nicht selten, dass es ein Minusgarten wird, also mehr Arbeit reingesteckt werden muss, als der Garten wert ist. Früher gab es das selten, da wurden die Gärten gepflegt bis zum Ende.
Wo finden Einsteiger denn Rat für so ein Projekt?
Die Stadtgruppe bietet, wie andere Vereine in Deutschland auch, gerade für die Neuen Seminare an, zum Beispiel über Kompostierung, Nützlinge im Garten oder Baumschnitt. Die sind kostenfrei. Und gerade wenn man neu ist: Nachbarn helfen oft gerne, geben Rat und haben auch mal einen Spaten zur Hand.
Und was gehört zur Grundausstattung?
Gewisse Gartengeräte. Neben dem Spaten auch Rechen, Hacke und eine gute Rosenschere. Es braucht aber nicht jeder einen Rasenmäher, so groß ist die Rasenfläche nicht. Man könnte sich auch mit dem Nachbarn austauschen. Oder einen Häcksler. Ist ein tolles Gerät, aber das sollten auch mehrere zusammen nutzen. Wir haben jetzt einen neuen Gärtner bei uns, der ist erst mal los, kam zurück und sagte: So, ich habe für 800 Euro Geräte gekauft!
Und? Wie erfolgreich ist er in seinem Garten bisher?
Also, mein Mann ist begeistert! Der macht aus einem wirklich heruntergekommenen Garten etwas, das gleicht sich schon gar nicht mehr. Der ist mit Leib und Seele dabei. Wir haben im vergangenen Jahr zwei Neue in dieser Richtung bekommen – glücklicherweise. Es gibt die ganz Fleißigen, die wirklich gerne einen Garten haben wollen.
Hannelore Dörr ist seit 50 Jahren Kleingärtnerin. Die 81-jährige leitet den KGV Goldstein 1950 e. V. und ist Vorsitzende der Dachorganisation Stadtgruppe Frankfurt der Kleingärtner e. V., zu der 112 Vereine mit mehr als 15.000 Kleingärten gehören.