Archäologie: Römisches Objekt gibt Rätsel auf
Amateurarchäologen haben in Großbritannien einen gut erhaltenen römischen Dodekaeder gefunden. Das Objekt wirft Fragen auf – nicht zum ersten Mal.
Archäologie: Römisches Objekt gibt Rätsel auf
Das Objekt erinnert an einen bunten Plastikball, durch dessen Wände Kleinkinder Dinge mit verschiedenen Formen ins Innere schieben können. Nur: Dieses Objekt, das Hobbyarchäologen in England gefunden haben, ist nicht aus Plastik und es ist nicht bunt. Es ist grau, braun und grünlich. Und wahrscheinlich hatte es einen völlig anderen Zweck.
Das jedenfalls vermuten die Ehrenamtlichen eines lokalen Geschichtsvereins. Demnach stammt das zwölfseitige Objekt vermutlich aus dem dritten oder vierten Jahrhundert. Es handele sich dabei um einen römischen Dodekaeder – eines der großen Rätsel der Archäologie.
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Entdeckt wurde der Dodekaeder bereits im Sommer 2023 in Norton Disney in der Nähe von Lincoln in England bei einer archäologischen Amateur-Grabung. »Es ist gut gegossen, vollständig, unbeschädigt und in einem ausgezeichneten Zustand«, heißt es in einer Mitteilung des Geschichtsvereins Norton Disney History and Archaeology Group. »Es ist ein Beispiel für eine sehr gute handwerkliche Verarbeitung, die einen hohen Standard aufweist.«
Womöglich rituell genutzt
Völlig neu ist die Form für Archäologinnen und Archäologen nicht. Rund 30 dieser Objekte oder Teile davon wurden bisher im römischen Britannien gefunden, im gesamten ehemaligen römischen Gebiet sind es rund 100 mehr.
Dennoch ist unklar, wofür die Dodekaeder eigentlich gebaut wurden. Leichter lässt sich aktuell sagen, wofür sie nicht gemacht wurden: Sie haben keine Standardgröße, also könnten sie etwa keine Messgeräte sein. Auch die Verwendung als Werkzeuge kann ausgeschlossen werden, weil es keine Gebrauchsspuren sind.
Hinweise könnte womöglich der Fundort geben. »Was wir wissen, ist, dass das Dodekaeder auf der Spitze eines Hügels in einer ehemaligen großen Grube gefunden wurde«, sagte Richard Parker, Vorsitzender der Gruppe, der den Dodekaeder gefunden hatte. »Es scheint, als sei es absichtlich dort platziert worden.« In die Herstellung sei viel Zeit, Energie und Geschick investiert worden. Der Verein gehe daher nicht davon aus, dass das Objekt für profane Zwecke zum Einsatz kam. Am wahrscheinlichsten sehen die Ehrenamtlichen daher die Verwendung für rituelle und religiöse Zwecke. Historische Aufzeichnungen zu der Verwendung gebe es allerdings nicht.
Viele Fragen bleiben Parker zufolge aber offen: »Warum würde jemand ein solches Objekt vergraben? Hatte es eine religiöse oder rituelle Bedeutung? Was könnten wir in der Nähe noch finden?«
Möglicherweise liegen die Antworten noch im Boden der Region. In diesem Jahr hat die Gruppe weitere Grabungen geplant – in der Hoffnung, das Rätsel um den Dodekaeder lösen zu können.